Süddeutsche Zeitung

VW in den USA:Keine Wagen fürs Volk

Lesezeit: 2 min

Von Kathrin Werner, Detroit

Michael Horn wusste, dass es ein schwieriges Jahr werden würde. Aber so hart? Das hatte er dann doch nicht gedacht, sagt er. "Es war das anstrengendste Jahr meines Lebens." Volkswagen hat den 52-Jährigen Anfang 2014 zum Amerikachef gemacht. "Manchmal denke ich, dass es ganz gut ist, wenn man vorher nicht ganz genau weiß, wie hart etwas wird."

Gerade trifft sich die Autowelt in Detroit. Für Horn ist das unangenehmer als für den Rest seiner Kollegen, die billiges Benzin und sattes Wachstum in den Vereinigten Staaten feiern, dem zweitwichtigsten Automarkt nach China. Die Amerikaner kaufen wieder wie wild Autos - nur keine Volkswagen. Die Misere in Zahlen: VW hat 2014 nur knapp 367 000 Autos in den USA verkauft, zehn Prozent weniger als im Vorjahr. Der Marktanteil ist 2014 von 2,6 auf 2,2 Prozent geschrumpft.

Bei Audi läuft es besser als bei VW

Die Amerikaner kaufen weniger Volkswagen als Autos von Subaru oder Kia. "Wir sind einfach kein Massenhersteller in den USA, das ist ganz klar", sagt Horn. Das lautstark verkündete Ziel, im Jahr 2018 800 000 Autos der Marke Volkswagen abzusetzen, ist weit weg, Horn bestätigt es nicht mehr, sondern redet lieber von einer Millionen Konzernautos, also inklusive anderen Marken wie Audi, bei denen es besser läuft als bei VW.

VW hat einen Krisenstab für die Vereinigten Staaten gegründet. Alle zwei Monate fliegt Horn nach Wolfsburg, um den Vorstandsausschuss zu treffen, der sich nur um sein Land kümmert. Bis 2019 will VW sieben Milliarden Euro in Nordamerika investieren. "Das Interesse, das mit den USA jetzt mal zu klären, ist sehr, sehr groß", sagt Horn.

Noch vor ein paar Jahren sah es eigentlich gut aus für VW in den Vereinigten Staaten, das Unternehmen hatte 2011 eine Fabrik in Chattanooga im Süden des Landes eröffnet, der Passat aus Chattanooga war günstig im Preis und gefiel den Amerikanern gut. Doch dann kam nichts nach. In den USA verkaufen sich - besonders derzeit wegen des billigen Benzins - große Autos am besten: Pick-ups und sportliche Geländewagen (SUV). Doch VW hat sie in Amerika nicht im Angebot. Volkswagen fehlt ein "People's Car".

VW startet eine SUV-Offensive

Das soll sich ändern - allerdings nicht allzu bald. VW-Chef Martin Winterkorn ist mit Horn nach Detroit gereist und verkündete die "größte SUV-Offensive in der Geschichte unserer Marke". Bis die Amerikaner all die SUV von VW kaufen können, vergehen allerdings noch Jahre. Anfang 2016 kommt ein erster SUV auf den Markt, der für US-Verhältnisse mittelgroß und für deutsche Verhältnisse mit mehr als fünf Metern riesig ist, ein paar Monate später folgt ein kleinerer SUV, ein bis zwei Jahre später soll ein langer, aber flacher SUV auf den Markt kommen, ein SUV-Coupé, dessen erstes Konzept der Konzern in Detroit zum ersten Mal zeigt.

Künftig soll die US-Tochter schneller herausfinden und in die Konzernzentrale melden, welche Modelle sie wann braucht. Deshalb baut Horn ein neues Technikzentrum mit 200 Ingenieuren in Chattanooga auf, sie sollen mehr vor Ort entwickeln. Fast alle Ingenieure sind Amerikaner, die sich mit ihrem Heimatmarkt besser auskennen als die Leute in Wolfsburg oder Mexiko, wo VW viel für die USA fertigt.

Weltweit hat VW trotz all der Probleme in den USA und der Schwäche in Europa 2014 zum ersten Mal über alle zwölf Marken hinweg knapp mehr als zehn Millionen Autos verkauft, das hat noch niemand geschafft. Allerdings haben Toyota und GM noch keine Gesamtzahlen vorgelegt, erst dann steht fest, ob die beiden Rivalen dieselbe Marke geknackt haben und ob VW das Ziel erreicht hat, größter Autobauer der Welt zu werden.

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Quelle:
SZ vom 13.01.2015
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