VW Golf Cabrio im Test:Das Käsebrot unter den Cabrios

VW Golf Cabriolet

Das VW Golf Cabrio hat 2015 ein Facelift bekommen - dennoch stellt VW die Produktion in wenigen Wochen ein.

(Foto: Volkswagen AG)

Bald wird das Golf Cabrio nicht mehr hergestellt. Wir haben eine Abschiedsrunde gedreht.

Test von Jana Stegemann

Der offene Golf und ich, die enthusiastische Cabrio-Fahrerin: Um uns besser kennenzulernen, fahren wir nach Starnberg. An Bayerns Bilderbuchsee leben statistisch gesehen die meisten Einkommensmillionäre Deutschlands - und dort werden jährlich auch die meisten Cabrios zugelassen.

Schon an der dritten Ampel sind wir an diesem sonnigen Tag umstellt von illustren Artverwandten. Verstecken müssen wir uns nicht. Die Karosserie glänzt im warmen Walnuss-Ton und harmoniert gut mit den Ledersitzen in Crème. Das einstige "Erdbeerkörbchen" ist erwachsen geworden. Und doch passt der Golf mit Stoffdach eigentlich nicht nach Starnberg. Schließlich ist er das Käsebrot unter den Cabrios.

Niemand kann etwas für seine Eltern

Und dann hat er auch noch einen Dieselmotor. Zwar einen kräftigen mit 150 PS und maximal 340 Newtonmetern, aber eben auch einen nicht gerade drehfreudigen, nach Arbeitstier klingenden und deshalb langweiligen Antrieb. Der zudem in Zeiten von #dieselgate - trotz Euro-6-Einstufung - mit dem Stigma der Dreckschleuder behaftet ist. Aber hey, der offene Golf ist nicht umsonst seit 2012 das beliebteste Cabrio Deutschlands. Außerdem: Niemand kann etwas für seine Eltern.

VW Golf I Cabrio

"Erdbeerkörbchen" wurde das erste Golf Cabrio wegen des markanten Überrollbügels genannt.

(Foto: dpa-tmn)

Im Frühjahr 1979 wurde der erste offene Golf vorgestellt, manche Fahrzeuge rollen heutzutage also bereits als Oldtimer über die Straße. Bis 1993 avancierte er mit knapp 390 000 gefertigten Fahrzeugen zum meistverkauften Cabriolet der Welt. Als es dann auf Basis des Golf III auf den Markt kam, ließ das Interesse nach - so stark, dass es 2002 eingestellt wurde.

Nach neun Jahren Pause brachte Volkswagen ein neues Cabriolet heraus, diesmal abgeleitet von der sechsten Golf-Generation. Das ist seit vier Jahren nahezu unverändert auf dem Markt und hat 2015 ein Facelift bekommen. Doch das Make-up hat offenbar nicht gereicht. Es wird im Mai eingestellt. Das Modell sei am Ende seiner geplanten Bauzeit angekommen, es würden derzeit noch GTI-Versionen in einer Sonderfarbe gebaut, teilte Volkswagen mit. Damit ist der VW Beetle künftig das einzig verbleibende Volkswagen-Cabrio.

Gesamteindruck: sportlich-solide

Mit dem kultigen "Erdbeerkörbchen" von einst - in das in den Achtzigern Sascha Hehn als junger Arzt Udo Brinkmann ("Die Schwarzwaldklinik") hineinhüpfte und in dem ein sehr junger Pierce Brosnan alias Remington Steele Verbrecher jagte - hat es aber nicht mehr viel gemein.

Der markante Überrollbügel, der ihm den Beinamen einbrachte, fehlt, die Windschutzscheibe ist stärker geneigt, die Dachlinie flacher. Nur das typische freundliche VW-Gesicht ist geblieben. Der Gesamteindruck: sportlich-solide.

Statt mit klobiger Stahlfaltkonstruktion überrascht es mit elegantem Stoffdach, das bis 30 km/h auch während der Fahrt geöffnet und geschlossen werden kann. Auf Knopfdruck in neun Sekunden zum Sonnenglück. Die Innenausstattung ist unaufgeregt zweckmäßig, beinahe langweilig, in jedem Fall aber berechenbar. Damit ist jedenfalls jeder vertraut, der Anfang des neuen Jahrtausends einen Führerschein gemacht hat.

Ein Navigationsgerät, das nicht immer den sinnvollsten Weg anzeigt

Das Auto liegt zuverlässig und sicher auf der Straße, das Fahrwerk bietet guten Komfort und auch Steigungen meistert es dank seines kräftigen Dieselmotors mühelos. Ein großer Vorteil gegenüber vielen Mitbewerbern im Segment ist, dass vier Erwachsene komfortabel mitfahren können. Einen Minuspunkt gibt es von 1,80 Meter großen Fahrerinnen für die stark geneigte Windschutzscheibe, deren Rahmen dem Kopf sehr nahe kommt. Ebenso für das Navigationsgerät, das nicht immer den sinnvollsten Weg anzeigt. Der Kofferraum ist dank Z-Faltung des Daches für ein Cabrio mit 250 Litern geräumig - sperriges Gepäck bekommen aber wohl nur Koffer-Origami-Spezialisten durch die schmale Öffnung. Start-Stopp-Automatik und Blue-Motion-Technologie sorgen für sparsamen Verbrauch.

Fußgänger und Radfahrer können übrigens bei geringer Geschwindigkeit hören, was der Cabrio-Fahrer sagt. Wer beim Autofahren also bevorzugt flucht, schimpft und lästert, sollte sich daher ein wenig zurücknehmen.

Allerweltsauto aus Osnabrück - und bald Geschichte

Doch das wird nicht der Grund sein, warum das Cabrio-Segment seit Jahren mit einem Nachfragerückgang zu kämpfen hat. Im vergangenen Jahr wurden nur knapp 75 700 Cabrios zugelassen. Ende 2010 lagen die Neuzulassungen noch im sechsstelligen Bereich.

Klar, Deutschland ist nun mal nicht Spanien und der Sommer schaut nur gefühlt drei Wochen im Jahr vorbei - da drängt sich die Frage auf: Brauche ich überhaupt ein Cabrio? Und sind Autos nicht sowieso längst out, weil fiese Umweltverschmutzer? Liebe Öko-Hipster, Streifenkarten-Inhaber, Nicht-Führerschein-Besitzer-aus-Überzeugung: Cabrio fahren ist (nach dem Pferd) noch immer die schönste Methode, um von A nach B zu kommen. Von Frühling bis Spätherbst lässt sich gemütlich offen fahren. 15 Grad ist die Schmerzgrenze, auf der Autobahn wird es ab Tempo 150 km/h ein bisschen ungemütlich.

Besonders in lauen Sommernächten auf Landstraßen haben solche Touren nahezu meditative Wirkung. Entschleunigung durch Beschleunigung. Den Geruch von frischem Gras in der Nase, die Stirn leicht verbrannt, den Wind in den Haaren.

Und ja, das alles bietet auch das Golf Cabrio, dieses Allerweltsauto aus Osnabrück. Aus einem Käsebrot wird zwar kein Kaviar-Schnittchen, nur weil man das Dach öffnen kann. Aber wer hat schon immer Lust auf Fischeier - außer vielleicht die Starnberger?

Technische Daten VW Golf Cabrio 2.0 TDI BlueMotion:

R4-Dieselmotor mit 2,0 Litern Hubraum und Turboaufladung; Leistung 110 kW (150 PS); max. Drehmoment: 340 Nm bei 1750 - 3000/min; Leergewicht: 1505 kg; Kofferraum: 250 l; 0 - 100 km/h: 9,2 s; V max: 208 km/h; Normverbrauch lt. Werk: 4,2 - 4,3 l; CO₂-Ausstoß: 110 - 112 g/km; Euro 6; Grundpreis: 30 625 Euro

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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