Süddeutsche Zeitung

VW Sharan:Für viel Volk im Wagen

Vier Männer und ein Sharan? Ein gewagtes Experiment. Es ging gut aus - nur einen Wunsch konnte ihnen die Wolfsburger Familienkutsche ihnen tatsächlich nicht erfüllen.

Vier Männer testen ein Auto. Gleichzeitig, nacheinander, als Fahrer, als Beifahrer, als Zuschauer. Wir hatten uns auf etwas Schnittiges gefreut, einen Maserati oder so. Und dann karrte uns der Automann der Redaktion einen VW an. Erst haben wir geschluckt, dann haben wir es geschluckt. Sollte ja eine richtige Kutsche sein. Wir zu viert und weite Fahrt - und so.

Dann stehen wir in der Tiefgarage des SZ-Hochhauses vor dem Auto und müssen ein wenig lachen: Es ist tatsächlich eine Familienkutsche, oder auf neudeutsch: ein Van, dazu noch in Metallic braun, toffeebraun um genau zu sein.

Vollständig wird das Gefährt von VW als Sharan Comfortline BlueMotion Technology 2,0 l TDI CR mit Dieselpartikelfilter mit einer Leistung von 103 kW (140 PS) und Sechsganggetriebe angeboten. In der Grundausstattung kostet dieser Raumgleiter 32.725 Euro. Unser Testfahrzeug kommt mit allem erdenklichen Schnickschnack auf die stolze Summe von 45.892 Euro. Zum Vergleich: Die Konkurrenz von Ford schickt Ihren Galaxy schon ab 29.200 Euro ins Rennen und bietet zudem noch mehr Stauraum.

Wir wollen von München nach Frankfurt am Main und wieder zurück. Für ein Wochenende. Für eine Art Junggesellenausflug. Und wissen jetzt beim Anblick des Wagens: Den lassen wir lieber gleich vor der Pension stehen. Für mondäne Clubbesuche macht der nicht viel her. Es sei denn, die Frauen, die wir dort hoffen zu treffen, sind Frauen mit Sinn fürs Familienleben. Aber nach einem Treffpunkt für alleinerziehende Mütter mit mindestens drei Kindern haben wir in Frankfurt nicht gesucht.

Trotz eines etwas anderen Programms am Zielort: Rein in die Kutsche - und ab die Post! Allgemeiner Konsens bereits nach ein paar Minuten: Wäre der neue VW Sharan eine Frau, würden wir übereinstimmend sagen, sie ist nicht die hübscheste, trotz ihres braunen Teints. Aber, wie das so oft ist: Die inneren Werte zählen. Und die stimmen. Schiebetüren zu beiden Seiten, frei stehende und vielseitig verstellbare Sitze mit komfortablen Armlehnen machen die Fahrt zu einer äußerst komfortablen Erfahrung.

Schon allein das Sitzgefühl hinter dem Fahrer ist ausgesprochen wohlig und bietet selbst langen Menschen genug Freiraum. Nach ein paar Minuten schläft der erste Mitfahrer ein. Sicher auch wegen eines nicht mehr für möglich gehaltenen Luxus: Beinfreiheit. Der selig schlummernde Einsneunzig-Kollege streckt wie zum Beweis die Beine von sich und muss nicht würdelos zusammengekauert ausharren, nein, der Mann reist komfortabel im Schlaf.

Hätten wir Kinder dabei, unser Rücken würde Volkswagen für entgangene Qualen danken. Und dann vor allem eins: Platz. Platz ohne Ende. Vermissen lässt der Sharan allerdings einen zum Tisch umfunktionierbaren Mittelsitz. Hier hat die Konkurrenz die Nase vorn.

Die hinterste Rückbankreihe wiederum lässt sich von der Heckklappe aus ohne artistische Einlagen mit nur einer Hand umlegen und in einen absolut ebenen Stauraum verwandeln. Ein Komplettumbau mit Kind, oder sagen wir Bierkasten unterm Arm, in weniger als 30 Sekunden? Ja, das geht. 100 Punkte dafür.

Die Verarbeitung im Innenraum ist sehr gut. Typisch VW, sinnvoll, robust und schier unverwüstlich. Andere Wagen der gleichen Klasse mögen moderner oder futuristischer wirken, aber hier klappert und quietscht eben nichts. Wird es wohl auch nie. Auch die Innenbeleuchtung gefällt uns und die Tatsache, dass sich die Klimaanlage auch hinten separat regeln lässt.

