VW Golf Sportsvan im Fahrbericht:Volkswagens Jugend-Plan

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Der Golf Sportsvan tritt mit neuem Namen und schickem Design an, um für VW eine jüngere Käuferschicht zu erschließen. (Foto: Volkswagen AG)

Schnittigeres Design, neuer Name: Mit dem Sportsvan will VW eine jüngere Zielgruppe als mit dem Vorgänger Golf Plus ansprechen. Diesem Vorhaben dürfte weniger das gut gelungene Auto als vielmehr die Preisgestaltung im Wege stehen.

Von Thomas Harloff, Saint-Tropez

MPV - wieder so eine aus dem Englischen abgeleitete Abkürzung, die eine Fahrzeuggattung beschreibt. Nach den SUV, den höhergelegten Möchtegern-Offroadern, sollen MPV jetzt das nächste große Ding sein. Glaubt man den Produkt-, Marketing- und PR-Verantwortlichen aus dem Hause Volkswagen, giert der Markt nach diesen Mehrzweckfahrzeugen ("Multi Purpose Vehicles"), die dem Namen nach vielseitig einsetzbar sein sollen. Deshalb kommt Ende Mai mit dem Golf Sportsvan ein neues MPV von VW auf den Markt - und im Herbst zieht BMW mit dem 2er Active Tourer nach.

Wirklich neu ist diese Fahrzeuggattung freilich nicht - nur sind deren Vertreter hierzulande bislang selten so bezeichnet worden. Ford C-Max, Opel Meriva und Co. firmierten bislang meist unter der Bezeichnung "Minivan", hinter der sich Fünfsitzer mit großzügigen Platzverhältnissen und flexibel nutzbarem Innenraum verbergen.

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Sportsvan statt Golf Plus

Auch VW hatte ein solches Auto bereits im Portfolio - den Golf Plus. Doch dessen Kundschaft ist den Wolfsburgern offenbar zu alt geworden, worin der Hauptgrund für den Namenswechsel und das nun weniger klobige Design liegt. "Junge Familien mit einem Kind, beide Eltern sind berufstätig - so stellen wir uns die Kernzielgruppe des Sportsvan vor", sagt Silke Bagschik, die für das Produktmarketing des Neulings verantwortlich ist.

Dieser Personenkreis wird oft genannt, wenn Autohersteller ihre bevorzugte Klientel beschreiben. Und die schrammen damit meist zielsicher an der Realität vorbei, schließlich werden Neuwagenkäufer immer älter. Laut einer Studie des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen liegt das Durchschnittsalter bei 52,2 Jahren und damit so hoch wie nie. Das weiß auch Marketingfrau Bagschik und schiebt zwei weitere anvisierte Kundengruppen nach: "Die Golf-Plus-Käufer haben wir sowieso, sie steigen sicher in den Sportsvan um. Zudem wollen wir mit diesem Auto die Premium-Downsizer ansprechen."

Zumindest in der Topausstattungslinie "Highline" ist der Innenraum hochwertig ausstaffiert. (Foto: Volkswagen AG)

Auf Tuchfühlung zur Mercedes B-Klasse

Das neueste Golf-Derivat soll also Kunden von Mercedes und BMW abwerben, zur Not auch von der Konzernschwester Audi. Da hilft ein hochwertig ausstaffierter Innenraum, den der Sportsvan fraglos bietet. Unterschäumter Kunststoff statt billiges Hartplastik am Armaturenbrett, glänzende Materialien wie Klavierlack und Metall, haptisch überzeugende Tasten, Schalter und Drehregler - der Wohlfühlfaktor stimmt auf Anhieb. Eine Mercedes B-Klasse, die die VW-Verantwortlichen als den Hauptkonkurrenten auserkoren haben, bietet hier keinen besseren Standard. Zumindest dann nicht, wenn man die Topausstattungen vergleicht. In ihren nackten Basisversionen dürften die Unterschiede größer sein.

Die Hauptargumente für einen Minivan sind aber praktischer Natur. Kunden, die sich in diesem Segment umschauen, erwarten eine etwas erhöhte Sitzposition, ein auf Anhieb verständliches Bedienkonzept, viel Platz und eine hohe Innenraum-Flexibilität. Der Golf Sportsvan erfüllt diese Erwartungen in jeder Hinsicht. Die Passagiere sitzen im Vergleich zum normalen Golf spürbar erhöht, was in Verbindung mit großen Fensterflächen für eine gute Rundumsicht sorgt. Bedienelemente befinden sich dort, wo man sie erwartet, der große Touchscreen gibt keine Rätsel auf und reagiert sehr schnell auf Eingaben. Reichlich Platz ist ebenfalls vorhanden. Wer maximal zu viert reist, wird selten Klagen über mangelnde Kopf-, Ellbogen- oder Kniefreiheit hören.

