Weltspiegel (16): Automarkt Kalifornien:Silberstreif im Jammertal

Kalifornien ist eigentlich der automobile Schrittmacher für ganz Nordamerika. Aus Anlass der L.A. Motor Show: Wie steht es um Amerikas wichtigsten Automarkt?

Sebastian Viehmann

Die Redaktion von sueddeutsche.de sieht sich um - im "Weltspiegel": Welche Autos fahren die anderen? Wie reagieren andere Länder und Hersteller auf den Klimawandel? Wer steigt auf alternativ angetriebene Fahrzeuge um?

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Die Straßen von San Francisco oder Los Angeles entscheiden über das Wohl und Wehe von BMW, Mercedes und Co. "Wer als deutscher Autobauer in den USA erfolgreich sein will, kommt nicht an Kalifornien vorbei. Dort werden Trends gemacht und Trendy-Autos gefahren", sagt Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen und Leiter des Forschungszentrums Center Automotive Research (CAR): "Mit 1,88 Millionen Autoverkäufen im Jahr 2007 hatte der Automarkt in Kalifornien etwa 60 Prozent des Volumens des deutschen Markts."

2007 ging mehr als jeder fünfte in den USA verkaufte Porsche 911 nach Kalifornien, zeigt die CAR-Statistik. Auch 20 Prozent der Mercedes S-Klassen, 27 Prozent der E-Klassen, 22 Prozent der BMW 5er und fast 24 Prozent der BMW 3er wurden dort verkauft. "Der US-Absatzanteil für Kalifornien hat in den vergangenen Jahren stets zwischen 15 und 25 Prozent betragen", bestätigt BMW-Sprecherin Stephanie Schlageter die wichtige Rolle des Bundesstaates. Der Mercedes-Veredler AMG verkauft in Kalifornien gar soviel Autos wie in Deutschland: "Der Golden State ist der Booster für die Entwicklung von AMG", sagt Firmenchef Volker Mornhinweg.

Doch auch Kalifornien sei von der Finanzkrise in Mitleidenschaft gezogen worden, sagt Automobilmarktforscher Dudenhöffer - und das noch stärker als der Rest des Landes. Wie ernst die Lage ist, verrät die California Auto Outlook-Statistik, die von der kalifornischen Neuwagenhändler-Vereinigung CNCDA veröffentlicht wird. In den ersten drei Quartalen 2008 registrierte Auto Outlook einen Rückgang bei den Neuzulassungen der "Light Vehicles" zwischen 18 und 19 Prozent - stärker noch als der Rückgang des gesamten US-Marktes (12,7 Prozent). Für 2008 prognostiziert Auto Outlook rund 1,5 Millionen Neuzulassungen in Kalifornien. 2006 waren es noch mehr als zwei Millionen.

Zu den Light Vehicles zählen Pkw, SUV, Vans und Pick-ups. Bei der Autoflotte Kaliforniens zeichnet sich eine Verschiebung ab: Das Pkw-Segment wuchs 2008 im Vergleich zu 2007 von 54 Prozent auf 60 Proezent, das SUV-Segment ging um zwei Prozentpunkte auf rund 23 Prozent zurück. Am ärgsten traf es die Pick-ups und Vans: Ihr Anteil am Markt schrumpfte von 20 auf rund 16 Prozent. Darunter leiden auch die japanischen Fabrikate. Sie bieten auf dem US-Markt Geländewagen und Pick-ups an, die man in Europa überhaupt nicht kennt - den Toyota Tundra zum Beispiel.

Silberstreif im Jammertal

Die amerikanischen Autobauer können vom kalifornischen Wandel kaum profitieren. Die Top Drei der Zulassungsstatistiken bei den Kleinwagen (in den USA heißen sie Entry und Sub-Compact) sind fest in japanischer Hand: Toyota Corolla, Mazda3 oder Honda Civic heißen die Verkaufsschlager. Bei der Mittelklasse liegen Chevrolet Malibu oder Ford Fusion weit abgeschlagen hinter Toyota Camry, Honda Accord oder Nissan Altima.

Kein Wunder: Viele US-Kunden beklagen, dass sich die schlingernden US-Autoriesen mehr um Verkaufsförderung und Marketing kümmerten als um Verbesserungen bei Qualität und Service. Als Folge nimmt die Markentreue ab.

Toyota ist mit 22 Prozent Marktanteil (7,4 Prozent mehr als im gesamten Land) die Nummer Eins bei den Light Vehicles in Kalifornien. Doch bei den Japanern, die 2007 in den USA mehr als 2,2 Millionen Autos verkauften (darunter 181.221 Prius), macht sich keineswegs Schadenfreude breit. "Toyota ist nicht immun gegen die Krise - wir stehen vor den gleichen Herausforderungen wie der Rest der Industrie", sagt Firmensprecherin Sona Iliffe-Moon. Fest im Sattel sitzt der Toyota Prius: Fast jeder vierte US-Prius wurde 2007 in Kalifornien verkauft, obwohl der Staat nur zehn Prozent Anteil am gesamten Automarkt des Landes hat.

Iliffe-Moon sieht für die Zukunft einen "Silberstreif am Horizont". Der Markt "wird sich nur langsam erholen. Doch das Vertrauen der Konsumenten wird unweigerlich zurückkehren, und attraktive neue Produkte werden den Markt stimulieren", glaubt sie.

Silberstreif im Jammertal

Große Hoffnungen setzt Toyota in den neuen Venza, der mit einem sparsamen Vierzylindermotor ausgerüstet ist, und natürlich auf Hybridmodelle. Toyota bietet sechs Hybride in den USA an, bis 2020 soll die ganze Modellpalette mit Hybridoption lieferbar sein.

Die Leute würden den Autokauf nur aufschieben, hofft auch die kalifornische Händlervereinigung CNCDA und rechnet spätestens für 2010 mit einer deutlichen Belebung des Marktes. Selbst die Spritpreise, die sich nach einem momentanen Tief wieder aufwärts bewegen dürften, könnten als Kaufanreiz dienen - für neue Modelle mit sparsameren Benzinmotoren oder alternativen Antrieben.

Pick-ups und Geländewagen werden auch in Zukunft fester Bestandteil des kalifornischen Straßenbilds sein - doch ein Trend zu kleineren und sparsameren Autos ist unübersehbar. Die BMW Group verkaufte im vergangen Jahr 42.045 Minis in den USA, im laufenden Jahr waren es bis Oktober schon mehr als 45.000 Stück. Kleinstwagen allerdings bleiben vorerst selbst in Kalifornien noch Exoten: Gerade mal 2498 neu zugelassene Smart zählte die CNCDA von Januar bis September 2008.

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