VW-Käfer:Er läuft nicht mehr

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Das Archivbild aus den 60er Jahren zeigt einen VW-Käfer 1200. (Foto: picture-alliance / dpa)

Im Juli 2019 soll der letzte Beetle, Nachfolger des Käfer, vom Band rollen - eine traurige Nachricht von historischer Dimension. Mit freundlichen Augen blickte dieses Auto auf die Welt. Nun regiert der SUV.

Kommentar von Gerhard Matzig

Gott müsse wohl eine Vorliebe für Käfer haben. Das sagte einst der britische Biologe John Haldane über die Käfer als evolutorisch anpassungsfähige Tiergruppe. Als Insekt ist der Käfer so robust, dass er - anders als die Dinosaurier - sogar das womöglich durch Meteoriten ausgelöste Artensterben vor 65 Millionen Jahren überlebte. Leider gilt diese Überlebensfähigkeit nicht auch für den Käfer als Auto.

Dessen Aussterben wurde von der amerikanischen VW-Tochter nun auf Juli 2019 datiert. Dann soll laut Volkswagen der letzte "Beetle" - deutsch: Käfer - als Nachfolger des früheren Kraft-durch-Freude-Wagens vom Band im mexikanischen Puebla rollen. Was sich nach betriebswirtschaftlicher Randnotiz anhört, ist in Wahrheit eine Trauernachricht. Denn der Käfer ist mehr als ein Auto oder ein Industrieprodukt: Er ist Teil der Design- und Kulturgeschichte.

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Der Beetle, den es seit 1998 gibt ("VW New Beetle"), trat 2003, als das letzte von insgesamt 21 529 464 Käfer-Exemplaren gebaut wurde, die Erbschaft eines weltweit populären Mythos an. Er umfasst nicht nur politische und ökonomische Aspekte, sondern ist auch als Verkörperung des Wirtschaftswunders auf Rädern zu begreifen. Das Ende des Beetle wird daher auch das Ende eines ikonisch gewordenen Bedeutungsträgers sein. Er läuft und läuft und ... bleibt dann zum Leid vieler Fans doch noch stehen. Nach acht Jahrzehnten der automobilen Käfer-Historie und drei Generationen am Steuer von Millionen "Buckel-Porsches" betrübt einen die Meldung aus den USA.

Wobei es nicht der vom Atheisten Haldane ins Spiel gebrachte liebe Gott ist, der sich vom Käfer abwendet - es sind die Manager. Die jedoch auf Kundenwünsche reagieren. Zuletzt waren die Verkaufszahlen für den Beetle ernüchternd. Aggressiv anmutende, zur Fettsucht neigende und vor sich hindieselnde SUVs verkaufen sich besser als kleine rundliche Käfer, die mit ihren großen Scheinwerferaugen immer so freundlich die Welt angucken. Dabei ist die Geburtsstunde des Käfers eher düster. Der Käfer ist eine Erfindung der Nazis.

Ferdinand Porsche wurde 1934 letztlich von Hitler selbst beauftragt, ein sparsames, billiges Auto zu entwickeln, um die Deutschen massenhaft zu mobilisieren. Nicht (noch nicht) in einem kriegerischen Sinn, aber dafür volkswirtschaftlich aufrüstend. Der Käfer entstand dann in einer Garage in Stuttgart. Wo sonst.

Dass man sich beim Anblick eines Käfers nicht an die KdF-Geschichte erinnert, sondern beispielsweise an die eigene erste Fahrt über den Brenner nach Limone sul Garda: Das hat viel zum Mythos beigetragen. Mit dem Fahrzeug verbinden sich Geschichten von Sehnsucht und Aufbruch. Dabei war der Käfer im Grunde ein zwar lautes, aber untermotorisiertes, relativ unpraktisches Vehikel. Doch es besaß das, was Autos heute nur sehr selten haben: Persönlichkeit. Der Beetle, über Jahrzehnte nahezu unverändert in seiner Gestaltung, war ein Automobil, das man lieben konnte. Ironischerweise fand auch die Flower-Power-Generation Gefallen an der NS-Erfindung und pinselte Blumen auf das Blech. Die Zeit des Käfers ist bald vorbei. Nun sieht es so aus, als würden sich die Dinosaurier doch noch durchsetzen - als SUVs. Schade.

© SZ vom 15.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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