Süddeutsche Zeitung

VW T5 neu:Nostalgie ade

Bully war gestern, heute beeindruckt der neueste Transporter von Volkswagen mit dem Charme des Rationalen.

Joachim Becker

Die Kiste feiert dreißigsten Geburtstag. Seit 1979 trägt der VW Kastenwagen seinen Namen völlig zu Recht. Als der T3 in Serie ging, hieß es Abschied nehmen vom gemütlichen Bulli-Design. Fortan war der VW Transporter auch äußerlich ein nüchternes Arbeitstier: kantig wie ein Nachtspeicherofen, geradlinig und scheinbar unverwüstlich.

Nach dem Facelift sieht die fünfte Modellgeneration mit dem neuen VW-Familiengesicht noch seriöser, aber nicht weniger eckig aus. Keine Chance für die emotionale Microbus-Studie im Stil eines modernen T1. VW hatte den Schönling 2001 präsentiert und wollte ihn eigentlich 2009 auf den Markt bringen. Stattdessen bekommen wir erneut ein uniformes Vernunftsauto. Der Verkaufserfolg von mehr als einer Million T5 gibt Volkswagen recht. In der Wirtschaftskrise ist für Nostalgie und Flower Power wohl kein Platz.

Schade eigentlich. Andererseits möchte niemand die gute alte Zeit unter der Motorhaube wiederhaben. Der erste T3 Diesel war ein Krawallpaket erster Güte und zog die Wurst nicht wirklich vom Teller. Mit dem damaligen Höchsttempo von 115 km/h und einem Drehmoment von schlappen 103 Nm würde man hierzulande nicht mal mehr ein Kleinstauto anbieten. Geschweige denn einen Bus mit 5,3 Tonnen zulässigem Zuggewicht, der auch eine zwölfprozentige Steigung erklimmen soll.

Genau diese Anforderungen, der allgemeine Spritspartrend und die neue Euro-5-Abgasnorm haben VW bewogen, die TDI-Triebwerke kräftig zu überarbeiten. Statt fünf Zylindern gibt es nur noch vier Brennräume im Bulli - und plötzlich grüßen die Nachbarn wieder: Jeder hört, dass man fast nichts mehr hört. Den alten Pumpe-Düse-Krachmachern weint keiner nach.

Mit dem Multivan Startline in der 103-kW-Ausführung kann Vernunft jetzt ziemlich viel Spaß machen. Für 34.234 Euro bekommt man 340 Nm Drehmoment schon ab 1750 U/min. Der neue Sechs-Gang-Schalter lässt das Turnen durch die Fahrstufen zur unangestrengten Übung werden. Noch komfortabler, aber auch 2000 Euro teurer, wird es mit dem neuen Sieben-Stufen-DSG, das die alte Sechs-Gang-Automatik ersetzt.

Die clevere Doppelkupplung spart gegenüber dem Automaten erstaunliche 1,6 Liter auf 100 Kilometer, der CO2-Ausstoß sinkt um 40 g/km. Allerdings wirkt das DSG beim Beschleunigen nicht so souverän wie beispielsweise im VW Touran. Das hohe Gewicht macht dem Automaten spürbar zu schaffen. Der Zweitonner braucht damit beim Spurt von null auf 100 km/h 0,3 Sekunden länger als die handgeschaltete Version, auch der Verbrauch liegt einen halben Liter höher.

Unterm Strich rechnet sich der neue T5 aber in jedem Fall: Der Normverbrauch von 7,5 Liter Diesel auf 100 Kilometer beim Handschalter ist ein Topwert für einen echten Siebensitzer mit diesen Fahrleistungen. Noch knausriger wird der T5 voraussichtlich 2011 mit einem Start-Stopp-System, das wegen der härteren gewerblichen Nutzung besonders leistungsfähige und damit teure Batterien brauchen wird.

Der alte trinkfreudige Sechszylinder-Benziner wurde komplett gestrichen, zurzeit gibt es nur einen 85-kW-Vierzylinder (ab 29.950 Euro). Mittelfristig wird noch ein zweistufig aufgeladener Ottomotor mit rund 200 PS hinzukommen.

Sparsam ist die Cockpit-Ausstattung des Multivan Startline. Das Hartplastik des Armaturenbretts, diverser Klappen und der Einfassung des Navigationssystems (ab 2665 Euro bei Startline) weichen in den Schwarztönen deutlich voneinander ab, was die gefühlte Qualität nicht gerade steigert.

Dafür zeichnet sich die Grundversion jetzt durch einen vollständig verkleideten Innenraum sowie Seiten- und Kopfairbags für Fahrer- und Beifahrer aus. Außerdem haben alle Kombiinstrumente nun eine hübsche weiße Hintergrundbeleuchtung und die Sitze wurden für längere Strecken besonders im Rückenbereich ordentlich aufgepolstert.

Keiner braucht mehr ohrenbetäubende Hard-Rock-Beats, um den Traktormotor niederzubrüllen. Wer im bislang ruhigsten und bequemsten VW Transporter aller Zeiten sitzt, scheut sich nicht, in einer Fuhre den ganzen 80-Liter-Tank leerzufahren.

Familienfrieden statt Freaktour: Die Zeiten haben sich geändert, der Bulli zum Glück auch.

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Quelle:
SZ vom 12.10.2009/gf
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