VW Golf I-VI:Generationswechsel

34 Jahre dauert die Erfolgsgeschichte des Wolfsburgers nun schon an - ein Grund, die Generation Golf noch einmal Revue passieren zu lassen.

Jörg Reichle

Nichts ist schöner als Erfolg - und nichts gefährlicher. Wenn an diesem Mittwoch in Wolfsburg offiziell der neue VW Golf vorgestellt wird, besteht Anlass, sich dies bewusst zu machen. 34 Jahre dauert die Geschichte des erfolgreichsten europäischen Automodells nun schon, und seine Rolle erschöpft sich keineswegs darin, den Volkswagen-Konzern aus ernsthaften Schwierigkeiten befreit zu haben.

Dennoch war es so. VW steckte 1974 tief im Schlamassel, nicht nur, weil die Ölkrise der westlichen Wachstumsgläubigkeit die ersten tiefen Schrammen verpasst hatte. Auch die zu lange gepflegte Monokultur des Käfers als bis dahin meistverkauftes Auto der Welt hatte sich für Volkswagen als fatal erwiesen. Einen Verlust von 807 Millionen Mark musste Vorstandschef Rudolf Leiding 1974 eingestehen, Ende des Jahres reichte er seine Demission ein.

Dabei war die Wende längst eingeleitet, VW hatte den Käfer-Nachfolger bereits auf die Bahn gebracht. Ende März 1974 rollte der erste Golf über den sogenannten Kontrollpunkt 8 des Wolfsburger Werks. Eine Revolution. Das offiziell "Mehrzwecklimousine" genannte Modell hatte eine von Giorgio Giugiaro in Italien gezeichnete, sehr einfache und geradlinige Form, einen von Audi produzierten, vorn quer eingebauten Motor mit Frontantrieb, wahlweise zwei oder vier Türen, eine Heckklappe und einen überraschend aufnahmefähigen Kofferraum. Er war deutlich kompakter als ein Käfer (der noch bis 2003 weitergebaut wurde), aber innen viel geräumiger.

Generationswechsel

Der Golf schlug ein, und wie. Allein von der ersten Modellgeneration wurden 6,8 Millionen Stück gebaut. Bereits 1979, nach fünf Produktionsjahren, hatten sich 807 Millionen Mark Verlust bei VW in 667 Millionen Mark Gewinn verwandelt. Und der Golf lief und lief und lief - noch erfolgreicher als der Käfer. Neue Modelle wie der bis heute als Urvater aller Sportlimousinen gefeierte GTI mit anfangs 110 PS bei nur 780 Kilogramm Leergewicht (er kam 1976) oder das Cabrio machten den Kompakt-VW zum Lieblingsauto der jungen Generation.

Volkstümliche Preise

Und nicht nur dieser. Seine dezente Form, die niemanden verprellte und über die Modellgenerationen hinweg in den wesentlichen Merkmalen nur vorsichtig geändert wurde, die Vielzahl seiner Varianten und die immer noch volkstümlichen Preise - selbst der schnelle GTI kostete anfangs nicht mehr als 13.850 Mark - machten den Golf zum klassenlosen Volks-Wagen im besten Sinne des Wortes. Vom Unternehmer bis zum Studenten: Golf konnte jeder fahren.

Generationswechsel

Raketenhaft stiegen die Produktionszahlen: 6,8 Millionen vom Golf I, von der nächsten Generation wurden 6,3 Millionen gebaut, vom Golf III zwischen 1991 und 1997 waren es noch 4,8 Millionen. Und der Golf IV schließlich schaffte das Überholmanöver: Am 25. Juni 2002 waren 21,5 Millionen Golf gebaut, erstmals mehr als vom Käfer. Längst hieß ein ganzes Marktsegment nach ihm "Golf-Klasse" und der Schriftsteller Florian Illies benannte eine ganze Generation von Deutschen nach dem Automodell. "Generation Golf" hieß der Bestseller im Jahr 2000. Längst gehört der Titel zum gängigen deutschen Sprachschatz.

Dass auch beim Golf der Preis eine immer stärkere Rolle spielt, musste Bernd Pischetsrieder, Vorgänger des jetzigen Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn, beim Golf V erfahren. Nach zähem Verkaufsstart musste erst Zubehör wie eine Klimaanlage in die Serienausstattung aufgenommen werden, bis der Preis bei der Kundschaft angenommen wurde. Das soll bei der sechsten Modellgeneration nicht mehr passieren. Für 16.500 Euro Basispreis wurde der neue Golf vor allem im Hinblick auf Komfort und Verarbeitungsqualität deutlich verbessert.

Außerdem ist Chefdesigner Walter de Silva eine zwar Golf-typisch gefällige, aber gleichzeitig signifikant neue Form gelungen. Der Golf wird zum Verkaufsstart Ende Oktober auch neue Motoren erhalten, die bis zu 28 Prozent weniger verbrauchen sollen und zwischen 80 und 170 PS leisten werden. Außerdem will VW-Chef Winterkorn den Golf durch eine Vielzahl von Assistenzsystemen aufwerten.

130 Konkurrenzmodelle

Dennoch zeigen die zurückgehenden Produktionszahlen, dass auch der Golf nicht von Krisen verschont blieb. Nicht nur, weil sich die Zahl der unmittelbaren Konkurrenzmodellle deutlich vergrößert hat. Waren anfangs nur etwa zehn ernsthafte Mitbewerber auf dem Markt, ist die Kompaktklasse heute das am schärfsten umkämpfte Marktsegment überhaupt. Mehr als 130 Modelle ringen um die - seit geraumer Zeit insgesamt nachlassende - Gunst der Käufer.

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