Süddeutsche Zeitung

VW Touran im Familientest:Hoffnungslos praktisch

Der VW Touran ist ein unaufgeregtes Auto, die Form folgt hier wirklich der Funktion. Genau deswegen ist er das perfekte Familienfahrzeug.

Von Felix Reek

Da steht er also, der VW Touran. Ein für mich nie so ganz zu fassendes Auto. Er ist so unscheinbar, dass ich ihn überhaupt erst wahrnahm, als ich Vater wurde und Gebrauchtwagenbörsen nach kompatiblen Autos absuchte. Zwischen den Kombis tauchten immer wieder Tourans auf. Nicht hübsch anzuschauen, aber dafür mit viel Platz. Danach sah ich den Kompaktvan überall. Der VW Golf mag zwar das meistverkaufte Auto in Deutschland sein, in München scheint aber sein größerer Bruder zu dominieren. Kaum eine Straße, in der der Van nicht parkt. Kein Wunder, seit 2003 verkaufte VW 1,9 Millionen Exemplare deutschlandweit.

Und kein Wunder, dass er mir bis dahin nie auffiel. Der Touran ist im wahrsten Sinne des Wortes ein unaufgeregtes Auto. Es will auf einer "kleinen Grundfläche möglichst viel Raum bieten", so VW. Dieser Maxime hat sich das ganze Auto unterworfen. Die Zielgruppe sind Familien, auf sie wurde der Touran optimiert. In der Stadt ist der Kompaktvan wendiger als ein VW Passat, bietet aber mehr Platz. Der Kofferraum fasst bis zu 1980 Liter, im Gegensatz zu den 1780 Litern des Kombis. 47 Staufächer nehmen so ziemlich alles auf, vom Kinderspielzeug bis zur Windeltasche. Selbst unter den Vordersitzen gibt es Schubladen. Das Deckenlicht lässt sich herausnehmen und als Taschenlampe nutzen. Hier wurde an alles gedacht. Sogar die eigene Stimme überträgt die Freisprecheinrichtung gegen Aufpreis nach hinten, um so über die Boxen jedes Kind zur Ruhe bringen. Theoretisch.

Denn die erste Reaktion meiner Tochter nach dem Einstieg in den Touran ist: gellendes Schreien. Da nützen auch keine beschwichtigenden Worte in Stereo aus den Lautsprechern. Doch dafür hat der Touran eine Lösung. Schnell das Smartphone per Bluetooth mit dem Radio gekoppelt und das monotone Surren eines Föhnes schallt per App aus den Boxen. Das hat noch jedes Baby beruhigt. Es funktioniert. Die eigene Frau ist trotzdem nicht überzeugt. "Warum sehen diese Autos immer so komisch aus?", fragt sie stattdessen. Minivan und aufregend - das hat bisher kein Automobilhersteller überzeugend lösen können.

Kein Aufschneider oder Angeber

Zeit, den Motor zu starten und loszufahren. Der läuft übrigens so dezent, dass er als Baby-Beruhigungsmittel ausscheidet. Manchmal bin ich mir während der Fahrt unsicher, ob er überhaupt läuft. Das leise Schnorcheln meiner Tochter auf der Rückbank ist lauter. Das ändert sich auch nicht in den unterschiedlichen Fahreinstellungen. Erst nach ein paar Minuten fällt mir auf, dass ich mich im Sportmodus fortbewege. Beim genaueren Vergleich sind die Unterschiede kaum wahrzunehmen. Sowohl "Normal" als auch "Sport" jagen den Motor bis auf 6000 Umdrehungen in der Minute, nur die Schaltvorgänge des Doppelkupplungsgetriebes erfolgen unterschiedlich schnell. Der Benziner mit 150 PS arbeitet tadellos. Er gibt keinen Anlass zu Gefühlsausbrüchen, aber dafür tut er eben genau das, was er soll: unaufgeregt dieses Auto fortbewegen. Das Gleiche gilt für Lenkung und Getriebe. Der VW ist kein Aufschneider oder Angeber. Er ist ein guter Freund, auf den man sich verlassen kann.

Der Tochter ist das egal. Sie ist wieder wach und untersucht die Klavierlackapplikationen im Innenraum. Das führt dazu, dass die glänzenden Flächen nach ein paar Minuten aussehen wie Malen nach Zahlen mit Fingerabdrücken. Das Problem kennt man von Fernsehern, Handys und anderen High-Tech-Geräten. Gelernt hat VW daraus nicht. Obwohl der Touran vor allem praktisch sein will, schielt er eben auch in Richtung "Lifestyle". Der Basispreis von etwa 23 000 Euro muss schließlich gerechtfertigt werden. Damit ist er aber immer noch 4000 Euro billiger als der Passat.

So spannend findet das meine Tochter offenbar nicht. Sie brüllt wieder. Also klappt ihre Mutter die Brettchen an der Rückseite der Vordersitze aus und kredenzt eine Flasche Milch.

Und so langsam beginne auch ich zu verstehen, was den Erfolg dieses Autos ausmacht. Der Touran macht nicht den Fehler, den viele Automobilhersteller im Bereich der Kompaktvans begehen. Er will nicht auf Zwang sportlich sein, mit Limousinen konkurrieren oder als Statussysmbol gelten. Er konzentriert sich voll und ganz auf seine Zielgruppe. Das ist nichts für Schöngeister, die nach aufregenden Blechkurven lechzen. Aber das perfekte Fortbewegungsmittel für all jene, für die ein Auto Mittel zum Zweck ist.

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