Nach ein paar Frotzeleien über Farbe und Design begeistert und aber auch der Innenraum. Der Sharan ist groß, geräumig - und hat massig Ablagen. Der Wagen ist 4,80 Meter lang und 1,90 breit, aber er sieht nicht wuchtig aus, die Frontansicht ist sogar richtig hübsch. Er gibt sich auch nicht als Kleintransporter oder klassischer Multi-Van, er ist, was er ist und wie er aussieht: eine tolle Familienkutsche.

Toll finden wir den Toter-Winkel-Helfer und die beeindruckenden Scheinwerfer. Die Multimediaanschlüsse im Staufach zwischen den beiden Vordersitzen sind für USB oder Klinke vorhanden. Überrascht haben uns zwei 220-V-Steckdosen, die wir sonst nur von Campingmobilen kannten. Die Bedienung des sehr guten Sound-Systems, des Navis und all den anderen kleinen Helferlein stellt auch ohne Blick ins Handbuch keine Herausforderung dar. Alles ist klar, logisch und übersichtlich gestaltet. Man muss es einfach sagen: Wie von einem VW gewohnt und auch erwartet.

Anfangs sind wir noch ein wenig von der Start-Stopp-Automatik an der Ampel irritiert, wenn nicht gar verunsichert, da wir das von unseren eigenen, alten Autos nicht kennen. Aber es funktioniert: Fuß kurz auf die Bremse oder das Gas und schon läuft der Diesel wieder.

Klasse finden wir auch die hochauflösende Rückfahrkamera, die auf der Mittelkonsole den gesamten Bereich hinter dem Wagen inklusive Hilfslinien brillant darstellt. Die Einparkhilfe ist aber auch gut investiertes Geld, da das adrette Äußere des Sharan leider auf Kosten der Übersichtlichkeit geht. So ist zum Beispiel die Front des Sharan vom Fahrersitz aus nur zu erahnen. Doch das unterstützende Piepen und die optische Darstellung im Display beruhigen beim Rangieren ungemein.

Selbst bei 160 km/h unterhalten wir uns noch angeregt und ohne Schreien. Gewöhnen müssen wir uns zunächst an die Automatik, die für unsere Verhältnisse ein wenig zu schnell und nervös hochschaltet. Und der Kick-Down verdient seinem Namen bei der von uns gefahrenen 140-PS-Diesel-Variante einfach nicht. Trotzdem kann man die magischen 200 km/h laut Tacho erreichen. Bergab, mit Rückenwind und wenn die Sonne in den Auspuff scheint. Aber fürs Rasen ist der Sharan auch nicht gebaut. Macht man ja auch nicht, wenn die ganze Familie an Bord ist.

Der Wohlfühlbereich auf der Autobahn liegt klar zwischen 120 und 160 km/h. Die Lenkung ist straff und direkt. Selbst bei langgezogenen Kurven kommt nie ein Gefühl der Unsicherheit auf. Wir fühlen uns sicher wie einst in Muttis Leib.

Insgesamt hätten wir uns ein wenig mehr Wumms gewünscht. Dennoch liegt unser Verbrauch auf der Autobahn bei rund neun Litern Diesel auf 100 Kilometer. Nicht besonders beeindruckend für Aggregat mit "Blue Motion Technology" - aber wir sind zugegebener Maßen auch meist am Ende des Leistungsbereichs gefahren. Unser Fazit: unbedingt einen etwas stärkeren Motor wählen.

Spätestens als wir durch die Häuserschluchten der einzigen Stadt Deutschlands mit Skyline fuhren, hatte es uns auch das riesige Panorama-Schiebedach angetan, dass uns ein Gefühl vermittelte, als seien wir auch bei Wintereinbruch noch im Cabriolet unterwegs. Da freuen sich die Kinder - und die nicht mehr ganz so jungen Erwachsenen.

Der neue Sharan ist für acht Personen zugelassen. Wir fuhren das Sechssitzer-Paket zu viert - und hätten eigentlich nur einen Extra-Wunsch: Ganz hinten, da wo Platz für noch zwei weitere Mitfahrer ist, da hätten wir uns eine Bank gewünscht. Zum entspannten Ausrollen und -schlafen auf der Rückfahrt von einem doch irgendwie anstrengenden Wochenende.

Unser Fazit, voller Überzeugung: Wäre der VW Sharan eine Frau, dann würde sie uns zuverlässig jeden Morgen das Frühstück machen. Da sind wir sicher und voller Vertrauen. Und das ist, was es ist: der Traum eines jeden Mannes. Auch desjenigen mit drei Kindern aufwärts.

Text: D. Haneberg, M. Kammermayer, L. Langenau und R. Scherer

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