Neues Topmodell:Volvos nächstes Level

Lesezeit: 3 Min.

Der Polestar 3 ist ein sportliches Crossover-Coupé in der Fünf-Meter-Klasse: mit 500 PS und mehr als 600 Kilometer Normreichweite. (Foto: Polestar)

EX90 und Polestar 3: Beide Modelle werden vollelektrisch und autonom. Doch auch bei Reichweite und Design ist viel zu erwarten.

Von Joachim Becker

Volvo will von 2030 an ausschließlich Elektrofahrzeuge verkaufen. Doch bisher haben die Schweden an dezidierten, eigens entwickelten E-Plattformen nicht viel zu bieten. Das soll sich mit einem neuen Flaggschiff vom nächsten Jahr an ändern: Der Nachfolger des aktuellen Topmodells XC90 ist ein reines Elektroauto, das bald auch hoch automatisiert fahren kann. Unter dem Namen EX90 startet der fünf Meter lange Zwitter aus SUV und Kombi. Die neue Designsprache mit den großen Rädern und dem vergleichsweise niedrigen Dach hat Volvo im vergangenen Jahr zum ersten Mal gezeigt. Doch das Concept Recharge passt vom Format her eher zum Nachfolger des erfolgreichen XC60, der 2026 auf den Markt kommen soll.

Vergleichbar mit dem EX90 ist der Polestar 3: Erste Fotos des Plattformbruders zeigen ein sportliches Crossover-Modell, das mit seiner schmal zulaufenden Front und der gestreckten Kabine entfernt an einen Porsche Panamera Kombi erinnert. Die relativ niedrige Dachlinie macht das SUV-Coupé aerodynamischer und vergrößert dadurch die elektrische Reichweite. Die Passagiere behalten allerdings ihre erhöhte Sitzposition. Weil auch beim Volvo EX90 der Verbrennungsmotor entfällt und die Fronthaube schrumpft, können die Räder und der Passagierraum ebenfalls an Größe zulegen. In der luftigen Kabine mit dem Flachboden herrscht ein kühler Minimalismus wie bei Tesla: Ein großer, aufrecht stehender Zentralmonitor dominiert die nahezu Knopf-freie Armaturentafel.

Links der Polestar 2, daneben der Polestar 3 in der Rückansicht und ganz rechts das Konzept "Precept", das den Polestar 5 anteasert - eine sportliche Limousine. (Foto: Polestar)

Im Oktober will Polestar sein luxuriöses Elektro-SUV erstmals live präsentieren, am 9. November folgt die Premiere des Volvo EX90. Während Polestar den Sportsgeist betont, darf Volvos kommendes Topmodell etwas kantiger und solider auftreten, um ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. "Wir glauben, dass der Volvo EX90 der sicherste Volvo ist, der jemals auf die Straße gerollt ist", sagt Joachim de Verdier, der bei Volvo für die Safe Vehicle Automation verantwortlich ist. Die Technik ist bei den Topmodellen beider Marken weitgehend identisch: Der Volvo EX90 wird mit dem Polestar 3 in denselben Werken in China und in Ridgeville, South Carolina / USA produziert.

Highlights der beiden Superstromer sind Elektromotoren auf jeder Achse mit zusammen etwa 500 PS und einer großen Batterie mit ungefähr 100 kWh Kapazität, die eine Normreichweite von über 600 Kilometer ermöglichen soll. "Der Polestar 3 wird zu gegebener Zeit auch autonomes Fahren auf der Autobahn ermöglichen, unterstützt durch den branchenführenden Lidar-Sensor von Luminar und zentralisierter Nvidia-Rechenleistung", hat Polestar angekündigt. Nun gibt Volvo weitere Details zum Autopiloten preis. Die Schweden sprechen von den "fortschrittlichsten Sensorsystemen auf dem Automobilmarkt": Acht Kameras, fünf Radargeräte, 16 Ultraschallsensoren und ein Lidar-Sensor kommen im neuen Flaggschiff zum Einsatz.

Beim Volvo Concept Recharge prangt der Lidar-Sensor mittig über der Frontscheibe. Bei der Serienversion wird davon nur ein schmaler schwarzer Streifen übrig bleiben. (Foto: Volvo)

Der optische Sensor über der Frontscheibe, der die Umgebung mit einer eigenen Lichtquelle hochgenau erfassen kann, hat einen entscheidenden Vorteil: Er muss die Welt nicht wie ein Kamerasystem mittels Objekterkennung, also künstlicher Intelligenz, interpretieren, sondern misst die Entfernung so exakt wie ein Radarsystem. Diesem gegenüber hat der Lidar den Vorteil, dass er nicht nur metallische Gegenstände, sondern auch umherfliegende Plastiktüten oder Gummireifen auf der Straße sicher detektieren kann. Dadurch lassen sich Gefahren auch bei schlechter Sicht früher erkennen: Fast jeder dritte tödliche Unfall passiert bei Dämmerung oder Dunkelheit. Volvo will mit der Lidar-Technik die Zahl der Unfälle mit Todesopfern und Schwerverletzten um bis zu 20 Prozent senken.

Das umfangreiche Sensor-Set kommt bei allen EX90 zum Einsatz. Mit dieser Serienausstattung und dem Ziel "null Unfälle" setzt Volvo neue Sicherheits-Standards - allerdings dürften die Kunden derzeit nur in der (Ober-)Klasse bereit sein, den entsprechenden Preisaufschlag von mehreren Tausend Euro zu bezahlen. Perspektivisch kann das System aber noch mehr: Vom nächsten Jahr an dürfen hoch automatisierte Fahrzeuge mit Level 3 unter bestimmten Bedingungen auf der Autobahn nicht nur mit 60 km/h, sondern bis zu 130 km/h schnell fahren: "Wir bemühen uns gerade um die Zulassung nach diesen neuen Standards", bestätigt Joachim de Verdier.

Das Volvo Concept Recharge gibt einen Vorgeschmack vom Innenraum des kommenden EX90. (Foto: Volvo)

Wenn alles gut geht, könnte der EX90 schon ein Jahr nach dem Modellstart im Autopilot-Modus fahren. Bereits ausgelieferte Modelle sollen per Software-Upgrade dafür freigeschaltet werden. Über weitere Updates werden die Fähigkeiten des Systems sukzessive ausgebaut. Billig wird dieser eingebaute Chauffeur-Service allerdings nicht. Mittelfristig zeichnet sich schon der nächste Entwicklungsschritt ab. Der Chiphersteller Nvidia hat gerade angekündigt, dass er 2025 sein neues, hochintegriertes System Thor einführen wird, das sowohl das Infotainment als auch das automatisierte Fahren über einen zentralen Supercomputer steuert. Der Ersteinsatz findet bei Zeekr statt, der neuen chinesischen Luxusmarke des Geely-Konzerns - zu dem auch Volvo und Polestar gehören.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: