Weltspiegel (4): Nissan Cedric Taxi:Reise in die Vergangenheit

Den Nissan Cedric mit seiner ausladenden und kantigen Form wird man auf deutschen Straßen vergeblich suchen. In japanischen Großstädten aber dominiert er das Straßenbild - als Taxi.

Von Stefan Grundhoff

Der stolze Kühlergrill und das viele Chrom erinnern an die gute alte Autozeit, in den achtziger Jahren, als sich auch der europäische Markt noch für solch urwüchsige Mittelklasselimousinen begeistern konnte - eine Zeit also, als Geländewagen alleine etwas für Naturburschen waren. Problemlos hätte man sich den Nissan Cedric da auch auf deutschen Straßen vorstellen können. Als einen, der gegen VW Santana, Ford Granada oder Toyota Cressida antritt.

Weltspiegel (4): Nissan Cedric Taxi: Wird seit 1987 unverändert gebaut: Nissan Cedric Taxi

Wird seit 1987 unverändert gebaut: Nissan Cedric Taxi

(Foto: Foto: Pressinform)

Doch die 4,69 Meter lange Limousine mit dem französischen Namen schaffte es nicht auf den deutschen Markt. Vorgängermodelle der 70er und 80er Jahre wurden unter dem Datsun-Label jedoch auch in einigen anderen europäischen Ländern angeboten. Im Heimatland Japan aber ließen sich in ihm Geschäftsleute durch die zunehmend voller werdenden Megacitys chauffieren. Denn den Cedric und sein Schwestermodell Gloria gab es auch als Langversion.

Wer heute etwas auf sich hält, genießt zwar auch in Tokio, Hiroshima oder Osaka längst den Komfort von deutschen Luxuskarossen. 7er BMW, Audi A8 und Mercedes S-Klasse stehen bei Japans Entscheidern noch höher im Kurs als mächtige USA-SUVs. Und wenn es schon ein inländisches Luxus-Produkt sein muss, dann ist es meist ein Toyota Crown, der im Nobelmarkt die heimischen Flaggen noch hochhalten kann.

Dennoch: Den Nissan Cedric gibt es bereits seit 1960 - und als Taxi ist er immer noch unterwegs. Die normale Cedric-Produktion wurde Ende 2004 nach der zehnten Modellreihe eingestellt. Die letzte Nutzfahrzeug-Generation mit der Bezeichnung Y31 allerdings, die im Juni 1987 vorgestellt wurde, ist das Massentaxi Japans - und blieb bis heute nahezu unverändert. Der einzige Unterschied: Der Cedric kommt nicht mehr wie ursprünglich schwarz daher, sondern ist durchweg rot oder gelb lackiert.

Reise in die Vergangenheit

Der mit weißen Handschuhen und Mütze bekleidete Chauffeur sitzt vorne rechts und genießt den Komfort einer betagten Viergang-Automatik. Die meisten Taxifahrer haben den eigenen Wagen trotz seiner Schlichtheit prächtig ausstaffiert. Optisches Highlight sind in aller Regel die weißen Spitzenüberzüge, die die Schulterpartien der weichen Sitze und die Kopfstützen verzieren. Praktisch für den turbulenten Tokio-Verkehr: Die hintere linke Tür lässt sich via Hebel direkt vom Fahrer aus aufstoßen.

Der japanische Taxikunde weiß diesen Komfort seit Jahren zu schätzen. Egal ob er sich durch Shitamachi, die historische Altstadt von Tokio, oder das Asakusa-Viertel quält: "Wir haben mit dem Nissan Cedric in Tokio im Taxisegment einen Marktanteil von rund 50 Prozent", sagt Giuseppe Cavallo von Nissans Nutzfahrzeugsparte.

Die ersten Meter in einem Nissan Cedric zeigen: Mit dem Wagen sollte man auch nur in der City unterwegs sein. Ein zwei Liter großer Vierzylinder leistet gerade einmal 63 kW/85 PS und ein wenig aussagekräftiges Drehmoment von 167 Nm. Theoretisch kratzt das automobile Urgestein an der 160-km/h-Marke. Ausprobiert hat das in den überfüllten Straßen niemand. Im Nissan Cedric gleitet man lieber. Sportliche Höchstleistungen werden dem kantigen Schiff aufgrund der weichen Federung und der schwammigen Reifen nicht einmal in japanischen Action-Streifen zugemutet.

Reise in die Vergangenheit

Stattdessen schont der 1,4 Tonnen schwere Hecktriebler die Geldbörse der Taxifahrer. "Das Basismodell kostet als Taxiversion in Japan kaum mehr als umgerechnet 11.000 Euro", erklärt Cavallo. Mit Extras wie den Spitzensitzbezügen, Kunstledersesseln sowie einem überdimensionalen Navigations- und Unterhaltungsbildschirm für die Wartezeiten des Fahrers liegt man bei knapp über 15.000 Euro. Der unverwüstliche Vierzylinder-Benziner wird mit Gas betrieben und verbraucht rund neun Liter auf 100 Kilometern.

Dank 2,74 Metern Radstand sitzt man im Cedric eigentlich gemütlich. Doch die Sitze sind kaum für groß gewachsene Westeuropäer gedacht. Der Fahrer wiederum lebt an seinem Arbeitsplatz - und im Gegensatz zu Deutschland sind die Taxis in Japan besonders im Innenraum auch noch nach Jahren intensiver Benutzung nahezu im Neuzustand.

Fahrer und Passagiere im Fond freuen sich über Klimaanlage, Kopfstützen und die wenig genutzten elektrischen Fensterheber. Allerdings: Auf der Beifahrerseite vorne links sitzt im realen Taxigeschäft niemand. Dort fehlen auch zumeist Fensterheber und Kopfstütze - alleine schon wegen der besseren Sicht.

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