VW-Abgas-Skandal:Überall Sonderangebote

L.A. Autoshow - Volkswagen

Auf dem VW-Messestand bei der L.A. Autoshow in Los Angeles

(Foto: dpa)

Die VW-Abgasaffäre erschüttert nicht nur den Konzern. Auch Kunden und Händler müssen mit den Folgen umgehen. Eindrücke aus VW-Autohäusern rund um den Globus.

Von M. Grzanna, L. Klimm, J.Schmieder und A. Slavik

Da ist zum Beispiel dieser Vertragshändler in Hamburg. 24 VW Golf mit Benzinmotor hat er derzeit in der Datenbank, außerdem vier weitere mit Dieselantrieb. So oder so müsse man sich aber keine Sorgen machen. "Das Auto muss irgendwann nächstes Jahr mal in die Werkstatt, das ist alles", sagt er. Er lächelt sein schönes Autoverkäufer-Lächeln. Ob man Wert auf eine bestimmte Farbe lege?

VW versinkt in der Manipulationsaffäre und spätestens seit dem vergangenen Wochenende ist klar: Die Probleme resultieren nicht nur aus einem großen Fehler, der vor Jahren begangen wurde, der das Unternehmen jetzt einholt. Nein. Auch Autos, die erst in diesem Jahr vom Band liefen, wurden mit falschen - zu niedrigen - Angaben über den Kohlendioxidausstoß versehen. Steuernachzahlungen stehen im Raum, Volkswagen hat angekündigt, für etwaige Nachforderungen aufzukommen.

Die wirtschaftlichen Folgen, die die Affäre um manipulierte Emissionswerte haben wird, sind nicht absehbar - für VW nicht, aber auch nicht für jene, die diese Autos verkaufen müssen. Rund um den Globus hängt die Existenz der VW-Händler davon ab, ob Kunden weiterhin VW fahren wollen. Die Voraussetzungen sind höchst unterschiedlich. Die Gemütszustände auch.

"Der Preis bleibt, wie er ist"

Beim Volkswagen-Händler von Versailles in Frankreich gibt man schon am Eingangstor alles. "Place à la confiance" heißt es auf einem Plakat, das für den neuen Polo wirbt. Frei übersetzt: "Darauf können Sie vertrauen." Drinnen, in dem Autohaus im Südwesten von Paris, haben die Verkäufer so ihre Mühe, das Vertrauensversprechen einzulösen. Wer sich zum Beispiel für einen Golf Diesel interessiert, Modell Carat 1,6 TDI, wird resolut daran gehindert, die Verbrauchsangaben des Wagens aufzunehmen: Eine Frau eilt herbei, um die Informationen zum CO₂-Ausstoß mit ihrer Hand zu verdecken. "Das darf nicht fotografiert werden!", sagt sie aufgeregt. "Diese Angaben gelten nicht."

102 Gramm CO₂ je Kilometer und 3,9 Liter Verbrauch auf hundert Kilometer steht dort. Doch dieser Golf Diesel gehört, wie ein Verkäufer einräumt, zu den Schummel-Autos von VW. Was denn nun der richtige Abgaswert ist, das können sie in Versailles auch nicht sagen. Wer weiß in diesen Zeiten schon, was bei Volkswagen stimmt und was nicht. Die Frau sagt: "Wir werden in Kürze anders zu dem Wagen kommunizieren." Was das heißen soll? "Na, anders halt!"

Hoffnungen auf einen höheren Rabatt solle man sich aber keine machen. "Der Preis bleibt, wie er ist", sagt ein Verkäufer. "27 990 Euro." Gegenüber dem Katalogpreis von 32 528 Euro ist das aber schon ein hübscher Nachlass. Seine Kunden, räumt der Verkäufer ein, seien zwar verunsichert wegen des Dieselskandals. "Die Leute wissen doch auch, dass alle Hersteller bei den Dieseltests schummeln."

