VW Käfer von MemmingerSieht aus wie ein Käfer, ist aber ein Neuwagen

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100 PS, ABS-Bremse, Sportfahrwerk: Das VW Käfer 1303 Cabrio von Memminger ist schnell, dynamisch - und richtig teuer.
100 PS, ABS-Bremse, Sportfahrwerk: Das VW Käfer 1303 Cabrio von Memminger ist schnell, dynamisch - und richtig teuer. (Foto: Memminger Feine Cabrios & Stahlbau GmbH)

ABS-Bremse, bis zu 185 PS, wenig Verbrauch: Die Firma Memminger restauriert den VW so, dass er mit dem Original nur noch wenig zu tun hat. Das Fahren macht Spaß - ist aber anders als in einem Oldtimer.

Von Thomas Harloff

"Na los, geben S' Gass", fordert die Stimme des Beifahrers im bayerischen Dialekt. "Des schafft der scho'!" Tatsächlich nimmt der Käfer die Kurve locker im führerscheingefährdenden Tempo. Die nächste auch. Die danach ebenfalls. Andere Exemplare hätten dabei zweifellos mehr Mühe gehabt, wären vielleicht vom Asphaltband gesegelt mit ihrer Pendel- oder Schräglenker-Hinterachse. Dieser Käfer hier hält stoisch die Linie, lenkt präzise ein, zuckt nicht mit dem Heck. Was nicht verwundert: Hinter den 15-Zoll-Alufelgen steckt ein modernes Sportfahrwerk. Georg Memminger, 66, weiß, was dieses Auto kann. Der Journalist am Steuer staunt.

Memmingers Hallen in Reichertshofen, auf halber Strecke von München nach Ingolstadt gelegen, verlassen im Jahr zwischen zehn und 15 vollrestaurierte Käfer, darunter 80 Prozent Cabrios. Viele wurden woanders schon einmal restauriert, und seine Mitarbeiter müssen ausmerzen, was dabei verschlampt wurde. "Einige unserer Kunden haben zuvor Enttäuschungen erlebt. Die suchen Qualität bei uns", ergänzt Memmingers 31-jähriger Sohn, der ebenfalls Georg heißt.

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Fast alle Teile sind neu

Das Vater-Sohn-Gespann ist sich einig: Ihre Käfer müssen perfekt sein. "Wenn sie uns verlassen, sollen sie 35 Jahre halten. Mindestens", sagt der Senior. Deshalb bauen die Mechaniker, an deren Spitze Memminger junior steht, die Autos in sechs bis acht Monaten völlig neu auf. Manchmal lassen sich noch Teile des Vorderwagens samt Windschutzscheibenrahmen verwenden, mit viel Glück auch das Heck. Oft ist aber das komplette Auto vom Rost befallen, und es bleibt nur der Mittelträger als Basis für eine Restauration übrig. Der ist allerdings notwendig, hier ist die Fahrgestellnummer eingestanzt. Sie ist die Voraussetzung, dass ein Memminger-Käfer seinen Oldtimerstatus behält und für ein H-Kennzeichen infrage kommt.

Fahrwerk und Räder sind nicht die einzigen Teile, die anders sind als früher. Auf Wunsch bremst der Käfer mit innenbelüfteten Scheiben und ABS. Die hinteren Passagiere nehmen auf Sitzen mit Federkern und Dreipunktgurten Platz. Auf Wunsch gibt es eine Servolenkung, Bi-Xenon-Scheinwerfer und neue Lautsprecher. Rost ist dank neuer Karosserieteile aus verzinktem Stahlblech kein Thema mehr. Die Türen haben nun besser geschmierte Scharniere und Seitenaufprallschutz.

Die Motoren haben bis zu 185 PS

Fast all diese Teile lässt Memminger nach eigenen Vorgaben von Prototypenherstellern fertigen, die nötigen Pressen und Werkzeuge hat er teils selbst entwickelt. "Unseren Qualitätsstandard sichern wir nur, wenn wir alles selbst machen", sagt Memminger.

