Weltspiegel (15): Elektro-Musclecar:Friss! Meinen! Strom!

Die US-Musclecars der 70er waren brachiale Boller-Maschinen mit ungebremstem Durst. Ein Fan aus Oklahoma rüstet seinen Plymouth Duster jetzt um - auf Elektroantrieb.

Sebastian Viehmann

Die Redaktion von sueddeutsche.de sieht sich um - im "Weltspiegel": Welche Autos fahren die anderen? Wie reagieren andere Länder und Hersteller auf den Klimawandel? Wer steigt auf alternativ angetriebene Fahrzeuge um?

Weltspiegel (15): Elektro-Musclecar: Traditionsbruch bei den Musclecars: Dieser Plymouth Duster fährt mit Elektroantrieb.

Traditionsbruch bei den Musclecars: Dieser Plymouth Duster fährt mit Elektroantrieb.

(Foto: Foto: Pressinform)

Bruce Sherbon aus Oklahoma hatte eines Tages die Nase voll von hohen Spritpreisen. "Das wollte ich einfach nicht mehr mitmachen", erzählt er. Denn sein Hobby geht ganz schön ins (Sprit-)Geld: Bruce ist ein "Mopar Guy", kennt also die klassischen Musclecars von Dodge, Plymouth und Chrysler (die den Namen Mopar der Chrysler-Ersatzteilabteilung Motor Parts verdanken) aus dem Effeff. "Ich liebe das Feeling dieser Autos und genieße die Aufmerksamkeit, die man damit bekommt", sagt der Sammler.

Der 71er Plymouth Duster sollte eigentlich sein neuer "Daily Driver" werden - sein Auto für den Alltag. Der Wagen war in den siebziger Jahren ein Low-Budget-Musclecar, mit dem man für wenig Geld mächtig Bumms unter die Haube bekam. Der Name war Programm: Chevrolet Novas, Camaros oder Ford Mustangs sollten den Staub des Duster fressen. Der Zweitürer war vergleichsweise leicht und konnte es in der Top-Motorisierung (V8 mit 5,6 Litern Hubraum und 275 SAE-PS) mit so manchem Big-Block-Musclecar aufnehmen.

Der Duster war fertig restauriert, als Bruce Sherbon im Juli an den kletternden Spritpreisen verzweifelte - umgerechnet 70 Cent pro Liter sind für amerikanische Verhältnisse und Verbräuche extrem viel. Eine Alternative zum Benzinbetrieb musste her. "Ich habe alle Formen alternativer Antriebe durchgerechnet und bin zu dem Schluss gekommen, dass nur ein Umbau zum Elektroauto wirtschaftlich Sinn machen würde", erzählt Bruce. Platz für Elektromotor und Batterien bot der Wagen mehr als genug. Und auch bei der Gewichtsverteilung hielt Bruce seinen Duster für einen optimalen Kandidaten.

"Electrical Storm" nennt er sein Projekt. "Außer einem DeLorean habe ich bisher noch kein cooles Auto gesehen, das jemand auf Elektrobetrieb umgerüstet hat. Die meisten Leute scheinen dafür nur die kleinsten, leichtesten und hässlichsten Autos zu nehmen, die sie kriegen können." Aber, so Bruce: "Aber bevor ich so was fahre, tanke ich lieber weiter Sprit oder gehe zu Fuß."

Friss! Meinen! Strom!

Deshalb musste sich der V8-Motor des Duster verabschieden und einem Elektroantrieb weichen: Der Netgain Warp 9-Motor leistet in der geplanten Konfiguration ungefähr 70 PS. Zur Kraftübertragung musste Bruce Sherbon einen speziellen Adapter für das Dreiganggetriebe des Duster anfertigen lassen.

Die Batterien hat er auf einem selbst geschweißten Rahmen untergebracht. 14 der 6-Volt-Kraftspender sind unter der Haube montiert, 12 im Kofferraum. Zusammen beträgt die Spannung 156 Volt. Auch Komponenten wie das Onboard-Ladegerät für die Batterien oder der Spannungsumwandler kommen aus dem Elektrofachmarkt. Sherbon schätzt, dass der Wagen rund 110 km/h schnell sein und eine Reichweite von rund 80 Kilometer haben wird. Durch Feintuning an der Aerodynamik und Gewichtsreduzierung plant er die Leistung dann schrittweise zu verbessern.

"Es war nicht leicht herauszufinden, welche Bestimmungen in Oklahoma für Elektroautos gelten. Soweit ich weiß, ist mein Elektro-Duster der erste seiner Art", sagt Bruce. Der Plymouth war vor der Konvertierung bereits zugelassen, und Bruce erwartet nach dem Umbau keine Probleme mit den Behörden. Schließlich seien auch andere auf Elektrobetrieb umgerüstete Fahrzeuge zugelassen.

Die Materialkosten für den Umbau beziffert er auf exakt 12.000 Dollar, davon 3700 Dollar für die Batterien. Dass sein vergleichsweise schwach motorisiertes Musclecar keine spektakulären Fahrleistungen und wohl auch keine qualmenden Reifen mehr an den Tag legen wird, stört den Mann aus Oklahoma nicht: "Ich will das Auto täglich einsetzen und einfach nur genießen können."

Friss! Meinen! Strom!

Seit er sein Projekt Schritt für Schritt im eigenen Internet-Blog dokumentiert, reißen die Reaktionen aus der Mopar-Szene nicht ab. Etwa 90 Prozent der Kommentare, die der Elektro-Revoluzzer in seinem Blog und anderen Internet-Foren bekommt, seien positiv und feuerten ihn an weiterzumachen, berichtet Bruce.

Manche Fans allerdings halten es für pure Blasphemie, aus einem V8-Veteranen ein Elektroauto zu machen. "Ich kann solche Reaktionen gut verstehen - ich musste ja selbst lange mit mir kämpfen, bis ich den Entschluss gefasst habe", zeigt Bruce Sherbon Verständnis. Er hofft, dass er in einigen Wochen seine erste Testfahrt mit dem fertigen Auto unternehmen kann.

Er habe noch viel Arbeit und Feintuning vor sich, sagt er. Doch die schwierigsten Teile des Umbaus seien erfolgreich abgeschlossen. "Ich glaube, dass ich viele Leute von der Idee begeistern kann, alte und neue Technik zu verschmelzen - und andere dazu inspiriere, ähnliche Projekte in Angriff zu nehmen."

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