Weltspiegel (33): Automarkt Japan:Zwischen Mikro und Boxy

Seit Jahren kommt der japanische Automarkt nicht so recht auf die Beine. Die Käufer halten sich zurück und bei der urbanen Jugend steht der fahrbare Untersatz nicht im Vordergrund des Interesses. Allein die kleinen Kei-Cars bleiben richtige Renner.

Stefan Grundhoff

Die Redaktion von sueddeutsche.de sieht sich um - im "Weltspiegel": Welche Autos fahren die anderen eigentlich? Wie reagieren andere Länder und Hersteller auf den Klimawandel? Wer steigt auf alternativ angetriebene Fahrzeuge um?

Der japanische Automarkt ist nicht wie jeder andere. Das galt schon vor der Katastrophe von Fukushima. Blickt man auf große Städte wie Tokyo, Hiroshima, Kyoto oder Osaka, dann stellt man fest, dass Klein- und Kleinstwagen sowie leicht betagt anmutende Taxis im turbulenten Straßenverkehr den Ton angeben.

Taximodelle im Design der achtziger Jahre wie Toyota Crown oder Nissan Cedric sind günstig, robust und geräumig. Die Japaner lieben sie nicht nur wegen der per Fernbedienung vom Fahrer zu bedienenden Fondtür oder den schmucken Spitzendeckchen über Sitzen und Kopfstützen. Publikumslieblinge sind seit vielen Jahren auch die Kei-Cars, die in Japan einen Marktanteil von bis zu 40 Prozent erreichen.

Generell teilt sich der japanische Automarkt in drei Pkw-Klassen auf. Die kleine Klasse "Kei" ist seit ihrer Einführung im Jahre 1949 maximal 3,40 Meter lang und wird von einem Motor mit maximal 660 Kubikzentimetern angetrieben. Ihr entstammt unter anderem der offene Spaßmacher Daihatsu Copen, der zwischenzeitlich auch mal in Europa zu haben war. Kei-Cars sind steuerbegünstigt mit einem gelben Nummernschild unterwegs und genießen oft Sonderregelungen - was zum Beispiel den Nachweis eines Parkplatzes angeht.

Als Spaßmobile sind die kleinen Flitzer mit Turbotriebwerken bis an die 100 PS stark. Immer beliebter werden in diesem Zusammenhang die kleinen Mikro-Busse im boxy Design, die getreu dem Motto "quadratisch - praktisch - gut" auf kleinstem Platz maximalen Raum für bis zu vier Insassen bieten.

Luxusmodelle sind Nebendarsteller

Sie heißen Daihatsu Tanto, Mazda Scrum oder Suzuki Palette und haben Ausstattungsdetails wie nach außen ausklappbare Sitze, große Schiebetüren und eine kaum zu schlagende Variabilität. Für umgerechnet 13.000 bis 20.000 Euro gibt es die knapp eine Tonne schweren Allzweckmobile mit Leistungen von 40 bis 70 PS.

In der nächsten Generation dürften die ersten Minibox-Vans von einem Elektromotor angetrieben werden. Gefahren werden sie sowieso nur in der Stadt. Einen Ausblick in die fernere Zukunft gab auf der Tokyo Motor Show zum Beispiel der Daihatsu FC Case, dessen Kombination aus Brennstoffzelle und Elektromotor komplett im Fahrzeugboden integriert ist.

Nicht ganz so stark sind auf dem japanischen Markt die beiden größeren Klassen (5 Number und 3 Number) auf den Straßen vertreten. Die Mittelklasse namens "5 Number" hat vier oder sechs Zylinder, maximal zwei Liter Hubraum und ist bis zu 4,70 m lang. Die Topliga "3 Number" umfasst all das, was länger als 4,70 Meter ist.

