Vorschriften und Bestimmungen:Unten ohne wird teuer

In Sachen Winterreifen gab es in letzter Zeit eine Menge Verwirrung. Was ist Pflicht, was ist erlaubt, was kostet Bußgeld, und bin ich mit Sommerreifen im Winter überhaupt versichert? Hier gibt es Aufklärung.

Sebastian Viehmann

Die Bilder des vergangenen Winters haben viele noch im Kopf: querstehende und hilflos umher schlingernde Autos, schwere Unfälle bei Eis und Schnee. Schuld waren nicht selten Autofahrer, die noch Sommerreifen aufgezogen hatten.

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Seit Mai gelten neue Vorschriften dafür, wie man seinen fahrbaren Untersatz wintertauglich machen muss.

(Foto: Grafik: sueddeutsche.de)

Damit soll vom kommenden Winter an Schluss sein: Seit Mai gelten neue Vorschriften dazu, wie man seinen fahrbaren Untersatz wintertauglich machen muss. Die oft fälschlicherweise als "Winterreifen-Verordnung" betitelte Gesetzesänderung schreibt aber genau eins nicht vor: Winterreifen aufzuziehen.

Das sagt die Straßenverkehrsordnung Stattdessen heißt es im neu gefassten § 2 in Absatz 3a der Straßenverkehrsordnung (StVO) wörtlich: "Bei Kraftfahrzeugen ist die Ausrüstung an die Wetterverhältnisse anzupassen. Hierzu gehören insbesondere eine geeignete Bereifung und Frostschutzmittel in der Scheibenwaschanlage."

Was eine geeignete Bereifung im Winter ist, hängt aber vom Einzelfall ab. Dazu Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee im Dezember vergangenen Jahres: "Es gibt auch künftig keine Winterreifenpflicht. Jeder Autofahrer ist dazu verpflichtet, mit geeigneter Bereifung unterwegs zu sein. Das kann je nach Wetterverhältnissen auch ein guter Sommerreifen oder ein Ganzjahresreifen sein."

Wer seinem Auto kein geeignetes Schuhwerk verpasst, riskiert 20 Euro Bußgeld. Kommt eine Behinderung des Straßenverkehrs hinzu, könnte die Strafe sogar 40 Euro plus 1 Punkt in Flensburg lauten.

Sommerreifen im Winter? Allein schon wegen der schwammigen Rechtslage sollte man es auch bei trockener Straße im Winter nicht riskieren, mit Sommerreifen unterwegs zu sein. Ein einsetzender Schneeschauer, und man bewegt sich schnell auf dünnem Eis - sowohl im wörtlichen als auch im juristischen Sinne.

Profil und Gummimischung von Sommerreifen sind weder für extreme Minusgrade noch für Eis und Schnee ausgelegt. Die Autoindustrie spricht von der "7-Grad-Grenze": Weil ab sieben Grad Celsius der Härtegrad der Sommermischung rasch ansteigt, sollte man schon bei solchen Temperaturen Winterreifen aufziehen.

Unten ohne wird teuer

Einige Reifenexperten halten allerdings dagegen, dass auch bei niedrigen Temperaturen ein Sommerreifen auf trockener Fahrbahn genügend Grip habe und der Winterreifen seine Vorteile wirklich nur bei Schnee und Eis ausspielen könne.

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Kürzel auf Kautschuk

(Foto: Foto: pressinform)

Ganzjahres-Pneus, M+S-Reifen oder Winterreifen? Da es für die Eigenschaften von Winterreifen keine klaren Definitionen gibt, behilft man sich oft mit zwei Merkmalen: dem Kürzel M+S und dem Schneeflocken-Symbol.

M+S: Steht für Mud and Snow (englisch für Matsch und Schnee). Auch Ganzjahresreifen tragen dieses Kürzel. Ganzjahresreifen mit M+S-Kennzeichnung seien im Prinzip Winterreifen mit Sommereignung, so der ADAC. M+S-Reifen sind auf nassen und glatten Fahrbahnen besser als Sommerreifen, haben aber nicht die Eigenschaften echter Winterreifen. "Im Rahmen der Winterreifentests zeigen Ganzjahresreifen Schwächen auf Schnee", stellt der ADAC dazu auf seiner Webseite fest.

Schneeflocken-Symbol: Das ist eine kleine Schneeflocke, umrahmt von einem gezackten Berg (Three Peak Mountain Symbol). In den USA gibt es seit 1999 ein standardisiertes Testverfahren mit Traktionstest für Winterreifen. Ein Reifen, der dieser Prüfung standhält, darf das Schneeflocken-Symbol tragen.

Recht in der Zukunft

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in Zukunft verhält, wenn es wegen ungeeigneter Bereifung im Winter zu einem Unfall kommt. Da sowohl M+S-Reifen als auch das Schneeflocken-Symbol anerkannte Gütesiegel sind, lässt sich zumindest vermuten, dass man mit derart gekennzeichneten Reifen auf der sicheren Seite ist.

Vorsicht ist aber im Ausland angebracht. In einigen Ländern, z. B. Finnland, sind Winterreifen zu bestimmten Jahreszeiten vorgeschrieben. In anderen Ländern (etwa Frankreich und Österreich) gibt es Winterreifen-Pflicht für bestimmte Straßen und Gebirgspässe. Bevor man die Winterreise ins Ausland antritt, sollte man sich also unbedingt über die aktuellen Bestimmungen informieren.

Unten ohne wird teuer

Auch mit Sommerreifen versichert? Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) empfiehlt Autofahrern, vor allem in schneereichen Gebieten Winterreifen aufzuziehen. "Selbstverständlich müssen sich diese in einem guten Zustand befinden - abgefahrene Winterreifen bieten den erwünschten Sicherheitsgewinn nicht", so der GDV.

Die Profiltiefe sollte mindestens vier Millimeter betragen. Mit dieser Empfehlung stehen die Versicherer nicht allein da - sowohl Reifenhersteller als auch unabhängige Reifen-Experten halten die gesetzlich vorgeschriebene Mindestprofiltiefe von 1,6 mm für zu gering.

Aber wie steht es mit dem Versicherungsschutz, wenn es knallt und man trotzdem mit Sommerreifen unterwegs war? "Den Schaden des Unfallopfers bezahlt die Kfz-Haftpflichtversicherung natürlich immer, auch dann, wenn nicht jahreszeitgemäße Reifen aufgezogen waren", teilt der GDV dazu mit.

Das gilt jedoch nicht unbedingt für den Schaden am eigenen Auto: "Bei der Vollkaskoversicherung könnte im Extremfall, beispielsweise dann, wenn man mit abgefahrenen Sommerreifen ins Hochgebirge fährt, bei einem Unfall grobe Fahrlässigkeit entgegengehalten werden. Denn nur dann, wenn der Vollkaskoschaden grob fahrlässig herbeigeführt wurde, muss die Versicherung nicht zahlen", so der GDV weiter.

Vielleicht noch wichtiger als die geeignete Bereifung dürfte allerdings im Schadenfall der Nachweis sein, dass man seine Geschwindigkeit und Fahrweise den Sicht- und Wetterverhältnissen angepasst hat.

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