Süddeutsche Zeitung

75 Jahre VW Käfer:Und er läuft und läuft und läuft

Der VW Käfer ist eine der Auto-Ikonen, auf die sich alle einigen können. Entstanden im dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte, machte er eine erstaunliche Karriere.

Der VW Käfer, der am 27. Dezember 1945 zum ersten Mal vom Band lief, ist wohl das bekannteste deutsche Auto. Doch seine Vorgeschichte stammt aus dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte: Adolf Hitler wollte ein massentaugliches Fahrzeug für das deutsche Volk produzieren lassen. Den Auftrag dafür bekam 1934 der Ingenieur Ferdinand Porsche. Er entwickelte den sogenannten "Kraft durch Freude"-Wagen, der erst später im Volksmund Käfer genannt wurde. Nach dem Willen Adolf Hitlers sollte der Wagen die Deutschen zu einem Volk von Autofahrern machen. Doch aus dem Projekt wurde ein von Zwangsarbeitern gebautes Militärfahrzeug. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollten die Industrieanlagen bei Fallersleben demontiert werden, doch der als Verwalter eingesetzte britische Offizier Ivan Hirst hielt nichts von diesem Vorhaben. Er überzeugte die Besatzer, in Wolfsburg wieder Autos zu bauen - der KdF-Wagen erstand im Dezember 1945 als Volkswagen wieder auf.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Käfer tatsächlich zum Fortbewegungsmittel für die Massen. Er war geräumig, vergleichsweise günstig und die Technik robust: Ein luftgekühlter Vierzylinder-Boxer trieb ihn an und verlieh dem Auto seinen charakteristischen Klang. Der Wagen mit steiler Windschutzscheibe mauserte sich zu einer Ikone des Wirtschaftswunders in der Bundesrepublik. 1955 lief der Millionste Käfer in Wolfsburg vom Band. Insgesamt produzierte Volkswagen mehr als 21,5 Millionen Exemplare. Damit ist der Käfer bis heute eines der meistverkauften Modelle der Automobilgeschichte.

Und er war sogar Protagonist in Hollywood-Filmen: Zum Beispiel als Rallye-Auto Herbie mit seinen typischen rot-weiß-blauen Streifen.

Anders als in Deutschland wurde der Käfer in den USA in den 60er Jahren zu einem Symbol einer Hippie-Gegenkultur. Die Agentur Doyle Dane Bernbach bewarb das Fahrzeug mit hohem Wiederkennungswert mit dem Slogan "Think small". Das hatte Erfolg: 1968 führte Volkswagen 40 Prozent seiner Käferproduktion in die Vereinigten Staaten aus.

Der klassische Käfer wurde deutlich länger gebaut als viele glauben: Während in Wolfsburg längst der Golf vom Band rollte, wurden in Mexiko weiter Käfer produziert. Erst 2003, nach fast 70 Jahren, stellte Volkswagen auch dort die Produktion ein. Der letzte Käfer mit der Produktionsnummer 21 529 464 rollte nicht mehr über die Straßen, sondern landete im Museum.

Das ikonische Design des Käfers zieht heute noch viel Aufmerksamkeit auf sich, wie hier im Sommer 2018 bei einer Bootsparade in Großbritannien. Und wer eine Ähnlichkeit mit dem wohl berühmtesten aller Sportwagen, dem Porsche 911, erkennt, liegt auch nicht falsch. Die Geschichte dieser deutschen Auto-Ikonen ist eng miteinander verbunden. Auf Basis des Käfers entwickelte Porsche zunächst den 356, in den 60ern dann der 911. Wie der Käfer trug er jahrzehntelang einen luftgekühlten Boxermotor im Heck, nur mit sechs statt vier Zylindern - und deutlich mehr Leistung.

Ende der 90er versuchte Volkswagen, den Mythos Käfer in die Neuzeit zu holen und präsentierte den New Beetle (hier bei der Vorstellung in Detroit). Von 1998 bis 2010 war er erhältlich, durchaus mit Reminiszenzen an den berühmten Vorfahren: So gab es im VW-Zubehör eine Blumenvase fürs Amaturenbrett zu kaufen, die schon beim Käfer ein beliebtes Accessoire war.

Ab 2012 folgte ein neues Modell, das nur noch VW Beetle hieß. Dieser bekam ein etwas sportlicheres Design. Weniger Rundungen, mehr Kanten.

Zuletzt wurde der Beetle, wie auch sein historischer Vorgänger Käfer, nur noch in Mexiko produziert (hier das Werk in Puebla) - bis auch dort 2019 der letzte der neuen Käfer vom Band lief.

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