"Das Gefühl, dass bei VW eine Beschiss-Kultur herrscht"

An assortment of Volkswagen Passat vehicles sit for sale at a Volkswagen dealership in San Diego

Ein Händler in San Diego in Kalifornien: Volkswagen wollte in den USA eigentlich deutlich mehr Autos verkaufen - dann kam der Abgas-Skandal.

(Foto: Mike Blake/Reuters)

Einer, der gerade dort eingekauft hat, ist ein Herr, der sich Christophe nennt. Der Geschäftsmann hat im Autohaus in Versailles allerdings keinen VW bestellt, sondern einen gebrauchten Renault Clio gekauft, für seinen Sohn. Das große Wort vom Vertrauen passt für ihn schon lange nicht mehr zu Volkswagen. "Mein Vertrauen ist zerstört", sagt er.

Christophe erzählt, wie er sich im Jahr 2011 mit dem Konzern streiten musste, weil etwas mit dem Dieselpartikelfilter seines VW Touareg nicht stimmte. Der Hersteller habe ihm nach einer Reparatur die Messdaten seines eigenen Wagens verschleiert und die Messung immer wieder auf Null gesetzt. "Die wollten einfach die Daten nicht rausrücken. Ich habe das Gefühl, dass bei Volkswagen eine Beschiss-Kultur herrscht", sagt er. "Ich war nicht überrascht, als jetzt der Abgasskandal ans Licht kam."

Es ist so, dass Christophe Volkswagen recht gut kennt: Er hat, sagt er, selbst einmal für die Finanzsparte gearbeitet. Und davor für ein anderes skandalerprobtes Unternehmen aus Deutschland: Siemens. "Die deutschen Konzerne fühlen sich manchmal so sicher in ihrer technischen Dominanz, dass sie überheblich werden. Und irgendwann meinen sie, sie können sich alles erlauben", sagt Christophe. In Wahrheit sei es mit der deutschen Qualität nicht so weit her. Christophe fährt jetzt übrigens einen Range Rover.

Für Greenpeace ist VW auf der dunklen Seite der Macht

Anders geht man die Sache in den USA an. Wer derzeit mit dem Auto durch Los Angeles fährt, der sieht hin und wieder eines dieser Plakate von Greenpeace. Auf den Plakaten ist der Todesstern abgebildet, der Inbegriff des Bösen aus den Star-Wars-Filmen. Der Todesstern ist mit dem VW-Logo überzogen - ein Hinweis darauf, dass sich das Unternehmen mit der dunklen Seite der Macht verbündet hat. Volkswagen als finsteres Imperium, das den Planeten zerstören möchte: Wer diese Plakate nicht lustig findet, der hat entweder keinen Humor oder arbeitet bei VW.

William Stennis arbeitet, wie er sagt, "beim größten VW-Händler diesseits des Mississippi". "Pacific Volkswagen" heißt dieser Händler, er befindet sich südlich von Downtown Los Angeles und wird mit überdimensionalen Schildern beworben, die wohl auch vom Todesstern aus noch zu sehen sind. Neben der Einfahrt weht die amerikanische Flagge, daneben eine ebenso große Fahne mit der Aufschrift "Sale". Hier soll es also etwas billiger geben als sonst. Das ist noch nichts Besonderes, in den USA ist immer irgendwo Sale. "Die Auswahl ist riesig", sagt Stennis, der einem unbedingt einen Beetle oder einen Golf verkaufen möchte: "Das Gelände ist 32 000 Quadratmeter groß. Sehen Sie sich um, Sie werden sicherlich was finden!"

"Der VW-Kunde ist einer, der gerne vergibt"

VW-Abgas-Skandal: Ein Showroom in Mexiko-City, 1986. Weltweit ist VW seit Jahrzehnten eine Marke.

Ein Showroom in Mexiko-City, 1986. Weltweit ist VW seit Jahrzehnten eine Marke.

