VW Bus als Krankentransporter:Ein Rettungswagen, mit dem jeder gerne mitfährt

VW-Bulli-Krankenwagen von 1965 von den Würzburger Johannitern

Diesen VW-Bus-Rettungswagen von 1965 kauften die Würzburger Johanniter in der Schweiz.

(Foto: Marco Völklein)

Krankenwagen auf Basis des VW T1 sind selten geworden. Im Jubiläumsjahr zeigen die Würzburger Johanniter, wie das damals war mit 45-Watt-Blaulicht und nur einem Sanitäter an Bord.

Von Marco Völklein

Wenn Peter Graf von früher berichtet, dann klingt das so, als ob aus einer anderen Welt erzählt. Moderne Rettungswachen gab es damals nicht, Graf und seine Mitstreiter von den Würzburger Johannitern warteten in einem Tante-Emma-Laden auf ihre Einsätze. Zwischen den Regalen hatten die Ehrenamtlichen Feldbetten aufgestellt, alarmiert wurden sie per Telefon von der Polizei. Und wenn wenig los war auf den Straßen Unterfrankens, wunderte sich der Ladenbesitzer am nächsten Morgen, dass alle Schokoküsse weggefuttert waren.

Peter Graf erinnert sich noch an all das. Und an den ersten Rettungswagen, den sie damals, Mitte der Sechzigerjahre, bei der Johanniter-Unfall-Hilfe im Einsatz hatten. Einen VW-Bus der ersten Generation, VW-intern "Typ 2" genannt, von seinen Fans als "Bulli" verehrt. Luftgekühlter Boxermotor im Heck, Höchstgeschwindigkeit: 110 Stundenkilometer. Mit dem beige lackierten Fahrzeug absolvierte Graf, heute 65 Jahre alt, seine ersten Einsätze.

Damals saß er noch alleine auf dem Auto; eine Zweier- oder gar Dreierbesetzung, wie heute üblich, kannte man nicht. Am Unfallort musste Graf Passanten oder Polizisten um Hilfe bitten - gemeinsam lud man den Patienten ins Heck. Fand sich jemand mit Führerschein, bat Graf den Helfer, den Rettungswagen ins Krankenhaus zu steuern, während sich Graf im Laderaum um das Unfallopfer kümmerte. Fand sich niemand, der das Steuer übernahm, musste der Retter selbst fahren - und den Patienten im Spiegel beobachten. "Rückspiegelrettung" nannten sie das damals.

1969 fing Graf bei den Johannitern als ehrenamtlicher Retter an, zehn Jahre später wechselte er in den hauptberuflichen Rettungsdienst. Im Sommer 2015 ging er in Rente, doch noch immer ist er der Hilfsorganisation verbunden. Ganz besonders innig kümmert er sich um den Original-Krankenwagen aus den Sechzigerjahren, den die Würzburger Johanniter vor etwas mehr als 20 Jahren beschafften.

Einer von nur wenigen Original-Rettungswagen

Vorstandsmitglied Ralph Knüttel hatte lange nach einem Oldtimer aus den Anfangsjahren der Organisation gesucht, um die Entwicklung der Notfallrettung nachzuzeichnen. "Alle unsere Fahrzeuge hatten wir ja verkauft." Mitte der Neunzigerjahre wurde er in der Schweiz fündig: Die Bundesarmee wollte einen Wagen aus ihrem Zivilschutzbestand loswerden, mit Blaulicht auf dem Dach und beiger Rettungswagen-Lackierung. Mit Originaleinbauten aus Holz, einer Segeltuch-bespannten Patiententrage und einem herausnehmbaren Tragestuhl.

Die Würzburger Johanniter dürften eine der wenigen sein, die noch ein solches Original besitzen. Viele der einstigen Krankentransporter seien von den Käufern umgebaut worden, meist zu Campingbussen, sagt Knüttel. Ein Original-Rettungswagen war kaum zu bekommen. Dass er in der Schweiz doch einen fand, sei "ein Riesenglück" gewesen. Auf Oldtimertreffen und bei Veranstaltungen von Hilfsorganisationen zähle der Bulli mit dem markanten Kreuz an der Front zu den Hauptattraktionen, so Knüttel. "Da lassen die Leute jeden modernen Rettungswagen stehen." Der knuffige Transporter weckt Emotionen.

