Kombis im Vergleich:Touchen, swipen und ein bisschen fahren

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Große Schwächen leisten sich weder der Volvo V60 noch der Audi A4 Avant. (Foto: Audi/Volvo)

Der Volvo V60 markiert den Übergang vom Auto zum rollenden Smartphone. Ein riesiges Display steuert die meisten Funktionen. Der Audi A4 Avant ist bodenständiger - und doch das bessere Auto.

Von Felix Reek

Es wird der vor allem deutschen Konkurrenz in der Mittelklasse nicht gefallen, aber: Den schönsten Kombi auf dem Markt baut Volvo. Natürlich ist das reine Geschmackssache, aber so ein frisches und zeitloses Design wie beim V60 ist der deutschen Konkurrenz schon lange nicht mehr gelungen. Klare, elegante Linien, eine aggressive Front, nichts ist hier überflüssig. Der V60 unterscheidet sich selbstverständlich kaum von dem größeren Kombi V90 oder den SUVs XC60 und XC90, doch bei welcher Marke ist das heute nicht so? Ganz bestimmt nicht bei Audi, das mit dieser Einheitlichkeit einen Trend setzt. Ihnen wird noch heute vorgeworfen, ihre Autos sähen trotz diverser Modellwechsel seit Jahren gleich aus.

Wie zum Beispiel der A4 Avant. So etwas wie die Benchmark in der Mittelklasse. Das Design ist noch immer gefällig, nur unterscheidet es sich kaum vom Vorgänger. Das heißt aber auch: Wer den alten Avant mochte, dem wird auch die aktuelle Generation gefallen. Ihn gilt es zu übertrumpfen, wenn Volvo mit dem V60 neue Kunden gewinnen will. Die Voraussetzungen dafür sind gut. Denn der Audi A4 ist, vom Facelift 2018 einmal abgesehen, drei Jahre alt. In Zeiten der Digitalisierung auch im Automobilbau eine Ewigkeit. Der virtuelle Tacho des A4, der auf der IAA 2015 noch für Aufsehen sorgte, sieht gegen den Innenraum mittlerweile ziemlich altbacken aus. Statt vieler Knöpfe, Schalter und Displays gibt es dort ein großes, hochkant ausgerichtetes Display in der Mittelkonsole. Die Modelle von Tesla lassen grüßen.

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Hinzu kommt im Volvo noch ein ganzes Arsenal an Sicherheitssystemen. Schließlich verkündete der Hersteller öffentlichkeitswirksam, dass bis 2020 kein Mensch mehr durch oder in einem Volvo ums Leben kommen solle. Das ist natürlich utopisch, aber Schweden ist schon jetzt eines der Länder mit den wenigsten Verkehrstoten in Europa. Deswegen kann der V60 schon jetzt bis zu einem Tempo von 130 km/h autonom fahren, wenn die Fahrbahnmarkierung deutlich genug ist. Aus rechtlichen Gründen müssen die Hände aber am Lenkrad bleiben. Der Kombi erkennt Fußgänger, Radfahrer und die Umrisse bestimmter Tiere und greift im Notfall ein. Er bremst, wenn beim Ausparken ein Auto übersehen wurde. Hinzu kommen Assistenzsysteme, die die Spur halten, Verkehrszeichen erkennen und eine Kolission mit einem entgegenkommenden Fahrzeug vermeiden. Mehr ist im Moment technisch nicht möglich. Das meiste davon kann der A4 allerdings auch.

Eine weitere Gemeinsamkeit: Vom gewaltigen Ladevolumen, das einst den Ruhm der Kombis von Volvo begründete, ist wenig übrig geblieben. Zwar ist der eigentlich kleinere V60 mittlerweile so groß wie einst ein V70, doch der Kofferraum ist geschrumpft. Der bis 2016 gebaute Kombi schaffte 575 bis 1600 Liter, sein aktueller Nachfahre nur noch 529 bis 1441. Damit ist er in der Mittelklasse aber in bester Gesellschaft. Der BMW 3er Touring und die Mercedes C-Klasse T bieten nicht viel mehr Ladevolumen. Auch der Kofferraum des Audis ist nur unwesentlich größer: 550 bis 1510 Liter fasst er maximal. Für die meisten Einsatzgebiete im Alltag sollte das aber mehr als ausreichend sein.

Ein Unentschieden? Nicht beim Fahren

Schwächen haben beide Kombis sowieso kaum, es geht eher um Details. Der Volvo wirkt im Inneren etwas frischer als der Audi, dafür gibt es einige auffällig billig aussehende Plastikteile. Was ärgerlich ist bei einem Auto, das mindestens 37 500 Euro kostet (der Audi: 32 400 Euro). Der Avant leistet sich solch einen Fehler nicht. Trotzdem sind beide Kombis alles in allem tadellos verarbeitet. Auch an der Kombination aus Motor, Getriebe und Fahrwerk ist wenig auszusetzen. Die 190-PS-Diesel-Motoren beider Autos arbeiten in Kombination mit den automatischen Schaltgetrieben fast lautlos. Sie sind erstaunlich wendig und lassen sich steuern wie viel kleinere Autos. Die Fahrmodi, die eine sparsamere oder sportlichere Fahrweise ermöglichen, sind in beiden Kombis zu vernachlässigen. Die Spreizung ist einfach zu gering.

Klingt nach einem Unentschieden? Ist es aber nicht. Denn gerade wenn es ums Fahren geht, ist der Audi einfach besser abgestimmt als der Volvo. Der V60 brilliert als geradeaus rollender Gleiter. Optimiert auf maximale Unauffälligkeit. Der Mensch hinterm Steuer soll möglichst wenig vom Fahren mitbekommen. Der A4 hingegen ist viel aktiver, vermittelt ein besseres Gefühl für die Straße, liegt exakter in den Kurven. Beeindruckend, wie mühelos der Kombi aus Ingolstadt jede Bodenwelle schluckt.

Selbst die Bedienung ist viel intuitiver. Ja, auch der Audi erschlägt seinen Fahrer mit einem Zuviel an Sprachsteuerung, Tastensammelsurium und Zeichnen mit dem Finger. Aber die wichtigsten Funktionen lassen sich auch einfach über das Display im Tacho steuern. Der zweite Bildschirm in der Mittelkonsole ist eigentlich überflüssig. Der Volvo hingegen markiert die Entwicklung der Autos hin zu rollenden Smartphones, ein Display für alles. Das klingt in der Theorie verlockend, nur: So einfach zu bedienen wie ein Smartphone sind diese Bildschirme bisher bei keinem Automobilhersteller. Unzählige Funktionen und Untermenüs kosten viel zu viel Aufmerksamkeit. Der Fahrer touched und swiped und zoomt sich durch viele Seiten, während er doch eigentlich etwas ganz anderes machen sollte: sich auf den Verkehr konzentrieren. Das gelingt im Audi A4 Avant besser. Der leistet sich zum Beispiel noch den Anachronismus einer klassischen Bedieneinheit für die Heizung. Die ist auch ohne hinzusehen zu bedienen. Lang dürfte das allerdings nicht mehr der Fall sein. Im A6 und A7, den Limousinen darüber, gibt es die Drehregler schon jetzt nicht mehr. Stattdessen: drei Displays. Viel hilft ja bekanntlich viel.

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