Oberklasse-Limousinen wie Audi A6, 5er BMW oder Mercedes E-Klasse haben seit Jahren ihr festes Stamm-Klientel - und nahezu amplitudenfreie Zulassungen. Noch exklusiver ist die europäische Luxusliga mit 7er BMW, Audi A8, Mercedes S 600 oder die großen Toyota- und Lexus-Limousinen - alle mit langem Radstand und jeder Menge Komfort an Bord. Trotz des imposanten Prestiges sind sie kaum mehr als Nebendarsteller, auch wenn sie sich einer überaus treuen Kundschaft erfreuen. Denn wer in den großen japanischen Städten etwas auf sich hält, ist nur selten ohne Chauffeur unterwegs.

Im alltäglichen Stau-Chaos der Megacity Tokyo mit ihren mehr als zehn Millionen Einwohnern gehören Liegesitze, Jalousien rundum und Fernsehen an Bord seit Jahren dazu. Große Bildschirme, Soundsystem, Spielkonsolen, WLan-Zugang und Hightech-Navigation haben selbst die kleinsten Kei-Cars an Bord. Schließlich gehören nicht nur in Tokyo ein bis zwei Stunden Stau täglich auf dem Weg in die Arbeit dazu. Da will man unterhalten werden.

Nach wie vor werden eine Vielzahl von Importautos auch im Rechtslenkerland mit dem Lenkrad auf der linken Seite verkauft. So hebt man sich von der breiten Masse ab und zeigt, dass man exklusiv und zumeist besonders sportlich unterwegs ist. Die Innenstädte haben sich längst darauf eingestellt. Nicht nur in Tokyo haben viele Parkhäuser die Ticketautomaten an der Ausfahrt daher auf beiden Fahrzeugseiten.

Dieselmotor? Nur in Bussen und Lkws

Und: Nur Busse und Lastwagen werden in Japan von Dieselmotoren angetrieben. Die Selbstzünder kommen im Land des Lächelns von ihrem Schmuddelimage nicht weg. Entweder Benziner oder Hybridmodell - sonst gibt es fast nichts. Der Hybridanteil liegt dank vergleichsweise üppiger Verkäufe von Modellen wie Toyota Prius oder Honda Civic Hybrid bei rund fünf Prozent - höher als in jedem anderen Land in der Welt.

Ein Hauptgrund ist die Stärke der Heimatmarken. Im eigenen Land geben die Japaner den Ton an. Die drei Marktführer Toyota, Nissan und Honda liegen weit vor der Konkurrenz. Mazda zum Beispiel hatte vor 20 Jahren noch einen zweistelligen Marktanteil, dümpelt nun aber bei unter fünf Prozent herum. Ein Grund: Nach wie vor produzieren die Japaner mit Sitz in Hiroshima keine Kei-Cars, die werden bei Suzuki eingekauft.

Überstanden sind die Folgen der Katastrophe von Fukushima im Autoland Japan keinesfalls. Als Folge von Erdbeben, Flutkatastrophe und Atomunglück sanken die Produktionszahlen der heimischen Hersteller im erst Fiskalhalbjahr (April bis September 2011) trotz aller Bestrebungen der Regierung um rund 15 Prozent.

Erst jetzt geht es langsam wieder bergauf: In den Monaten September und Oktober stiegen die Produktionszahlen um rund 20 Prozent an. Mit den ehemals geplanten 4,5 Millionen Zulassungen rechnet aktuell jedoch niemand mehr. Auch der Anteil der Importfahrzeuge kommt seit Jahren kaum nennenswert über die Fünf-Prozent-Marke.

Besser sieht es bei den Premiummarken aus. Audi will dieses Jahr 20.000 Fahrzeuge in Japan verkaufen. "25 Prozent unserer Verkäufe sind der kleine A1", so Audi-Chef Rupert Stadler, "bis 2015 rechnen wir mit 40.000 Audi-Verkäufen in Japan." Aber es sind besonders die hoch motorisierten deutschen Modell, die die potente japanische Kundschaft anlocken.

Dabei darf man in Japan maximal 100 km/h auf den Autobahnen fahren.

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