Tatsächlich ist der Bulli längst Legende. 2017 feiert Volkswagen den 70. Geburtstag des Transporters. Denn 1947 fertigte der niederländische VW-Importeur Ben Pon senior eine erste Skizze an. Pon hatte zuvor im Wolfsburger VW-Werk einige selbstgebaute "Plattenwagen" gesehen, die für den werksinternen Transport verwendet wurden. VW-Arbeiter hatten ausgemusterte Käfer-Versuchsfahrgestelle umgebaut und mit einer Ladefläche versehen. Pon griff die Idee auf - und regte an, auf einem Pkw-Fahrgestell einen Transporter mit viel Platz und ordentlich Zuladung (750 Kilogramm) zu entwickeln.

Der Bus wurde rasch zum Renner

In Wolfsburg wurde die Idee diskutiert, 1948 der erste Prototyp mit selbsttragender Karosserie vorgestellt, 1950 begann die Serienproduktion. Die Technik des Transporters fußte weitgehend auf der des VW Käfers: Heckantrieb mit luftgekühltem Vierzylinder-Boxermotor, der anfangs lediglich 25 PS schaffte. Nur das Fahrwerk musste stabiler dimensioniert werden.

Charakteristisch war die Front mit den V-förmig zulaufenden Sicken, dem großen VW-Emblem und der geteilten Frontscheibe. Fahrer- und Beifahrertür hatten Schiebefenster, den Laderaum erreichte man über eine Klappe im Heck sowie zwei Schwingtüren rechts. Der Bus wurde rasch zum Renner: 1956 wurde die Produktion von Wolfsburg in ein neues Werk nach Hannover verlegt, 1967 folgte mit dem T2 eine Weiterentwicklung, 1979 der zwar kantigere, aber nicht weniger charmante T3, ebenfalls mit Heckmotor.

Das Blaulicht ist eine 45-Watt-Glühlampe mit Drehreflektor

Diente der Bulli in seinen Anfangsjahren vor allem dazu, das Wirtschaftswunder in Schwung zu bringen, entwickelte er sich in den Siebzigerjahren auch zu einer Ikone der Popkultur. Camping-Fans reisten mit dem Bus durch alle Kontinente, Bands gingen mit ihm auf Tour, Hippies machten ihn mit aufgepinselten Blüten und Peace-Zeichen zu einem Statement.

Erst 1990 erschien ein komplett neuer Transporter: Motor und Antrieb wanderten nach vorn - das schaffte mehr Platz und eine durchgehende Ladefläche hinten. Zwei Radstände boten mehr Flexibilität. Zugleich verschwand aber auch das charakteristische Design der Vorgänger. Mittlerweile verkauft VW den Bus in seiner sechsten Generation. Nach Firmenangaben wurden bisher etwa zwölf Millionen Stück gebaut. Mit dem Auto aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren hat der heutige VW-Bus kaum mehr etwas gemein.

Wer sich zu Graf in den Johanniter-Bulli setzt und die Tür zuzieht, der erschrickt zunächst über das laute Krachen. "Ja", sagt Graf, "da knallt noch Blech auf Blech." Der Motor im Heck bollert laut vor sich hin; setzt Graf den Blinker, ist das Klack-Klack-Klack dennoch nicht zu überhören. Graf grinst: "Da schläft man nicht ein." Als Fahrer thront er hinter dem fast waagrecht montierten Lenkrad. Mit einem kleinen Hebel kann er das Blaulicht auf dem Dach einschalten, das aus nicht mehr besteht als einer 45-Watt-Glühlampe und einem Drehreflektor. Zieht Graf an einem Knopf, ertönt das elektrische Martinshorn. Im Winter sei es schon mal vorgekommen, erzählt er, dass die beiden Sechs-Volt-Hörner an der Front keinen Mucks mehr von sich gaben - weil der Schnee sich zwischen die Membranen gesetzt hatte. Die Retter mussten stoppen, den Schnee rausklopfen, sagt Graf: "Und dann ging es weiter."

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