Waldbrand-Bekämpfung:Die Feuer-Flieger

"Fliegende Tanker werden immer wichtiger, weil Brände aggressiver werden": Rund ums Mittelmeer und in Kanada bereiten sich Spezialeinheiten auf die Waldbrandsaison vor.

Andreas Spaeth

Es herrscht himmlische Ruhe an der Bomber Base Road. Die Wasseroberfläche des Sproat Lake ist spiegelglatt, durch die eng stehenden, uralten Douglas-Fichten auf den umliegenden Bergketten rauscht leise der Wind. Doch die Idylle ist trügerisch - jederzeit kann aus den dichten Wäldern plötzlich Rauch aufsteigen.

Die Feuer-Flieger: Rund ums Mittelmeer und in Kanada bereiten sich Spezialeinheiten auf die Waldbrandsaison vor

Mit Propellerantrieb über die flammende Hölle - ein Löschflieger im Einsatz.

(Foto: Foto: dpa)

Hier auf Vancouver Island an der kanadischen Westküste ist die Forstindustrie einer der wichtigsten Wirtschaftszweige und fast jedes Jahr werden durch Waldbrände Millionenwerte vernichtet. Daher ist Terry Dixon beunruhigt: "Die Waldbrandsaison hat schon begonnen, eigentlich müssten die beiden längst im Wasser sein", sagt er und deutet auf die rot-weißen Ungetüme - zwei riesige Flugboote, die aus einer anderen Welt zu stammen scheinen.

Dümpelnd warten sie auf den Sofortangriff

Üblicherweise sind sie stets von Mitte Mai bis Ende Oktober einsatzbereit und warten im Wasser des Sproat Lake dümpelnd auf den Flugbefehl; im letzten Sommer waren sie rund hundert Flugstunden im Einsatz. "Unsere beiden Martin-Mars sind immer noch die weltbesten Maschinen für den Sofortangriff auf jedes Feuer", erklärt Dixon, Geschäftsführer der bisherigen Betreiberfirma Flying Tankers.

Die beiden 1945 und 1946 für die US-Navy gebauten Giganten sind wahre Dinosaurier der Fliegerei; seit mehr als 60 Jahren sind sie kontinuierlich im Einsatz und mit ihren 61 Meter Spannweite übertreffen sie die meisten Versionen der Boeing 747 Jumbojet locker um mehr als einen Meter.

Schon vor mehr als einem halben Jahrhundert beförderten die viermotorigen Riesen bis zu 301 Soldaten in ihrer doppelstöckigen Kabine. Seit 1960 stehen die bis heute weltweit größten amphibischen Löschflugzeuge im Dienste der Brandbekämpfung; Hawaii Mars und Philippine Mars können jeweils mehr als 27 Tonnen Wasser über einem Brandherd abwerfen und damit einen wahren Regensturm entfachen. Und als echte Langstreckler wären sie sogar in der Lage, zum Löschen nach Australien oder Europa zu fliegen.

"Während der verheerenden Brände in Portugal 2005 wurde ihr Einsatz ernsthaft diskutiert", erinnert sich Dixon. Doch in den letzten Monaten drohte der aktiven Karriere der beiden einzigen verbliebenen von nur sechs gebauten Martin-Mars das Ende, immerhin die größten je serienmäßig gefertigten Flugboote. Der Unterhalt der Veteranen ist mangels Ersatzteilen teuer geworden; der derzeitige Besitzer Timber West, ein großer Forstindustrie-Konzern, wollte sie verkaufen. Konkurrent Coulson will sie nun übernehmen. "Wir haben noch acht Ersatzmotoren, etwa zehn Jahre können sie damit noch weiterfliegen", verrät Dixon.

Die Feuer-Flieger

Brandbekämpfung aus der Luft ist ein hartes Geschäft und stellt Flugzeuge und Besatzungen vor höchste Anforderungen. "Da sind enorme fliegerische Leistungen gefordert", weiß Wolfgang Jendsch, Experte für Waldbrandbekämpfung, selbst häufig an der Einsatzleitung bei Waldbränden in den USA beteiligt und oft mit Löschflugzeugen unterwegs.

Die Feuer-Flieger: Rund ums Mittelmeer und in Kanada bereiten sich Spezialeinheiten auf die Waldbrandsaison vor

Mehr als 27 Tonnen Löschwasser können die riesigen Flugboote vom Typ Martin-Mars tragen.

Den Oldie-Einsatz verboten

"Vor allem die Turbulenzen in geringer Höhe, schwieriges Gelände, das Fliegen durch Hitze und Rauch machen die Missionen schwierig", beschreibt Jendsch die Problematik. Auch die plötzlichen Abwürfe eines großen Teils der feuchten Nutzlast in geringer Flughöhe von rund 50 Meter bedeuten für die Cockpitbesatzung und Flugzeugstruktur enorme Belastungen: "Nach dem Abwurf schießt der Flieger abrupt hoch, das geht auf den Magen", schildert Jendsch das Gefühl. "Berge, Wind und Turbulenzen, das ist cooles Fliegen", findet auch Terry Dixon, der selbst in der Martin-Mars am Steuerknüppel saß, "vor allem, weil wir keine Hydraulik haben und die Arbeit im Cockpit richtig Kraft kostet."