(Foto: AP Photo/John Hopper)

Eine Handvoll Kunden sind da, sie begutachten vor allem die Gebrauchtwagen, einer schwärmt von deutscher Ingenieurskunst. Wie im Rest der USA auch kennen sie hier in Kalifornien vor allem drei Importe aus Deutschland: Bier, Autos, Rammstein. Die Autoverkäufe in den USA sind im Oktober um 14 Prozent gestiegen, die von Volkswagen nur um 0,2 Prozent - und das auch nur über kräftige Rabatte, von denen es noch mehr geben soll. "So wie ich das verstehe, wird vom Unternehmen gerade ein Plan ausgearbeitet", sagt Alan Brown, der Vorsitzende der amerikanischen VW-Händler-Vereinigung. Er hofft: "Der Volkswagen-Kunde ist einer, der gerne vergibt."

Darauf hoffen sie auch beim größten VW-Händler diesseits des Mississippi, sie bemühen sich dort um Normalität. "Die betroffenen Fahrzeuge verkaufen wir nicht mehr", sagt Stennis. Er habe bislang keine Probleme mit wütenden Kunden gehabt, es kämen auch nicht weniger Besucher. Er betont auch, dass die zahlreichen Rabatte in den Fenstern der Gebrauchtwagen keineswegs mit dem Skandal zu begründen seien: "Es gibt gerade eine Sonderaktion mit Neuwagen, deshalb gibt es Rabatte auf die anderen Fahrzeuge."

Rabattaktion zum "Tag der Singles"

Das freut auch den Mann, der kurz zuvor von den deutschen Autobauern geschwärmt hat. "Ich war vor ein paar Wochen hier, da hat dieses Auto noch 2000 Dollar mehr gekostet", sagt er und deutet auf einen drei Jahre alten Beetle, der nun für 15 995 Dollar feilgeboten wird: "Ich glaube, dass ich heute noch zugreifen werde." Warum es diese Rabatte gibt, das ist ihm egal, selbst wenn es wegen des Skandals sei: "Ich bekomme ein zuverlässiges Auto zu einem Preis, der vor ein paar Wochen unvorstellbar war. Alles wunderbar."

Wunderbar ist auch die Stimmung in Shanghai, wunderbar unaufgeregt. Kurz vor Ladenschluss, es regnet. Die Dämmerung setzt ein. Im "Automarkt für Luxusfahrzeuge für den Alltag" an der Dong'an Lu teilen sich fünf Hersteller die Ausstellungsräume. Volkswagen ist außer mit seiner Stammmarke VW auch mit Porsche dabei - für den Alltag chinesischer Kunden eben. Wem für den Sportwagen das Kleingeld fehlt, kann sich den New Touareg oder den Beetle anschauen. Zum 11.11., dem sogenannten Tag der Singles in der Volksrepublik, hat der Händler einen Steuernachlass angeboten. Das Angebot wurde jetzt bis Jahresende verlängert.

In China ist der Abgasskandal kein Thema

Eine junge Frau in dunkelblauem Kostüm mit Nachnamen Cai begrüßt die Kunden. Ja, sie sei bereit, über einen noch größeren Nachlass zu sprechen. Und 3 000 Punkte bietet sie für das persönliche Servicekonto. Die kann man hier einlösen, wenn der Wagen in die Werkstatt muss. Nur mit dem Diesel-Skandal hat ihr Entgegenkommen nichts tun, versichert sie. Die Kunden hier fragen nicht danach. "Noch kein einziger", sagt sie. Die gefälschten Abgaswerte interessieren hier fast niemanden. Dieselfahrzeuge werden sowieso nur importiert. Vom Rückruf des Konzerns werden kaum 2000 Kunden betroffen sein.

Ein Kunde namens Wang ist aber sicher, dass Volkswagen langfristig keinen großen Schaden davon trägt. Ein kleines Imageproblem in den USA, das könnte schon sein. Aber er glaubt ohnehin, dass sich das Schicksal der Unternehmen vor seiner Haustür entscheidet. "Wenn VW den Markt in China in den Griff bekommt, ist die Zukunft glänzend", prognostiziert er. Verkäuferin Cai beschäftigt sich derweil mit ihrem Smartphone. Sie gähnt. In zehn Minuten ist Feierabend.

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