Süddeutsche Zeitung

Weltspiegel (32): SsangYong Chairman:Koreas skurrile S-Klasse

Lesezeit: 3 min

Der SsangYong Chairman ist Südkoreas teuerstes Luxusauto aus eigener Produktion. Unter der Haube arbeitet ein Motor der Mercedes S-Klasse, seine Massagesitze kennen keine Gnade und sein Navigationssystem beweist Sex-Appeal.

Sebastian Viehmann

Die Redaktion von sueddeutsche.de sieht sich um - im "Weltspiegel" : Welche Autos fahren die anderen? Wie reagieren andere Länder und Hersteller auf den Klimawandel? Wer steigt auf alternativ angetriebene Fahrzeuge um?

Auf diese Frage war Joon Kim nicht vorbereitet: "Was für Holz ist das denn in der Türverkleidung?" Kim muss kurz nachdenken, während er den 5,1 Meter langen SsangYong Chairman durch das Verkehrsdickicht von Seoul manövriert. Dann sagt er im Brustton der Überzeugung: "Ich weiß es nicht genau, aber ich bin sicher, es ist das beste Holz auf dem Markt."

Joon Kim ist Export-Manager der südkoreanischen Automarke SsangYong, und der Chairman V8 5000 ist das Aushängeschild der Asiaten: 306 PS, fast drei Meter Radstand und bis unters Dach vollgestopft mit Luxus. Die neue Version des Wagens wurde gerade erst der Öffentlichkeit gezeigt. Sie ist so jungfräulich, dass einige Zierblenden sogar noch mit Folie verdeckt sind.

Koreanische Autokäufer lassen solche Details gern wochenlang unberührt, genau wie die kleinen blauen Schaumstoffpolster an den Türkanten oder den Auslieferungs-Sticker in der Seitenscheibe. Es sind Statussymbole, mit denen man allen zeigt, dass der Wagen wirklich nagelneu ist.

Die zweite Generation des SsangYong Chairman, die 2008 auf den Markt kam und jetzt mit einem Facelift überarbeitet wurde, ist tatsächlich ein prestigeträchtiger Luxusschlitten. Er konkurriert nicht nur mit der in Europa unbekannten Edel-Limousine Hyundai Equus, sondern soll auch gegen 7er BMW, Jaguar XJ und natürlich die Mercedes S-Klasse antreten.

An die S-Klasse erinnert nicht nur die Optik des Chairman, auch wenn sich statt eines Sterns der SsangYong-Doppeldrache als Kühlerfigur in die Höhe reckt: Es steckt tatsächlich Mercedes-Technik unterm Blech. Die Kurzversion des Chairman nutze die Bodengruppe einer alten E-Klasse, sagt SsangYong-Manager Joon Kim, und auch das Siebengang-Automatikgetriebe soll aus Stuttgart stammen.

Der fünf Liter große V8-Motor hat, wie Mercedes auf Nachfrage bestätigt, bis 2007 die S-Klasse angetrieben. Die prestigeträchtige V8-Version des Chairman ist optional in einer 5,4 Meter messenden Langversion zu haben. Die Einstiegsmodelle haben dagegen einen V6-Motor mit 3,2 oder 3,6 Litern Hubraum und 225 bis 250 PS unter der Haube. Gegen Aufpreis ist sogar permanenter Allradantrieb an Bord.

Eine ernstzunehmende Luxuslimousine ist der Chairman durchaus: Lenkrad und Sitze fahren elektrisch in Position, doppelverglaste Scheiben sorgen selbst bei hohem Tempo für angenehme Ruhe und beim Tritt aufs Gaspedal schiebt der V8-Motor den zwei Tonnen schweren Wagen mit geballter Kraft voran. Ein adaptives Fahrerwerk, LED-Innenraumbeleuchtung, zehn Airbags und Assistenzsysteme wie der Abstandsregeltempomat sind ebenfalls an Bord.

Ein bisschen schrullig ist der Chairman aber auch. Im Fond lassen sich die Massagesitze zwar elektrisch in Längsrichtung verschieben, aber nicht in der Neigung der Lehne. Und sie bräuchten dringend etwas Feintuning,denn in der höchsten Stufe trommelt einem die Technik wenig entspannend in den Rücken und klingt dabei wie ein Wäschetrockner mit Unwucht.

Das Navigationssystem wiederum ist mit bunten Symbolen und Informationen überfrachtet. Wenn man sich einer Radarfalle nähert, haucht eine zarte und erotische Frauenstimme dem Chauffeur eine Warnung zu.

Wenn dann der Bildschirm für die Fond-Passagiere elegant aus der Mittelkonsole ausklappt, knirscht es doch noch ein wenig. Aber natürlich zeigt das erste Monitorbild stolz an, dass das Entertainmentsystem mit siebzehn Lautsprechern, DVD-Wechsler und 40-GB-Festplatte von Harman/Kardon kommt.

Trotz aller Technik und Komfortausstattung ist die koreanische Antwort auf den Mercedes S 500 nur etwa halb so teuer wie das Original aus Schwaben, das in Seoul wegen schwindelerregender Importzölle fast 200 Millionen Won (rund 133.000 Euro) kostet.

Joon Kim denkt sogar vorsichtig über einen Export seiner Luxusklasse nach Europa nach, wo SsangYong mit dem gelungenen SUV Korando gerade einen Neustart wagt. Die Koreaner haben extra für den europäischen Markt einen V6-Dieselmotor entwickelt.

Analyst Christoph Stürmer vom Wirtschaftsforschungsinstitut IHS Automotive sieht für den Chairman in Europa allerdings keine großen Chancen: "Zuerst einmal käme wohl die Luxuslimousine Equus von Hyundai. Da kann sich SsangYong hinten anstellen", so Stürmer.

In Südkorea ist der Chairman jedenfalls ein gewohnter Anblick, rund 5000 Fahrzeuge werden jährlich gebaut. Joon Kim betont, dass etwa jeder dritte Politiker seines Landes im Chairman durch die Gegend kreuze, außerdem zahlreiche Firmenchefs und Prominente.

Eine gepanzerte Version allerdings, die für Politiker- und Promi-Limousinen normalerweise unabdingbar ist, hat SsangYong nicht im Angebot. "So etwas brauchen wir hier auch gar nicht", winkt Kim ab, "Südkorea ist ein sehr sicheres Land."

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