Fahrbericht:Wolf im Golf-Pelz

Wem ein Standard-Golf zu langweilig ist, der kann im TCR mit 290 PS schnell unterwegs sein. Die größte Überraschung aber ist: Die Rennsemmel kann auch ganz anders.

Von Felix Reek

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(Foto: MARTIN MEINERS; VW)

Der VW Golf GTI TCR (rechts im Bild) ist ein echter Rennwagen. Verbreiterte Kotflügel, ein riesiger Heckspoiler, Überrollkäfig und grelle Lackierung. 350 PS, von null auf 100 in 5,2 Sekunden, keine elektronischen Sicherheitsprogramme, die in das Fahren eingreifen, ein höllisch lauter Sportauspuff. Damit ist der Volkswagen-Konzern seit 2017 in der gleichnamigen Tourenwagenmeisterschaft unterwegs.

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(Foto: MARTIN MEINERS; VW)

Man sollte also davon ausgehen, dass die Straßenvariante ähnlich breitbeinig daherkommt, ein Tuning-Monstrum für den Alltagsgebrauch direkt aus Wolfsburg. Doch davon ist unser Testwagen weit entfernt. Es gibt am Heck eine Schürze mit Diffusor, einen winzigen Dachkantenspoiler und ein paar Leopardenflecken an den Seiten. Ganz dezent, in Schwarz auf Dunkelgrau.

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(Foto: www.martinmeiners.de; VW)

Premiere hatte der schnellste aktuelle Serien-GTI natürlich auf dem Wörtherseetreffen, dort wo sich die Anhänger der Marke traditionell versammeln, um all dem zu frönen, was ihnen an Serienautos zu harmlos, zu einfallslos erscheint. Hier werden mit viel Lust die eigenen Tuning-Ergebnisse präsentiert, Drifts färben den Asphalt schwarz, Subwoofer lassen Fensterscheiben erzittern. Aber ist der TCR wirklich etwas für all jene?

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(Foto: MARTIN MEINERS; VW)

Zumal die Unterschiede zum normalen GTI eher überschaubar sind: Er liegt ein wenig tiefer auf der Straße, die Bremsscheiben sind leichter, das Doppelkupplungsgetriebe DSG ist serienmäßig. Im Inneren gibt es noch ein paar Details, die den Kompaktsportler vom schnöden Massen-GTI absetzen sollen. Das Leder am Lenkrad ist von Löchern durchzogen, die es griffiger machen. Rote Zierstreifen ziehen sich durch das Interieur, wie auf den Sitzen oder an den Armaturen. Ansonsten kann der TCR alles, was der herkömmliche GTI kann. Und er sieht genauso aus.

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(Foto: Volkswagen)

Aber irgendwo muss er sich verstecken, der Rennwagen aus der Tourenwagenmeisterschaft, der die Vorlage für den TCR lieferte. Schließlich ist das Straßenauto beim Sprint von null auf 100 mit 5,6 Sekunden nur 0,4 Sekunden langsamer. Das macht sich zuerst beim Start bemerkbar. Der 2-Liter-TSI-Motor keucht heiser, das klingt nicht nach einem normalen Golf.

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(Foto: WWW.MARTINMEINERS.DE; VW)

Die straffe Federung gibt die ersten Bodenwellen ungefiltert an den Hintern des Fahrers weiter. Was auch an den Sitzen liegen könnte, die eher an ein Holzbrett erinnern als an eine Chaiselongue. Das Gaspedal reagiert unglaublich direkt, hier gibt es bei jedem Tritt laut dröhnend einen Schlag in den Nacken. Das ist mehr Chiropraktiker-Behandlung als ein komfortables Reisemobil. Aber das wollen die potenziellen Kunden des VW Golf GTI TCR offenbar auch nicht anders.

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(Foto: MARTIN MEINERS; VW)

Dazu passt, dass jedes Mal beim Runterschalten der Automatik das Zwischengas aufjault und der Turbolader knallt. Oder die Bordanzeige warnt, dass die Reifen kurz davor sind, durchzudrehen. Was sie allerdings nie tun. Die Antwort für alle, die die Straße mit einer Rennstrecke verwechseln, ist also: Ja, es lässt sich im TCR fahren, als wolle man das Erbe von Ayrton Senna antreten. Der Rat lautet aber auch: Das sollte man tunlichst bleiben lassen. Zumindest auf öffentlichen Straßen.

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(Foto: Volkswagen)

Vielleicht wirkt der TCR deswegen auch viel braver als der Rennwagen, mit dem er sich den Namen teilt. Weil er die meiste Zeit eben doch neben all den anderen "normalen" Autos im Straßenverkehr mehr steht als fährt. Was der TCR ohne Zweifel auch kann. Abseits des Sport-Fahrmodus sitzt und fährt es sich in dem aufgemotzten GTI durchaus bequem.

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(Foto: WWW.MARTINMEINERS.DE; VW)

Die Komfort-Einstellung hält genau das, was sie verspricht: Sie ist komfortabel. Das heisere Bollern des Motors verschwindet, ebenso das alberne Knallen des Turboladers. Der TCR fährt sich dann wie ein ganz normaler Golf, wenn auch in einer etwas sportlicheren Ausführung. Der Nacken entspannt sich, genauso wie die Ohren. Die Frage ist dann nur noch: Warum dann nicht gleich einen Standard-Golf kaufen, oder zumindest einen GTI? Weil in manchen von uns offenbar doch ein Rennfahrer steckt. Was vollkommen in Ordnung ist. Wenn er diese Leidenschaft da auslebt, wo er sonst niemanden gefährdet: auf der Rennstrecke. Technische Daten VW Golf GTI TCR DSG (Straßenversion): 2.0 TSI Vierzylinder-Turbo; 7-Gang-DSG; Leistung: 213 kW (290 PS), Beschleunigung von 0 auf 100: 5,6 Sekunden; Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h begrenzt, optional 260 km/h; , Verbrauch: 8,01 (laut Hersteller 6,7 Liter), Gewicht: 1.410 kg; Kofferraumvolumen: 380 Liter (1.270 Liter); Preis: 40.275 Euro. Das Testfahrzeug wurde der SZ-Redaktion vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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