VW-Abgas-Skandal:Regierungskommissare kommen zur Probefahrt nach Wolfsburg

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt in einem VW Golf

Verkehrsminister Dobrindt wird nicht selbst ins Steuer greifen - aber die von ihm eingesetzten Regierungskommissare.

(Foto: dpa)
  • Abgasaffäre: Volkswagen präsentiert Lösung für 1,6-Liter-Diesel-Motor .
  • Untersuchungskommission der Bundesregierung am Montag zur Probefahrt in Wolfsburg.
  • Am nächsten Freitag spricht VW bei den US-Behörden vor.

Von Thomas Fromm, Max Hägler, Klaus Ott, Wolfsburg

Wer Volkswagen in Wolfsburg besucht, der kann etwas erleben. Mit dem Auto durchs Wasser, über Treppen hinauf, oder gar einen Hügel mit 60 Prozent Steigung bezwingen: Der Parcours, den VW auf dem Konzernsitz am Mittellandkanal geschaffen hat, hat es in sich. Inklusive tiefen Gräben und riesigen Bodenwellen. Es ist beinahe wie ein kleiner Abenteuerurlaub, wenn auch nicht gerade billig. Eine Dreiviertelstunde im Geländewagen mit Allradantrieb kostet 35 Euro, für eine Gruppe ist's ein bisschen günstiger. Wer zusätzlich noch ein Sicherheitstraining bucht, erhält 20 Prozent Rabatt.

Die Reisegruppe aus Berlin und Flensburg, die am Montag zu Probefahrten in Wolfsburg erwartet wird, muss hingegen nichts zahlen und kommt auch nicht zum Vergnügen. Es handelt sich um die von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) wegen der Abgasaffäre bei VW eingesetzte Untersuchungskommission, die kontrollieren soll, wie Volkswagen bei seinen Fahrzeugen künftig die Schadstoffgrenzwerte einhalten will.

Es geht um den 1,6-Liter-Dieselmotor

Die Kommissare lassen sich vom Autokonzern regelmäßig Rapport erstatten. Der Termin am Montag ist besonders wichtig. Dann will VW nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR eine Lösung für den mittelgroßen 1,6-Liter-Dieselmotor präsentierten. Mit einem Testfahrzeug, das die Kontrolleure selbst steuern, wenn auch nicht über Stock und Stein. Sie sollen sich überzeugen, dass nun alles mit rechten Dingen zugeht. Keine manipulierten Messergebnisse mehr, aber auch keine Einschränkungen beim Fahrvergnügen.

Die Regierungskommission besteht aus Wissenschaftlern sowie Experten des Berliner Verkehrsministeriums und vom Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg. Geleitet wird sie von Staatssekretär Michael Odenwald. Das ist Dobrindts Mann für Feuerwehr-Jobs, der einspringt, wenn es brennt. Ob nun beim Berliner Flughafen oder bei VW. Der Konzern hat Odenwald und seinen Kommissaren bereits eine Lösung für den 2,0-Liter-Dieselmotor vorgestellt. Da hat es noch genügt, an der Software etwas zu ändern. Bei der 1,6-Liter-Variante ist das nach Angaben aus Konzernkreisen anders, da müsse auch am Motor selbst gearbeitet werden. Viel sei es aber nicht, jedenfalls sei kein Adblue-Katalysator nötig, wie Fachleute gemutmaßt hatten.

Die Maßnahmen sind "überschaubar"

Volkswagen ist zuversichtlich, dass die gefundene Lösung das Wohlwollen der Kommissare findet. Die europäischen Grenzwerte für Stickoxid könne man nun einhalten, heißt es aus dem Konzern. Die Umrüstung der Fahrzeuge mit den 1,6-Liter-Motoren sei technisch, handwerklich und finanziell überschaubar. Gleiches gelte für den Werkstattbesuch. Die dafür nötige Zeit sei ebenfalls "überschaubar". Mit dem 2,0- und dem 1,6-Liter-Motor habe man dann den weitaus größten Teil der Diesel-Fahrzeuge erfasst, bei denen die Messergebnisse verfälscht worden seien, um die Schadstoff-Grenzwerte einhalten zu können. Beim 1,2-Liter-Motor will VW dann in zwei Wochen so weit sein. Auch da wird bereits ein Probeauto vorbereitet.

Allein in Deutschland müssen im kommenden Jahr 2,4 Millionen Diesel-Fahrzeuge in die Werkstatt, um umgerüstet zu werden. In Europa sind es insgesamt 8,5 Millionen Fahrzeuge. Die meisten davon haben einen 2,0-Liter-Motor, dann folgt die 1,6-Liter-Variante. Beim kleinsten Motor, dem mit 1,2 Litern, sind nur einige hunderttausend Fahrzeuge betroffen.

VW macht "bisher einen ganz guten Eindruck"

Volkswagen hofft, die nun gefundenen Lösungen europaweit anwenden zu können, wenn man erst einmal die Kommissare aus Berlin und Flensburg überzeugt hat. Die von Dobrindt eingesetzten Experten bescheinigen VW, "bisher einen ganz guten Eindruck zu machen". Das besagen Angaben aus Regierungskreisen. Bei der Vorstellung der Lösung für den 2,0-Liter-Motor sei erst die alte Software vorgeführt worden, die zu den verfälschten Messergebnisse geführt habe, dann die neue Software. Auch da waren die Kommissare bereits Probe gefahren und sollen teilweise kräftig auf das Gaspedal gedrückt haben. Nun stehen die nächsten Runden bevor. Volkswagen schafft es offenbar, gerade so die vom Kraftfahrt-Bundesamt vorgegeben Stichtage einzuhalten. Beim 1,6-Liter-Motor ist das der 15. November, beim kleinen 1,2-Liter-Motor der 30. November.

Die Probleme beim Diesel in Europa könnten sich also beheben lassen. In den USA mit den weit niedrigeren Grenzwerten für Stickoxid sieht das anders aus. VW-Techniker wollen kommenden Freitag den US-Behörden einen konkreten Vorschlag für den 1,6-Liter-Motor unterbreiten. Und dann sind da noch die 800 000 Fahrzeuge, darunter auch Benziner, mit einem überhöhten Ausstoß des Klima-Schadstoffs Kohlendioxid. Es braucht noch viele Testfahrten in Wolfsburg

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