Weltspiegel (20): Automarkt China:Flügellahmer Drache

Die Shanghai Motor Show läuft. Zwar steckt auch China in der Krise, doch der Einbruch ist noch gering - weswegen das Land für deutsche Autobauer höchst attraktiv bleibt.

Sebastian Viehmann

Die Redaktion von sueddeutsche.de sieht sich um - im "Weltspiegel": Welche Autos fahren die anderen? Wie reagieren andere Länder und Hersteller auf den Klimawandel? Wer steigt auf alternativ angetriebene Fahrzeuge um?

Weltspiegel (20): Automarkt China: Bei uns nicht zu haben, in China sehr begehrt: der VW Bora

Bei uns nicht zu haben, in China sehr begehrt: der VW Bora

(Foto: Foto: Pressinform)

Seit mehr als einem Jahrzehnt kannte Chinas Wirtschaft nur eine Richtung: steil nach oben. Nun wird der Höhenflug des chinesischen Drachens gebremst. Im ersten Quartal 2009 stieg das Bruttoinlandsprodukt "nur" noch um 6,1 Prozent - wenig für chinesische Verhältnisse, aber immer noch gut für neidische Blicke anderer Staaten.

Auch auf dem Automarkt sieht es so schlecht nicht aus: "China ist und bleibt der wichtigste Wachstumsmarkt in der Welt. Nachdem dort im letzten Jahr 5,6 Millionen Pkw verkauft wurden, rechnen wir 2009 mit einer leichten Abkühlung, die aber deutlich geringer sein wird als in anderen Märkten", glaubt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen und Professor für Automobilwirtschaft.

Dudenhöffer prognostiziert für den chinesischen Markt einen Rückgang von gerade mal vier Prozent auf 5,4 Millionen PKW - im Vergleich zu den gewaltigen Einbrüchen anderer Märkte wäre das nur ein kleiner Dämpfer. "Um das Jahr 2020 kann dann China der größte Pkw-Markt der Welt werden. Dabei müssen wir mit hartem Wettbewerb der Chinesen rechnen, die auch bei den Innovationen schnell lernen und aufholen. Das Zukunftsthema Elektromobilität und Hybrid werden die Chinesen schneller umsetzen, als wir uns das vorstellen", glaubt Dudenhöffer.

Beim Elektroauto hat China bereits eine Marschroute festgelegt. Die Renault-Nissan-Allianz hat eine Vereinbarung mit der chinesischen Regierung geschlossen, bei der es um die Entwicklung von Elektroautos samt der nötigen Infrastruktur geht. Schon 2011 könnten in großem Stil Stromer auf Chinas Straßen rollen. "Kein anderer Automobilhersteller außer uns unterzeichnet derzeit bereits Verträge mit Regierungen verschiedener Länder in aller Welt, um Elektrofahrzeugen zu einer flächendeckenden Verbreitung zu verhelfen", betont Renault-Chef Carlos Ghosn.

Die Voraussetzungen für Elektroautos scheinen ideal

Auch die Chinesen sind keine Neulinge in dem Bereich. Der Autobauer BYD zum Beispiel ist von Haus aus Batterie-Hersteller und hat bereits einen Plug-In Hybrid namens F3DM im Programm.

Die Voraussetzungen für Elektroautos scheinen trotz der gewaltigen Entfernungen im Riesen-Reich ideal: Der Großteil des Verkehr spielt sich in den überfüllten Städten ab, so dass die prinzipiell bescheidene Reichweite und die geringe Höchstgeschwindigkeit eines Elektroautos kein großes Problem darstellen. Schwieriger wird es mit der Infrastruktur. Statt beschaulicher Reihenhaussiedlungen gibt es in China vor allem Appartement-Komplexe, so dass kaum ein Chinese den Strom per Verlängerungsschnur zu seinem Elektroauto bringen könnte.

Wenn es dem Land mit der elektrischen Revolution ernst ist, stehen China also gewaltige Kosten für den Aufbau öffentlicher Ladestationen ins Haus. Sollte den Chinesen eine Führungsrolle auf dem Gebiet der Elektroautos gelingen, könnten sie langfristig aber ein anderes Manko wettmachen: Die Benzinmotoren der chinesischen Hersteller haben noch längst nicht das technische Niveau der Deutschen oder Japaner erreicht.

Der erfolgreichste deutsche Autobauer in China ist nach wie vor Volkswagen. 2008 knackten die Wolfsburger im Reich der Mitte mit 1,02 Millionen Fahrzeugen einen Rekord und lieferten fast so viele Autos aus wie in Deutschland. Zu den China-Modellen zählen der VW Bora (Stufenheckvariante des Golf) und die speziell für den chinesischen Markt entwickelte Limousine Lavida.

Deutsche Hersteller sind ziemlich erfolgreich

Vom VW-Glanz profitiert auch die Schwester Audi. Der Audi A4L für China kostet mit Zweiliter-Turbomotor umgerechnet knapp 33.000 Euro. Der Wagen wird genau wie der A6L als spezielle Langversion für den chinesischen Markt hergestellt, der Radstand ist 60 Millimeter länger als bei einem normalen A4. Auch BMW oder VW verkaufen Langversionen ihrer Limousinen, denn in China kommt es bei Luxusautos vor allem auf ein großzügiges Raumangebot im Fond an.

Doch auch kleine Lifestyle-Autos finden ihre Nische: Mini verkaufte in China im vergangenen Jahr über 3100 Fahrzeuge (plus 43 Prozent), im ersten Quartal 2009 waren es bereits mehr als 1000.

Porsche verspricht sich ebenfalls ein enormes Wachstumspotenzial im Reich der Mitte. Abgesehen vom Cayenne Diesel ist die komplette Modellpalette in China zu haben. "Trotz der globalen Rezession, die inzwischen leider auch die chinesische Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen hat, verzeichnen wir weiterhin eine hohe Nachfrage. Wir gehen fest davon aus, dass unsere vierte Baureihe auf dem chinesischen Markt unserem Absatz noch einmal einen kräftigen Schub im deutlich vierstelligen Bereich verleihen wird", sagt Porsche-Sprecher Dirk Erat. Die Schwaben haben auch deswegen ihren Viertürer Panamera auf der Shanghai Motor Show präsentiert.

Während chinesische Autos in Deutschland vor allem mit verstaubter Technik und gruseligen Crashtest-Ergebnissen auffallen, haben in China die heimischen Autobauer bereits einen Marktanteil von rund einem Viertel erobert. Marken wie Geely, Chery, Byd oder Great Wall betreiben dabei mitunter dreiste Design-Piraterie bei europäischen Marken. Auch unter dem Blech steckt oft viel Westliches - das allerdings nicht zuletzt wegen zahlreicher Kooperationen der Chinesen mit Autoherstellern und Zulieferern.

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