Auch die Boxer im Heck haben kaum noch etwas mit ihren Vorbildern gemeinsam. Am nächsten kommt dem Original noch der 50 PS starke Vergasermotor. Eine komplette Neuentwicklung - wenn auch nach historischem Vorbild - ist der sogenannte Typ-4-Motor mit 185 PS. Das Einspritzer-Triebwerk leistete im VW 411 / 412 einst 80 PS und kam auch im VW-Porsche 914 zum Einsatz, dort mit 100 PS. Jetzt hat der Vierzylinder ein neues Gehäuse, der Hubraum ist von 1,7 auf 2,7 Liter gewachsen, das Innenleben und die Peripherie des Triebwerks sind absolut up to date.

Zur Probefahrt steht aber ein dunkelgrünes 1303 Cabrio mit Typ 1-Einspritzer bereit. In den Siebzigern wurde die US-Ausführung mit diesem Motor angeboten, jetzt hat er fast 2,3 Liter Hubraum und verdoppelt seine Leistung auf etwa 100 PS. Neben allen Hardware-Neuteilen installiert Memminger eine aktuelle Elektronik, wovon nicht nur die Kraftausbeute profitiert. Der Käfer stößt durch seinen Sebring-Auspuff weniger Schadstoffe aus und verbraucht weniger Sprit. "Der Motor nimmt zwischen 6,5 und acht Liter im Schnitt, je nach Fahrweise", sagt Memminger.

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Auf der Runde zwischen den Hopfenfeldern der Hallertau dürfte das Cabrio durstiger gewesen sein. Denn die lebhafte Gasannahme und die lockerleichte Drehfreude, vor allem aber der Sound, verleiten zum "Gass geben", wie Georg Memminger sagen würde. In bekannter Manier röchelt, knattert und schnattert der Boxer die Freude an seinem Tun in die Umgebung. Der Klang ist etwas bassiger als früher, löst aber nicht nur bei der Babyboomer-Generation nostalgische Gefühle aus. Es ist eine akustische Wonne, den Vierzylinder immer wieder hinauf auf 4500 Touren zu drehen. Um druckvoll beschleunigen zu können, reichen aber auch 1500 Umdrehungen. Ab hier bietet der Motor mindestens 150 Newtonmeter an. Das Maximum sind fast 200 Nm bei 2600 Umdrehungen.

Restaurieren sie noch oder tunen sie schon?

Aber ist ein Käfer mit 100 PS, moderner Motorelektronik, Katalysator und Bi-Xenon-Scheinwerfern noch ein echter Käfer? Verdient ein Auto mit ABS-Bremse, Sitzheizung und CD- / Navigationsradio ein H-Kennzeichen? Sind die Memmingers in Wahrheit keine Restauratoren, sondern Tuner? "Wir machen kein Tuning, sondern wir optimieren die bestehenden Teile", sagt der Firmenchef. Die Tatsache, dass es die Einspritzmotoren in deutschen Käfern nie gab und von den Teilen des Restaurationsobjektes kaum etwas wiederverwendet wird, lässt daran jedoch nicht nur Originalitäts-Freaks zweifeln.

So spaßig das Fahren auch ist, mit einem Oldtimer hat das alles wenig zu tun. Das Käfer-Gefühl bringt der Memminger nur in Ansätzen rüber. Etwa beim Bedienen des filigranen Blinker- oder leicht hakeligen Schalthebels. Auch durch den Sound. Aber sonst fährt er sich wie ein Auto aus den Neunziger- oder Nullerjahren.

Wer sich ein solches Auto gönnt, dürfte das nicht nur wissen, sondern einfordern. Mindestens 87 000 Euro gibt wohl kaum jemand leichtfertig für einen VW Käfer aus. Dafür gibt es konstruktive und handwerkliche Perfektion sowie Individualismus und Understatement auf hohem Niveau. Dem wahren Kern des Käfer-Kults spürt man aber besser in einem originalgetreuen Exemplar nach. Auch wenn sich damit nicht so vehement "Gass geben" lässt.

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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