Süddeutsche Zeitung

VW Beetle:Mit Spoiler, ohne Vase

Volkswagen bringt zum zweiten Mal einen Retro-Käfer auf den Markt. Der neue Beetle ist sportlicher und teurer - und soll den Weg an die Weltspitze ebnen.

Kristina Läsker

Der Herr neben dem silberfarbenen VW-Käfer strahlt. In schwarzer Hose, schwarzem Hemd und mit randloser Brille steht Klaus Bischoff auf einer Bühne in einem Pavillon in Berlin-Mitte und schwärmt. "Hier diese silberne Linie", sagt Bischoff: "Das ist eine Reminiszenz an das legendäre Trittbrett."

Der Mann muss so sprechen. Er ist einer der Chefdesigner von Volkswagen, und neben ihm steht eines der wichtigsten Produkte seiner Karriere: der neue Beetle. Das Auto ist der Enkel des Käfers, mit dem VW einst sein Image als volksnaher Konzern begründete. Von Herbst an wird Europas größter Autobauer den Käfer in Deutschland, den USA und Asien auferstehen lassen.

Das ist mehr als Nostalgie. In Hoffnungsmärkten wie China und Amerika soll der Beetle die Käufer begeistern und dem Konzern den Weg an die Weltspitze ebnen. Sein direkter Vorgänger, der New Beetle von 1998, konnte aus dem Nimbus des Käfers allerdings wenig Profit schlagen - das neue Modell muss es da besser machen.

Ansonsten wird es deutlich schwerer für die Wolfsburger, die ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Spätestens 2018 will Volkswagen die Nummer eins der Autowelt sein. Momentan gelingt tatsächlich einiges: Am Montagabend konnte VW-Chef Martin Winterkorn erneut Rekorde melden. Dieses Jahr will der Mehr-Marken-Konzern, zu dem neben VW unter anderem Seat, Audi und MAN gehören, erstmals mehr als acht Millionen Fahrzeuge verkaufen. "Ich gehe mal davon aus", sagt Winterkorn mit Blick auf diese Zahl knapp, nachdem er den Beetle in Berlin vorgestellt hat.

Der Neo-Käfer soll beim Sturm an die Spitze voranrollen - und Sympathien wecken: "Dieses Fahrzeug steht in einer legendären Tradition", sagt Winterkorn. "Es ist das Herz von Volkswagen."

Tatsächlich galt der Originalkäfer mit der runden Haube als günstig und robust, und er wurde geliebt. Ob Fusca, Maggiolino, Vocho oder Coccinelle - für kaum ein anderes Auto gibt es weltweit so viele Kosenamen. Und bis heute trumpfen ältere Fans damit auf, dass ein gerissener Keilriemen beim Käfer mit der Strumpfhose der Liebsten ersetzt werden konnte.

Schon 1938 rollte der erste Test-Käfer über deutsche Straßen, konstruiert von Ferdinand Porsche. Beim Debüt hieß er noch Kraft-durch-Freude-(KdF)-Wagen. Später begleitete der Käfer das Wirtschaftswunder. Rund um den Globus wurden mehr als 21,5 Millionen Stück ausgeliefert, der Originalkäfer gehört zu den drei meist verkauften Wagen aller Zeiten.

Trotzdem birgt die Neuauflage Risiken, VW hat diese Erfahrung 1998 mit dem New Beetle machen müssen. Das Interesse erlahmte bald, es wurden nur rund 122.000 Stück verkauft. In Europa galt er - vor allem im Vergleich zum Golf - als teuer und unpraktisch. Sein Design wirkte unentschlossen, noch immer waren Kofferraum und Sitzbank zu klein.

Nur in Amerika konnte der New Beetle punkten. Jeder zweite Retro-Käfer wurde in den USA verkauft. Es war die Generation Flower-Power, die sich für die Kopie mit der Blumenvase auf dem Armaturenbrett begeisterte. Aber die Liebe der Amerikaner zu ihrem Käfer ist ohnehin riesig, sie ließen ihn in vier Disney-Filmen als "Käfer Herbie" hochleben. Der Ritt auf der Retro-Welle funktionierte also im Spaßland Amerika - und floppte im technikverliebten Deutschland.

Die Chefdesigner haben daraus Konsequenzen gezogen. Zwar erinnert der neue Beetle durchaus an das Original - und doch ist er bewusst sportlicher gehalten. Die dritte Generation ist flacher, breiter, länger und hoch motorisiert.

Runde kulleraugige Lichter lassen den Ur-Käfer erahnen, doch das Putzige ist verlorengegangen. Verschwunden sind die runden Rückleuchten, verschwunden ist die Blumenvase am Armaturenbrett, gekommen ist der Heckspoiler.

"Wir wollten das Fahrzeug maskuliner, sportlicher und stämmiger auf die Räder stellen", erklärt Bischoff. Drei Jahre lang durften sich Entwickler und Designer austoben. Jetzt erinnert der Wagen eher an einen Porsche: Der Beetle soll die Männer locken, ohne die Frauen zu vergraulen.

Gebaut wird der Beetle wie sein direkter Vorgänger im mexikanischen VW-Werk in Puebla. Im September wird der Käfer in den USA beim Autohändler stehen, einen Monat später kommt er nach Europa, 2012 folgt Asien.

Billig ist er nicht: Hierzulande soll der Wagen zwischen 17.000 und 27.000 Euro kosten. Der Beetle ist also ein Lifestyle-Produkt für Gutverdiener. Für Fahrer, die sich Spaßwagen wie den Mini von BMW leisten. Winterkorn will den Mini-Absatz aber mit seinem flotten Käfer übertreffen.

Für VW dürfte der neue Beetle als Test dienen, ob sich nach der Enttäuschung mit dem ersten Retro-Modell doch Geld auf der Nostalgiewelle verdienen lässt. Kommt er gut an, dann könnte es in wenigen Jahren auch einen Retro-Bulli geben. Beim Genfer Autosalon haben die Volkswagen-Designer in diesem Frühjahr bereits eine erste Studie für einen VW-Bus mit Elektromotor vorgestellt.

Der Nostalgie-Bulli geriet auf Anhieb zum Publikumsliebling.

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SZ vom 13.07.2011/gf
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