Immer wieder hat es vor allem in den USA in den letzten Jahren Abstürze von zumeist überalterten Löschflugzeugen gegeben, 2002 starben fünf Menschen bei einem Crash in Kalifornien, als sich ein Flugzeug in der Luft förmlich auflöste. Als Konsequenz hat die US-Verkehrssicherheitsbehörde NTSB vor drei Jahren den Einsatz vieler Oldies - beispielsweise umgebaute Lockheed C130 Hercules-Transportflugzeuge - in der Brandbekämpfung verboten. Und auch die Martin-Mars sei längst ein Exot, sagt Wolfgang Jendsch, "der Trend geht eindeutig zu mittelgroßen Flugzeugen".

Die Löschwassermenge und Effizienz der alten Flugboote ist aber immer noch kaum zu toppen - sie nehmen während einer Wasserlandung ihre fast 27 Tonnen schwere nasse Fracht in nur 25 Sekunden auf und können bis zu sechs Stunden im Einsatz sein, ohne Sprit nachzutanken. "Aber die Wassermenge ist nicht allein entscheidend", erklärt Jendsch, "kleinere, modernere Flugzeuge sind wendiger, besser zu manövrieren und können taktisch sinnvoller eingesetzt werden."

Weltweit gibt es nur einen Flugzeugtyp, der diese Anforderungen erfüllt und seit 1993 gebaut wird: die zweimotorige Canadair CL-415 des kanadischen Herstellers Bombardier. Vor allem in Europa sieht man die knallgelben Wasserbomber jeden Sommer etwa bei Bränden im Mittelmeerraum am Himmel, gemeinsam mit ihrem Vorgängermodell CL-215 stehen weltweit etwa 160 Exemplare bereit; die jeweils größten Flotten finden sich in Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland sowie Kanada. Nur zwölf Sekunden braucht die CL-415, um während 1,5 Kilometer Niedrigflug über Seen oder Meer ihre Tanks mit 6,1 Tonnen Wasser zu füllen.

Die Feuer-Flieger

Für Wolfgang Jendsch ist die vergleichsweise geringe Nutzlast der gelben CL-415 ein lebensrettender Vorteil - was auch für den russischen Amphibien-Jet Beriew Be-200 gilt, der zehn bis zwölf Tonnen Wasser aufnehmen kann. "Bis maximal zwölf Tonnen Wasser, häufig mit Chemikalien gemischt, kann man präzise aus der Luft platzieren; größere Mengen gefährden oft auch Helfer am Boden, eine solche Riesendusche macht sie manchmal platt", erklärt Jendsch. Außerdem sind die modernen Wasserbomber kostengünstiger - rund 1100 Euro kostet ihr Einsatz pro Stunde, während die Martin-Mars rund 3700 Euro pro Stunde verschlingen.

Der Trend, so der deutsche Experte, gehe bei der Waldbrandbekämpfung dahin, aus dem Flugzeug eine langgezogene Wasserwand abzuladen und nicht alles über einer Position auszukippen. "Solche Riesenklatscher bringen nichts; besser ist es, den Brandherd mit einem gelartigen Wasser-ChemikalienGemisch einzukreisen und eine Brandschneise zu schaffen, die das Feuer stoppt", beschreibt Jendsch die moderne Taktik der Feuer-Flieger.

Die Kapazität bleibt unübertroffen

Obwohl die überlegene Effizienz von Amphibien-Löschflugzeugen unbestritten ist, gibt es immer wieder Versuche mit landgestützten Wasserbombern. In den USA fliegen heute etwa 180 umgebaute Propellermaschinen; testweise wurden in den vergangenen Jahren auch große Passagierjets wie eine DC-10 und eine Boeing 747-200 zu fliegenden Feuerlöschern umgebaut. Mit fast 76 Tonnen Wasser ist die Kapazität des Jumbo-Tankers unübertroffen.

Aber: "Um den zu betanken, braucht man aber eine Dreiviertelstunde am Boden und einen entsprechend ausgerüsteten Flughafen", gibt Terry Dixon zu bedenken. "In den USA ist bereits die klare Entscheidung gegen solche Riesentanker gefallen", weiß Wolfgang Jendsch. Am wirksamsten sei das Zusammenspiel kleinerer Lösch-Flugzeuge mit Hubschraubern: "Die können zwar nur fünf Tonnen Wasser in einem am Windenseil hängenden Sack mitführen, die aber punktgenau abladen."

Klimawandel, um sich greifende Trockenheit, mangelnde Vorbeugung - Wolfgang Jendsch ist sicher : "Fliegende Tanker werden immer wichtiger, weil Brände aggressiver werden."

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