Wiener Motorensymposium:Elektro muss noch warten

Die deutschen Autohersteller glauben weiter an die Zukunft fortschrittlicher Otto- und Dieselantriebe, so die Bilanz des Wiener Motorensymposiums.

Joachim Becker

Countdown zum emissionsfreien Fahren: VW räumt dem Einliterauto Vorfahrt vor dem Nullliter-Fahrzeug ein: "Wir wollen und werden das ,Elektroauto für alle' anbieten. Aber wir wissen auch, dass das nur Schritt für Schritt geht", erklärte Martin Winterkorn gerade auf dem Wiener Motorensymposium.

Vor rund 1000 Experten für Verbrennungsmotoren skizzierte der Volkswagen-Chef die Antriebsstrategie des Konzerns: "Ich freue mich, ankündigen zu können, dass Volkswagen 2013, 2014 und 2015 eine Reihe von Plug-in-Hybriden auf den Markt bringen wird", so Winterkorn.

Aus seiner Sicht verbinde diese Kombination von Verbrennungsmotor und Elektroantrieb das Beste aus zwei Welten: "Einen uneingeschränkten Aktionsradius, ein hohes CO2-Minderungspotential und nicht zuletzt deutlich geringere Anschaffungskosten gegenüber einem Batteriefahrzeug."

Bekannt war bereits, dass VW mit umgebauten E-Versionen des Kleinwagens Up und des Golf Blue E-Motion 2013 starten wird. Zwei weitere Elektrofahrzeuge sollen zur gleichen Zeit in Kooperation mit einheimischen Partnern in China auf den Markt kommen. Doch solche Fingerübungen gaben bislang nur wenige Hinweise darauf, wie sich Volkswagen künftig von den Wettbewerbern unterscheiden will.

Jetzt zeichnet sich die Gesamtstrategie deutlicher ab: Das Einliterauto im Format eines VW Polo werde "mit begeisternden Fahreigenschaften" ab 2013 in Kleinserie gehen, kündigte Winterkorn am 6. Mai in Wien an: "Es hat alle Schlüsseltechnologien an Bord: einen hocheffizienten TDI-Motor, innovativen Leichtbau und neue Werkstoffe aus Kohlefasern und einen Plug-in-Hybrid mit Lithium-Ionen-Batterie."

Auf der Qatar Motor Show 2011 hatte VW zu Anfang des Jahres bereits die dritte Prototypen-Generation des XL1 mit einem 0,8-Liter-Diesel präsentiert. Der Motor ist ein halbierter 1,6-Liter-Selbstzünder, wie er auch im Golf oder Passat verbaut wird. Anders als der XL1 werden die meisten Plug-in-Hybride von VW auch mit der Karosserie auf bestehende Modelle zurückgreifen. So profitieren sie von den hohen Stückzahlen und entsprechend niedrigen Kosten des jeweiligen Basismodells mit konventionellem Antrieb.

BMW-Motorenchef Peter Langen bekräftigte in Wien, dass auch die weiß-blaue Marke ihren Sechszylinder-Diesel halbieren wird. Die Dreizylinder können mit einem hohen Anteil von Gleichteilen auf den bestehenden Anlagen produziert werden. "Der Verbrennungsmotor muss in den nächsten Jahren verflixt viel Geld verdienen, um die Elektromobilität zu finanzieren", sagte Peter Langen in seinem Plenarvortrag.

Deutsche Hersteller wollen ihren Vorsprung nutzen

Die Botschaft auf dem Wiener Motorensymposium 2011 war in zahlreichen Vorträgen unüberhörbar: Die deutschen Hersteller wollen auch künftig ihren Vorsprung bei Otto- und Dieselmotoren nutzen. "Es gibt in Sachen Batterie nach wie vor keine zufriedenstellende und wirklich großserienreife Lösung", betonte Martin Winterkorn.

Für viele Kunden komme das Elektroauto heute allenfalls als Zweitfahrzeug in Frage. Und schließlich werde es zunächst auch vor allem ein Großstadtphänomen sein. Die Wolfsburger werden daher den Schwerpunkt zunächst nicht wie Renault auf reine Batteriefahrzeuge legen. Anders als General Motors (GM) mit dem Chevrolet Volt und dem Opel Ampera geht Volkswagen auch nicht den Weg der E-Mobile mit Range Extender.

Aus Kostengründen kombiniert GM einen simplen Verbrennungsmotor mit aufwendiger Elektrotechnik. Der Vierzylinder treibt nicht die Räder direkt an, sondern wird nur als Notstromaggregat eingesetzt. Erst wenn die Traktionsbatterie zu drei Vierteln entladen ist, springt der Benziner an. Er muss ohne Aufladung oder ausgeklügelte Einspritztechnik auskommen - entsprechend durstig wird das vermeintliche Elektroauto, wenn auf der Autobahn die volle verbrennungsmotorische Leistung abgerufen wird.

"Ich glaube, wir können den Volt zu einem Volumenmodell machen", sagte Thomas Stephens am Vorabend des Motorensymposiums. 2012 soll sich die Jahresproduktion auf 45.000 Fahrzeuge verdreifachen. Nach einer kostensenkenden Überarbeitung des Antriebsstrangs sollen weitere Karosserievarianten auf den Markt kommen, kündigte der Cheftechnologe Stephens in Wien an.

Womit die deutschen Hersteller weiterhin weltweite Erfolge einfahren wollen, präsentierten sie einem staunenden Publikum auf dem Symposium: Aufgeladene Vierzylinder-Benziner, die so antrittsstark und beinahe so sparsam sind wie die aktuellen Selbstzünder.

"Wir kommen erst jetzt wieder mit einem Turbo-Vierzylinder, weil wir das gefürchtete Turboloch eliminiert und den Verbrauch erheblich gesenkt haben", sagte Fritz Steinparzer, Leiter der BMW-Ottomotorenentwicklung.

Einsparungen von mehr als zehn Prozent im realen Kundenbetrieb verspricht auch Audi mit der dritten Generation seiner aufgeladenen Vierzylinder-Direkteinspritzer. Der neue TFSI-Motor wird in der Zweilitervariante bis zu 400 Nm Drehmoment und 220 kW Leistung auf die Straße bringen, Kraft genug, um einen Großteil der Konzernmodelle zu befeuern: Bis 2015 sollen jährlich 2,3 Millionen der Kraftpakete von den Bändern in Ungarn, Mexiko und China laufen.

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