Straßenverkehr:Warum Volvos Tempolimit ein Fortschritt ist

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Polestar war früher der Sportableger von Volvo und setzt nun ausschließlich auf Elektroautos. (Foto: Polestar/Volvo Cars)

Der schwedische Autohersteller hat früher als andere verstanden, wie entscheidend eine Geschwindigkeitsbegrenzung für die Weiterentwicklung bei Elektromobilität und autonomem Fahren wird.

Von Joachim Becker

Volvo nimmt den Fuß vom Gas. Kein Neuwagen der schwedischen Marke soll von kommendem Jahr an schneller als 180 km/h fahren. Offiziell ist die Unfallgefahr durch überhöhte Geschwindigkeit der Grund für Volvos eingebautes Tempolimit. Das Unternehmen hat sich schon lange dem Ziel der schwedischen Verkehrspolitik verschrieben: null Verkehrstote ab 2020. "Durch unsere Forschungen wissen wir, wo die Haupthindernisse auf unserem Weg zu unserem Ziel liegen, dass es zu keinen schweren Verletzungen oder gar Todesfällen in unseren Fahrzeugen mehr kommt", sagt Volvo-Vorstandschef Håkan Samuelsson. Doch die Studie, auf die er sich stützt, sieht die Hauptursachen für schwere Unfälle nicht allein im schnellen Fahren: Laut der US-Behörde für Straßenverkehrssicherheit sind 25 Prozent der Unfalltoten auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen. Besonders hohe Risiken bergen auch Trunkenheit am Steuer und Ablenkung des Fahrers.

Ist das eingebaute Tempolimit also eine überzogene Maßnahme? Gar eine Spaßbremse oder schlimmer noch eine Form von Freiheitsberaubung? Anfang dieses Jahres forderte eine Expertenkommission im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums ein Tempolimit auf Autobahnen als Maßnahme für den Klimaschutz. Auftraggeber Andreas Scheuer (CSU) war überhaupt nicht amüsiert. Der Bundesverkehrsminister sprach von einer Maßnahme "gegen jeden Menschenverstand". Eine knappe Mehrheit der Deutschen sieht das allerdings anders.

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Volvo-Fahrzeuge, die vom kommenden Jahr an hergestellt werden, sollen nicht mehr schneller als 180 Stundenkilometer fahren. Haben Autobauer das Recht oder sogar die Pflicht, mit der Technik in den Autos das Verhalten ihrer Fahrer zu verändern?

Laut einer repräsentativen Befragung von KfW Research von 2017 halten 81 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 67 Jahren ein Umdenken und Handeln zugunsten des Klimaschutzes für notwendig. 60 Prozent sprechen sich für eine reduzierte Höchstgeschwindigkeit aus. Frauen befürworten ein Tempolimit häufiger als Männer (70 Prozent zu 50 Prozent). Auch das Alter spielt eine Rolle: Die geringste Zustimmungsrate (35 Prozent) gibt es bei jungen Männern unter 30. Stoppen kann das die kontroverse Diskussion jedoch nicht.

Vor wenigen Wochen warnte VDA-Präsident Bernhard Mattes vor einem "Kreuzzug gegen das Auto": "Aus unserer Sicht gibt es keine guten Argumente für ein generelles Tempolimit", so der Oberlobbyist auf dem Neujahrsempfang des Automobilverbands. Der Trend zu immer stärker motorisierten Fahrzeugen scheint ihm recht zu geben: Der Durchschnitt liegt bei Neuwagen hierzulande bereits bei 153 PS - genug Leistung, um mühelos mehr als 200 km/h schnell zu fahren. Zumindest theoretisch, denn erlaubt ist das nur auf einigen Teilstrecken der deutschen Autobahnen.

Autobahn-Duelle sind für E-Autos ohnehin sinnlos

Volvo-Chef Samuelsson denkt da schon weiter. Er hat Polestar, den einstigen Sportableger der Marke, zum Label für Elektroautos gemacht. Und er hat verstanden, dass Autobahn-Duelle mit den Stromern keinen Sinn machen. Weil fahrzeugtaugliche Batterien nur einen Bruchteil der Energie speichern können, die in einen Kraftstofftank passt. Und weil der Fahrwiderstand nicht linear, sondern im Quadrat mit der Geschwindigkeit steigt. Reichweitenangst ist der Grund, warum viele Tesla-Fahrer freiwillig mit Autobahnrichtgeschwindigkeit unterwegs sind - obwohl sie Hunderte PS unter der Haube haben. Auch Mercedes hat das Tempo seines neuen Elektroauto EQC auf 180 km/h abgeregelt - weil sich die Reichweite auf einer kurzen Autobahnpassage sonst schnell halbieren kann.

Anders als der VDA meint, gibt es eine ganze Reihe von guten Argumenten für eine Deckelung der Höchstgeschwindigkeit. Die größten Fortschritte bei der Unfallvermeidung versprechen hochautomatisierte Fahrzeuge. Voraussichtlich kommendes Jahr werden die sogenannten Autobahn-Assistenten (Level 3) auch in Deutschland zugelassen. Auf den Fahrbahnen ohne Gegenverkehr sollen sie über längere Strecken und Zeit komplett selbständig zu fahren. Raser sind für diese umsichtigen und kooperativen Roboter jedoch ein Hindernis: Sobald die Differenzgeschwindigkeit zu hoch ist, haben Sensoren große Schwierigkeiten, von hinten herannahende Fahrzeuge sicher zu erkennen. Das verzögert ihre Entwicklung und macht sie unnötig teuer. Statt die Unfallzahlen mit einer breiten Durchdringung der weiterentwickelten Abstandstempomaten zu senken.

Maximal 180 km/h wären also ein sinnvoller Schritt auf dem Weg in die Zukunft: "Im Jahr 2030 wird die automobile Welt eine andere sein als heute", weiß auch Bernhard Mattes. Wenn er die automobile Besitzstandswahrung einmal beiseitelässt, kann auch der VDA-Präsident einem Tempolimit auf diesem Niveau nur zustimmen.

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Die Reduzierung der Geschwindigkeit wäre ein billiger Beitrag für den Klimaschutz. Außerdem machen Raser auf den Autobahnen allen anderen einfach nur Angst.

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