Bei der Variabilität kann der Golf-Ableger mit sinnvollen Lösungen punkten. Eine in Längsrichtung verschiebbare Rückbank gehört in dieser Klasse zum guten Ton, allerdings ist der Verstellbereich im Sportsvan mit 18 Zentimetern besonders groß. Die Rücksitzlehne ist in mehreren Neigungsstufen verstellbar und lässt sich im Verhältnis 40:20:40 geteilt umklappen. Maximal steht ein Ladevolumen von 1520 Litern zur Verfügung, mindestens können 500 Liter Gepäck zugeladen werden.

Auf der Straße verschafft sich der Sportsvan gegenüber den Kontrahenten einen Vorteil. Wer möchte, kann den Namen mit Leben füllen, denn Lenkung, Fahrwerk und Bremse agieren harmonisch zusammen und verleihen dem Wolfsburger eine Agilität, die aktuell kaum ein anderes Auto dieses Segments bietet. Aber der XL-Golf kann es auch gemütlich angehen lassen und die Besatzung komfortabel ans Ziel bringen - oder beide Enden des Fahrdynamik-Spektrums zu einem passenden Kompromiss vereinen.

Variantenreiche Antriebspalette

Auch die zum ersten Test bereitgestellten Antriebe beherrschen gemütliches Gleiten ebenso wie dynamisches Kilometerfressen. Sowohl der Top-Diesel, ein 150 PS starker Zweiliter-TDI, als auch der zweitstärkste Benziner 1.4 TSI mit 125 PS stellen eine passende, weil jederzeit kräftig zupackende Antriebsquelle für den Sportsvan dar. Der Diesel ist erstaunlich leise und recht sparsam, laut Bordcomputer verbraucht er 5,2 Liter auf den streng tempolimitierten Straßen Südfrankreichs. Der Selbstzünder stellt sein Temperament jedoch lediglich über ein schmales Drehzahlband (1500 bis knapp über 4000 Touren) zur Verfügung. Der TSI hat eine deutlich bessere Kondition und baut seine Kraft kontinuierlicher auf, präsentiert sich aber spürbar stimmgewaltiger und trinkfester. Im Alltag muss sich der Fahrer mühen, unter die Acht-Liter-Marke zu kommen.

Mit dem Zweiliter-TDI ist der Golf Sportsvan gut motorisiert. Allerdings kostet diese Kombination mindestens 28 350 Euro. (Foto: Volkswagen AG)

Welches Getriebe man bevorzugt, bleibt eine Frage des persönlichen Geschmacks und Budgets. Der manuellen Sechsgangbox ist objektiv nichts vorzuwerfen, denn sie schaltet präzise und der Ganghebel muss nur kurze Wege zurücklegen. Im ebenfalls erhältlichen Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe findet sie allerdings ihren Meister, denn deren ebenso schnelle wie verschliffene Gangwechsel, die auf Wunsch auch manuell per Lenkradwippen kommandiert werden können, begeistern. Schade, dass die "DSG" genannte Automatik mit einem Aufpreis von 1850 Euro so teuer geraten ist.

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Und da ist es wieder, das leidige Thema Geld. Mit dem 85-PS-Einstiegsmotor samt Fünfganggetriebe und der Einstiegsausstattung "Trendline" kostet der Sportsvan 19 625 Euro - ein Plus von 2300 Euro gegenüber einem dreitürigen Standard-Golf. Hinzu kommen weitere Benzinervarianten mit 110, 125 und 150 PS sowie die 110 und 150 PS starken Diesel, die alle mit dem DSG kombiniert werden können. Wie immer bei VW sind dem Variantenreichtum also kaum Grenzen gesetzt, zumal eine sparsame "Bluemotion"-Variante ebenso in Planung ist wie Varianten mit Allrad- und Erdgasantrieb sowie eine auf kernig getrimmte Cross-Version.

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Die Ausstattungslinien "Comfortline" und "Highline" und die stärkeren Motorisierungen treiben die Preise aber ebenso in die Höhe wie die per Knopfdruck aktivierbaren Heinzelmännchen, die das Fahrwerk straffer oder weicher machen, die Lenkung direkter oder indirekter auslegen oder das Gaspedal spontaner ansprechen lassen. Auch die zahlreichen Fahrassistenten wie der Tote-Winkel-Warner, der über die sehr empfehlenswerte Funktion einer notfalls selbständig bremsenden Umgebungsüberwachung beim rückwärtigen Ausparken verfügt, die Verkehrszeichenerkennung oder der Spurhalteassistent lässt sich VW extra bezahlen.

Auch wenn der Golf Sportsvan fraglos ein exzellentes Auto ist, dürfte die Preisgestaltung verhindern, dass die tatsächliche mit der von VW skizzierten Zielgruppe übereinstimmt. So wird es wohl doch wieder auf die Generation 50 plus hinauslaufen. Aber die wird sicher kein Problem damit haben, plötzlich MPV statt Minivan zu fahren.

Die Reisekosten zur Präsentation des VW Golf Sportsvan in Saint-Tropez wurden teilweise vom Hersteller übernommen.

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