Vulkanasche im Luftverkehr:"98 Prozent der Flüge hätten stattfinden können"

Aschewolken nach Vulkanausbrüchen haben in den vergangenen Jahren zu massiven Störungen im Luftverkehr geführt. Neue Infrarot-Detektoren sollen künftig die unnötige Sperrung des Luftraums verhindern.

Andreas Spaeth

Der kleine Flugplatz Calatabiano auf Sizilien verfügt gerade mal über eine 500 Meter lange Graspiste und bietet ein paar Dutzend Ultraleicht-Sportflugzeugen einen Standort. Da fiel eine weitere kleine Einmotorige aus Deutschland so gut wie nicht auf, die hier Anfang Dezember 18-mal zu insgesamt 30-stündigen Testflügen startete - und damit eine wichtige Rolle für die weltweite Verkehrsluftfahrt spielen könnte.

Pilot Uwe Post steuerte die Maschine in bis zu 3650 Metern Flughöhe direkt auf die Flanken von Europas größtem aktiven Vulkan zu, dem Ätna. Er stößt derzeit eine weiße Aschewolke aus - und genau das war Anlass der Flüge für das Labor für Umweltmesstechnik der Fachhochschule Düsseldorf, die das Flugzeug des deutschen Typs Flight Design CT-SW betreibt. Post steuerte seine Maschine mitten in die Aschewolke hinein und besuchte auch den ebenfalls aktiven Vulkan Stromboli nördlich von Sizilien.

Mit dabei unter den Tragflächen: Zwei feuerrote, stromlinienförmige Kapseln, jeweils knapp einen Meter lang, auf denen in großen schwarzen Buchstaben AVOID zu lesen ist. Der Name steht für Airborne Volcanic Object Imaging Detector. In den Gehäusen befinden sich Infrarotkameras, die auf unterschiedlichen Frequenzen arbeiten und eine Aufnahme pro Sekunde liefern. Dank Filter und thermischer Detektoren ist es möglich, Aschepartikel in der Luft zu erkennen und von gewöhnlichen Wolken zu unterscheiden. Ähnlich wie beim herkömmlichen Wetterradar können die Messwerte dem Piloten als farbiges Display dargestellt und auch parallel am Boden analysiert werden.

Erfunden hat AVOID der Atmosphären-Wissenschaftler Fred Prata vom norwegischen Institut für Luftfahrtforschung. "Dieses Instrument an Bord eines Flugzeugs ist ein taktisches Werkzeug, das dem Piloten exakte Informationen gibt, was er vor sich hat", so Prata. "Auch wenn er weiß, dass irgendwo eine Aschewolke ist, kann er nun starten, sicher fliegen und die Aschewolke erkennen. Sollte sie an einer Stelle sein, wo sie den Vorausberechnungen nach nicht sein sollte, kann er ein entsprechendes Manöver einleiten und sie sicher umfliegen", so Prata.

Mit AVOID sollen Aschewolken bereits aus hundert Kilometer Entfernung und in Höhen zwischen 1500 und 15 000 Metern erkennbar sein. "Während unserer Tests in Sizilien konnten wir bereits nachweisen, dass AVOID aus Distanzen von bis zu 20 Kilometern fehlerfrei arbeitet", so Prata.

Reale Gefahr nur in zwei Prozent der Flüge

Die Unsicherheit über die tatsächliche Konzentration und Verteilung der Aschewolke vom Vulkan Eyjafjallajökull über fast ganz Europa, aber auch die realen Gefahren der ausgestoßenen Aschepartikel für Jet-Triebwerke hatten im April 2010 über eine Woche lang für Chaos im Luftverkehr gesorgt. Mehr als sieben Millionen Passagiere konnten nicht wie geplant in die Luft gehen. Auf 1,8 Milliarden US-Dollar schätzte der Weltlinienluftfahrtverband IATA die Einnahmeausfälle der Fluggesellschaften, der Verlust an Wirtschaftsleistung soll sogar rund fünf Milliarden Dollar betragen haben.

"Hätten die Entscheidungsträger im April 2010 gewusst, was wir heute wissen, hätten 98 Prozent der gestrichenen Flüge stattfinden können", so Prata. Nur in zwei Prozent der Fälle hätte die Aschekonzentration tatsächlich eine Gefahr für Flugzeuge bedeutet. Und die Gefahr von Störungen im Luftverkehr durch Vulkanasche bleibt real. Rund 30 Vulkanausbrüche werden weltweit pro Jahr verzeichnet.

Für Europa stellt vor allem Island ein Problem dar: Erst im Frühjahr 2011 brach dort der Vulkan Grimsvötn aus, Hunderte Starts mussten daher am 25. Mai in Norddeutschland abgesagt werden, bevor der Ascheausstoß versiegte. Jetzt fürchten Vulkanologen einen bevorstehenden Ausbruch des Katla, der bis zu zehnmal stärker sein könnte als die Eruption des Eyjafjallajökull.

"Die Auswirkungen könnten gewaltig sein, umso wichtiger ist die Einführung einer Technologie zur zuverlässigen Ermittlung von Aschepartikelkonzentrationen", erklärt Prata. AVOID, so betont er, sei dabei nur ein Teil eines Warnsystems, das sich auch auf Infrarot-Daten des europäischen Satelliten Seviri stützt sowie auf neueste atmosphärische Verteilungsberechnungen. Rund hundert Verkehrsflugzeuge sollen mittelfristig mit AVOID-Kameras ausgerüstet werden und so ein ständiges Beobachtungsnetzwerk bieten.

Im kommenden Jahr sind Tests mit Airbus geplant, zunächst soll eine A340 die Funktionsfähigkeit in großen Höhen nachweisen, die Zertifizierung durch die Zulassungsbehörde EASA wird für Ende 2012 angestrebt. Immer in der Hoffnung, dass der Katla bis dahin ruhig bleibt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: