VW Tiguan / BMW X3:Freude an der Unvernunft

Lesezeit: 3 min

Einsichten und Erkenntnisse von oben herab - unterwegs mit den Geländewagen VW Tiguan und BMW X3.

Peter Fahrenholz

Zu den bemerkenswerten Eigenschaften eines freien Wirtschaftssystems gehört die Fähigkeit, immer wieder Bedürfnisse zu wecken, die es ohne diesen Weckruf gar nicht gegeben hätte - um sie dann auf vielfältige Weise zu befriedigen. Die sogenannten SUVs, die Sport Utility Vehicles, sind dafür ein Paradebeispiel. Es ist keineswegs so, dass aus den Deutschen plötzlich ein Volk von Outdoor-Fetischisten geworden wäre, die eine Kreuzung aus Limousine und Geländewagen bräuchten, um ihren Leidenschaften zu frönen. Die meisten SUVs dürften in ihrem Autoleben noch nicht einmal einen stinknormalen Feldweg kennenlernen, ganz abgesehen davon, dass sie für wirkliche Geländetouren auch technisch gar nicht gerüstet wären, sondern nur so aussehen.

Erhöhte Warte: Die SUV-Modelle VW Tiguan (oben) und BMW X3 zählen zur Gattung der kompakten Geländewagen. (Foto: Foto: VW / BMW)

Trotzdem boomt das SUV-Segment im Automarkt seit Jahren wie kein zweiter Sektor. Dass man am Straßenrand deutscher Städte immer mehr Geländewagen-ähnliche Fahrzeuge stehen sieht, hat allerdings weniger mit dem Vorzeige-Stolz ihrer Besitzer zu tun, sondern mit der auch von Marketing-Strategen nicht aus der Welt zu schaffenden Tatsache, dass ein SUV nun einmal nicht in eine enge Duplex-Garage passt.

Der SUV-Boom fußt eher auf emotionalen Gründen. Wer in einem SUV sitzt, fühlt sich seinen Konkurrenten irgendwie überlegen: Er blickt von weiter oben auf die Straße und hat das Gefühl von mehr Sicherheit. Die Kehrseite der Medaille wird gern verschwiegen: Für andere Verkehrsteilnehmer stellen die höheren Fahrzeuge ein größeres Unfallrisiko dar.

Die deutschen Autohersteller haben den Trend erst spät erkannt und lange den Asiaten den wachstumsträchtigen Markt überlassen. Das gilt vor allem für das Segment der kleineren Kompakt-SUVs. Hier hatte der BMW X3, der seit 2004 auf dem Markt ist, das deutsche Feld für sich allein - und hat sich damit einen riesigen Vorsprung verschafft. Seit kurzem greift endlich auch der Volkswagen-Konzern in diesem umsatzträchtigen Bereich an, seit Ende 2007 ist der Tiguan da, bald wird auch der Audi Q5, der kleinere Bruder des massigen Q7, zu haben sein. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass der Tiguan ein Verkaufsschlager wird, trotz einer Verdoppelung der Produktionskapazitäten gibt es monatelange Lieferfristen.

VW zielt mit dem neuen Modell auch auf die BMW-Kundschaft. Die war mit dem X3 anfangs keineswegs so glücklich, wie die Verkaufszahlen vermuten lassen. In den ersten Modelljahren konnte man in den einschlägigen Internet-Foren immer wieder Klagen über schlampige Verarbeitung, scheppernde Türen und die billige Plastik-Anmutung des Innenraumes lesen. Dinge, die bei einem Auto, das schon in der Basisausstattung bei knapp 40.000 Euro liegt, nicht vorkommen dürften. Seit dem Facelifting im Herbst 2006 sind diese Klagen weitgehend verstummt, der Wagen verströmt jetzt echtes BMW-Gefühl.

Das merkt man auch im direkten Vergleich mit dem Tiguan. Trotz allen Ehrgeizes von VW, ein Premium-Auto ins Rennen zu schicken, ist der BMW das Auto, dass einen solideren, souveräneren Eindruck hinterlässt. Das liegt auch an den Fahrleistungen. Der schwächste BMW-Diesel mit 177 PS ist deutlich agiler als der 140-PS-TDI im Tiguan, das merkt man vor allem auf der Autobahn. Ab Tempo 140 hat der VW deutliche Mühe in der Beschleunigung. Außerdem ist der VW-Motor eine wahre Höllenmaschine, nicht, weil er so stark, sondern weil er so laut ist. Für ein Auto dieser Preisklasse müsste eine bessere Geräuschdämmung selbstverständlich sein. Wer mit dem VW flott unterwegs sein möchte, sollte deshalb die knapp 1150 Euro zusätzlich drauflegen, die für den 170-PS-Diesel fällig sind.

Ansonsten ist der Tiguan ein gelungenes Auto mit vielen angenehmen Details. Zum Beispiel das praktische Touchscreen-Navi oder die Rückfahrkamera, die beim Einparken hilft. Dass solche Details teuer bezahlt werden müssen, versteht sich bei der happigen Aufpreispolitik deutscher Autokonzerne von selbst. Dabei sind es oft die Details, die den Kunden freuen oder eben zur Verzweiflung bringen. So wie der Skisack des BMW, in den nur mit großem Gefummel zwei Paar Ski zu verstauen sind. Auch über weibliche Passagiere, die mit engeren Röcken unterwegs sind, haben sich die BMW-Ingenieure offenbar nur wenig Gedanken gemacht. Die Damen brauchen beim Aussteigen aus dem ziemlich hochbeinigen X3 beträchtliche Geschicklichkeit. Wer das umgehen will, muss das Auto mit einem - recht hässlichen - Trittbrett als Ausstiegshilfe ordern.

Letztlich ist natürlich auch der Preis ein Argument, und da hat VW keine schlechten Karten. Denn der X3 in der von der SZ getesteten Version als 2.0 Diesel ist bereits in der Grundversion mit 38.300 Euro um 7600 Euro teurer als der Tiguan. Und mit einigen Sonderwünschen ist man schnell jenseits der 50.000-Euro-Marke angelangt. Die beiden vergleichbar ausgestatteten Testfahrzeuge trennten preislich jedenfalls beinahe schon Welten: Der VW lag bei knapp 42.000 Euro, der BMW bei fast 54.000. Das zahlt auch der Kunde von sogenannten Premium-Fahrzeugen nicht mal eben aus der Portokasse.

Und die Frage nach dem Sinn von SUVs in Zeiten der Energiekrise? Sie sind mit ihren Abmessungen unpraktisch, verbrauchen mehr Treibstoff als vergleichbare Limousinen und bieten weniger Platz als ein Kombi. Aber sie machen, zugegeben, ziemlich viel Spaß.

VW Tiguan 2.0 TDI: 103 kW (140 PS); max. Drehmoment: 320 Nm zwischen 1750-2500 Umdrehungen; 0-100 km/h: 10,5 s; Vmax: 186 km/h; Testverbrauch: 9,8 l; CO2: 182 g/km; Euro 4; Grundpreis: 30 700 Euro

BMW X3 2.0d: 130 kW (177 PS); max. Drehmoment: 350 Nm zwischen 1750-3000/min; 0-100 km/h: 8,9 s; Vmax: 206 km/h; Testverbrauch: 9,0 l; CO2: 172 g/km; Euro 4; Grundpreis: 38 300 Euro

© SZ vom 30.8.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: