Elektro-VW ID 4 im Test:Familientauglich stromern

Elektro-VW ID 4 im Test: Eine Nummer größer: Der VW ID 4 ist mit 4,62 Meter fast 40 Zentimeter länger als der ID 3, mit dem er eine gemeinsame Plattform teilt.

Eine Nummer größer: Der VW ID 4 ist mit 4,62 Meter fast 40 Zentimeter länger als der ID 3, mit dem er eine gemeinsame Plattform teilt.

(Foto: Hardy Mutschler/VW)

Der ID 4 ist als Elektro-Pendant des Tiguan nicht nur geräumiger, sondern auch moderner und teurer. Die Reichweite wird in den kommenden Jahren steigen: Mit einer Akkuladung soll er dann 700 Kilometer weit kommen.

Von Georg Kacher

Der ID 3 war rein optisch ein Fall von Liebe auf den zweiten Blick, doch schon beim ID 4 haben sich die VW-Designer warmgezeichnet. Trotz identischem Radstand wirkt der Crossover (von dem es 2021 auch ein Coupé namens ID 5 geben wird) dynamischer, moderner und dank der breiteren Spur erwachsener als das Basismodell. Außerdem ist er 36 Zentimeter länger und entsprechend geräumiger inklusive des größeren Kofferraums. Die günstigste Variante heißt Pure, kostet knapp 37 000 Euro und wird ab nächstem Frühjahr ausgeliefert. Wer sich nicht in Geduld üben möchte, muss fast 49 000 Euro für die Erstedition namens ID 4 1st oder etwa 59 000 Euro für den komplett ausgestatteten ID 4 Max hinblättern. Billig geht anders. Das Model 3 von Tesla belastet das Kundenkonto in der Long-Range-Version (560 Kilometer Reichweite nach WLTP) mit 52 000 Euro. Der Preis für den annähernd vergleichbaren ID 4 Pro S (520 Kilometer nach WLTP) dürfte geringfügig darunter liegen, wobei der VW-Käufer zunächst auf den Allradantrieb verzichten und sich mit deutlich schwächeren Fahrleistungen begnügen muss. Dafür sind schon die Vorserienautos tadellos verarbeitet, der Innenraum wirkt gediegener und wohnlicher, das durchdachtere Bedienkonzept lenkt weniger ab.

Anders als Tesla übt sich VW auch bei der ID-Familie in altbekannter Komplexität. In Planung sind nicht weniger als zehn Ausstattungsvarianten, diverse Pakete und in der Endphase fünf verschiedene Leistungsstufen mit 150, 180, 204, 265 und 306 PS, wobei die beiden letztgenannten über vier angetriebene Räder verfügen. Der kleinste Akku mobilisiert 55 kWh, die ab 2021 bestellbare goldene Mitte liegt bei 62 kWh, der aktuell stärkste Batteriesatz bringt es auf 82 kWh. Die entsprechenden Reichweiten betragen 340, 390 und 520 Kilometer. Der Verbrauch? Nominell um die 15 kWh pro 100 km, auf der Autobahn mit Tempo 160 (mehr geht nicht) auch gerne mal das Dreifache. Bei Konstantfahrt mit 120 km/h schrumpft selbst die Reichweite der großen Batterie auf 320 Kilometer. Dafür dauert es an einer 125 kW-Ladesäule nur eine halbe Stunde, um genug Energie für eine weitere 320 Kilometer-Etappe zu bunkern. In knapp zwei Jahren will VW mit einem zusätzlichen Akku-Modul die Leistung auf 95 kWh erhöhen und so eine neue Reichweiten-Rekordmarke von 700 Kilometer aufstellen.

Elektro-VW ID 4 im Test: Außen so groß wie ein Tiguan, innen fast so geräumig wie das VW-Topmodell Touareg. Trotzdem ist der VW ID 4 noch problemlos stadttauglich.

Außen so groß wie ein Tiguan, innen fast so geräumig wie das VW-Topmodell Touareg. Trotzdem ist der VW ID 4 noch problemlos stadttauglich.

(Foto: Hardy Mutschler/VW)

Oberhalb von 100 km/h hört man nur den Wind

Die SZ sammelte erste Fahreindrücke auf dem 120 Kilometer langen Straßennetz des VW-Testgeländes in Ehra-Lessien, wo der ID 4 über Stock und Stein, auf dem Handlingkurs und rund um das High-Speed-Oval zeigen musste, ob er auch unter verschärften Bedingungen seine Sache gut macht. Zumindest fahrdynamisch kann man Entwarnung geben. Der neue Stromer liegt satt auf der Straße, lässt sich selbst durch grobe Schnitzer des Lenkers nicht provozieren, rollt sogar in Kombination mit extrabreiten 21-Zöllern ausreichend geschmeidig ab, lenkt präzise und verzögert brav, ohne dabei das Rekuperieren zu vergessen. Die 204 PS-Version geht aus dem Stand ab wie ein geölter Blitz, aber der Vorwärtsdrang lässt relativ rasch nach, denn selbst die ansatzlos verfügbaren 310 Nm des Pro-Performance-Modells sind in Verbindung mit dem Ein-Stufen-Getriebe ziemlich bald ausgereizt. Auf der Habenseite steht die lineare Beschleunigung, das prompte Ansprechverhalten und das leise Stromern. Oberhalb von 100 km/h hört man nur den Wind, die Reifen und die "Hey, ID"-Stimme der stark verbesserten Sprachsteuerung.

VW ID Cross

„Knopf drücken ist out, touchen ist in“, lautet die ID-Botschaft. Auch an das Multifunktionslenkrad muss man sich gewöhnen.

(Foto: Volkswagen AG)

Der nur noch leicht getarnte Vorserien-Testwagen sammelte fleißig Punkte für seine ausgefeilte Windschnittigkeit (cw-Wert 0,28), die erstklassigen Ergo-Sitze, die gegenüber dem ID 3 verbesserte Anmutung im Innenraum, das riesige Glasdach und die selbst im Vergleich zum Golf 8 entspannte Ergonomie mit Direktwahltasten für Klima, Assistenz und Fahrmodi. Das System geht auf Knopfdruck in Stand-by, das Einlegen der Fahrstufe erfolgt über einen selbsterklärenden Drehknubbel an der Lenksäule, die individuelle Nutzererkennung übernimmt der Zündschlüssel.

An das Multifunktionslenkrad muss man sich freilich ebenso gewöhnen wie an die diversen Schieberegler hinter Glas - die ID-Botschaft heißt "Knopf drücken ist out, touchen ist in". Es gibt zwei Rekuperationsstufen, die allerdings nicht individuell modulierbar sind und damit frühes Segeln ebenso erschweren wie eine besonders stark ausgeprägte Energie-Rückgewinnung. Ebenfalls zu keinen Zugeständnissen bereit ist das konservativ programmierte Stabilitätsprogramm, das höchstens auf der bewässerten Schleuderplatte ein heckbetontes Eigenlenkverhalten im Stil von Käfer oder Porsche 911 zulässt.

Die Reichweiten- und Ladeangst bekämpft der ID 4 audio-visuell mit einer speziellen Infografik, die ins Navi eingeblendet wird und ob ihres unregelmäßigen Umrisses intern Spiegelei genannt wird. Das blau hinterlegte Piktogramm zeigt kilometergenau an, wo die Komfortzone endet und das Hoffen und Bangen beginnt. Das alerte Spätwarnsystem wechselt erst in der Endphase bei einer Restreichweite von 25 Kilometer in den sogenannten Schildkröten-Modus, der beispielsweise alle verzichtbaren elektrischen Verbraucher deaktiviert. Sobald im Display eine dicke, fette Null aufleuchtet, beginnt der Final Countdown mit einer allerletzten Reserve von rund 15 Kilometer. Wer trotzdem weiterfährt, sollte zumindest dafür sorgen, dass der Wagen an einer sicheren Stelle ausrollen kann. Die Spesen für den dann nötigen Pannendienst werden übrigens von der serienmäßigen Liegenbleiber-Versicherung übernommen. Nicht serienmäßig, aber ein echter Dienst am Kunden, ist der in Vorbereitung befindliche Digital Key Service, der als bezahlbare Antwort auf die Parkplatznot und Ladeproblematik in Innenstädten gedacht ist. Dabei holt eine Spezialfirma das Auto ab, lädt den leeren Speicher über Nacht wieder auf, reinigt den Wagen gegebenenfalls und bringt ihn wieder zurück - so sieht sie aus, die schöne neue Auto-Welt.

Hinweis der Redaktion

Ein Teil der vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden.

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