Süddeutsche Zeitung

VW? Renault!:Vom ernst gemeinten Versuch, ein Auto zu kaufen

Oder: Wie uns ein VW-Händler auf direktem Wege zur Konkurrenz aus Frankreich schickte.

Von Maximilian Schönherr

Mein Vater fährt Opel. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass er als junger Mann mit seinem Lloyd zweitaktig beim VW-Händler seiner Kleinstadt vorfuhr und um eine Probefahrt mit dem viertaktigen Käfer anhielt. Der VW-Händler ließ meinen Vater mit Blick auf seinen Lloyd einfach stehen, ohne ihm eine Antwort zu geben. Seitdem verachtet mein Vater VW - völlig zu Unrecht, wie ich ihm gegenüber immer betonte, seit ich vor vielen Jahren für 2400 DM einen ewig jungen, giftorangen Passat gekauft hatte.

Nach mehr als sechs zufriedenen Jahren mit einem damals direkt aus dem Werk in Wolfsburg geholten Golf Variant III, stand bei uns ein neuer Wagen an. Der Golf V, den ich auf der IAA gesehen hatte, war zu klein, der Golf-Variant war noch nicht angekündigt. Der Touran enthielt einiges der neuen Sicherheits- und Fahrgestelltechnik des Golf V und kam eher in Frage.

Anruf beim größten Kölner VW-Haus wegen Probefahrt: Okay, aber der Wagen ist im Moment unterwegs. Der Wagen war noch zweimal ¸¸unterwegs", aber ein paar Tage später stand er uns für knapp zwei Stunden in der Abenddämmerung zur Verfügung. Grund fürs Unterwegssein und die knappe Leihdauer: Der Verkäufer fuhr den Wagen selbst. Hinten flog bei der kleinsten Kurve sein Computermonitor herum, im Fond standen seine Turnschuhe. Der Touran wirkte von außen ganz adrett und fuhr sich präzise. Das Innendesign, vor allem im Armaturenbrettbereich, und die armdicken Seitenfensterholme vorn mitten im Blickfeld waren deutsches Ingenieursdenken aus dem Bilderbuch - ein Schlag ins Gesicht. Bei Rückkehr fragten wir, ob wir den Wagen, der uns nicht nur wegen des herumfallenden Monitors, sondern auch als Diesel sehr laut vorkam, mal als Benziner fahren könnten? Konnten wir nicht.

Insgesamt hatten wir das Gefühl, hier ist man nicht scharf darauf, uns ein Auto zu verkaufen. Die Krise des Autohandels, drastische Einbrüche gerade auch bei VW, schien zu unserem Händler noch nicht durchgedrungen zu sein. Sollten wir ihm also weiter zur Last fallen? Sollten wir auf Risiko bei ihm oder direkt in Wolfsburg aufs Geratewohl den Benziner bestellen?

Wir fuhren auf dem Heimweg bei Renault vorbei. Der neue Scénic - das Kontraststück in Sachen Innendesign. Ein unaufdringlicher, zuvorkommender und überhaupt nicht schmieriger Verkäufer baute die Hintersitze für uns aus, schob die Mittelkonsole herum etc. Zur Probefahrt bot er uns einen Diesel an, mit der Option, anschließend auch andere Motorisierungen zu testen.

Am übernächsten Tag fuhren wir den Wagen ohne Zeitdruck über die Autobahn und durch die Stadt. Aus dem Wagen spricht die Liebe des Innendesigns. Die Dieselmaschine war unvergleichlich leiser als beim zuvor getesteten Touran. Wir bevorzugten trotzdem einen Benziner. Der Händler sagte uns beim Zurückkommen, wir seien nun die höchste Variante der Innen-Serienausstattung gefahren und bot uns an, als Kontrast einen Benziner in der kleinsten Ausstattung Test zu fahren, und zwar am besten 24 Stunden, ¸¸um den Wagen auch mal abends und morgens kennen zu lernen".

Diese zweite Probefahrt überzeugte uns. Die Innenausstattung war uns jetzt zu karg; aber wir hatten ja den Vergleich. Währenddessen hatte die Renault-Werkstätte unseren Golf durchgecheckt und war zu dem Ergebnis gekommen: Der hatte mal einen Unfall, der dilettantisch repariert worden sei. Man habe also kein Interesse an einer Inzahlungnahme. Wir dachten, da spielt sicher die Psychologie des Preisdrückens eine Rolle, aber vielleicht ist ja was Wahres dran und brachten den Wagen am nächsten Tag zu VW.

Der Meister bei VW meinte, typisch Renault-Autohändler, der den Preis drücken will, aber bot an, unseren Wagen auf die Hebebühne zu bringen. Zwei Stellen im hinteren Kotflügelbereich waren von seinem Team ein halbes Jahr zuvor für 2600 Euro repariert worden. Jetzt stellte der Meister fest, dass da schlampig gearbeitet worden war und wollte sich den Golf noch einmal vornehmen und ihn sozusagen sauber zu Ende reparieren. Wir schlugen vor, den Wagen doch bei der Gelegenheit nochmal zu DAT-begutachten, denn wenn ein Wagen durch einen nicht verschuldeten Unfall so viel an Wert verlöre, würden wir uns nun für einen Gebrauchtwagenkauf interessieren. Und gingen rüber zu den VW-Gebrauchtwagen.

Ein drei Jahre alter Golf Variant lachte uns an. Er wies zwar einen offensichtlich reparierten Vorschaden auf, lauter verschiedene Reifenprofiltiefen und Flecken auf den Sitzen, sah aber ansonsten gepflegt aus. Der Kollege des Gebrauchtwagenverkäufers vom Vortag meinte am Telefon, klar könnten wir den gebrauchten Golf Probe fahren, aber es sei ihm überhaupt nicht Recht, unseren noch älteren Golf dafür in Zahlung zu nehmen. Man sei schließlich ein ¸¸Neuwagenhaus und kein Gebrauchtwagenhaus". Aha.

Wir fuhren den gebrauchten Golf spätnachmittags eine knappe Stunde Probe; der Händler bat, pünktlich zurückzukommen, denn er wollte nach Hause. Bei Rückkehr zeigte der Händler keinerlei Anstalten, uns diesen Wagen schmackhaft zu machen - er wollte nach Hause. Wir ließen schließlich von ihm ab; der arme Mann war die ganze Zeit scharf darauf, den Wagen ins Haus zurückzufahren. Als wir gingen, wussten wir, dass wir nicht nur keinen neuen VW, sondern auch keinen gebrauchten VW kaufen würden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.569941
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.