Volvo C30 Electric:Wie ein Hundeschlitten in Paris

Kältetest am Polarkreis: Volvo will der Welt zeigen, dass Elektroautos auch unter Extrembedingungen funktionieren. Doch trotz Kraftstoff-Zusatzheizung schrumpft die Reichweite auf knapp 100 Kilometer. Eine Testfahrt am Polarkreis.

Joachim Becker

Ein Elektroauto am Polarkreis ist ungefähr so sinnvoll wie ein Hundeschlitten in Paris. Die Batterien leiden enorm unter der Kälte und die Stromer fahren nur noch halb so weit. Das haben Tests von Fachzeitschriften in der jüngsten Kälteperiode bewiesen. Neun Stunden dauerte beispielsweise eine Fahrt von Köln nach Hamburg, weil der Nissan Leaf unterwegs ständig wieder aufgeladen werden musste. Bei minus 15 Grad verzichteten die entnervten Testfahrer schließlich sogar auf die Innenraumheizung. Um nach minimalen Reichweiten noch die nächste Ladestation auf der Autobahn zu erreichen, waren sie im Schleichtempo unterwegs und mussten das Eis innen von der Scheibe kratzen. Sieht so die Mobilität der Zukunft aus?

Grüner Schwede

Grüner Schwede: Unterwegs mit dem Volvo C30 Electric Drive in Nordschweden.

(Foto: STG)

Trotz gehöriger Zweifel haben wir uns zur Probefahrt nach Kiruna aufgemacht, einer der nördlichsten Industriestädte Europas. Statt des hier durchaus genutzten Hundeschlittens wollen wir den Volvo C30 Electric fahren: eines von fünf Testfahrzeugen, das die Wintertauglichkeit der Stromer beweisen soll. Und weil es in der Schneewüste noch nicht eisig genug ist, werden die Wagen in Kältekammern auf minus 25 Grad tiefgekühlt wie Fischstäbchen. Damit es den Passagieren nicht ähnlich ergeht, werden die Volvos in Minutenschnelle per Benzin-Zusatzheizung aufgetaut. Sprit statt im Motor in der Klimaanlage zu verbrennen - ist das die Lösung für umweltbewusste Fahrer? Für die Zulassungsbehörde zumindest ist die Sache klar: Fasst der Zusatztank nicht mehr als 15 Liter Kraftstoff, geht der Wagen als Nullemissionsfahrzeug durch.

Heizen mit Sprit, Fahren mit Akku

Zugegeben, der Benzinheizer braucht bei voller Leistung lediglich einen Liter Sprit pro 100 Kilometer. Merkwürdig ist es trotzdem. Der eigentliche Antrieb muss stattdessen rund acht Stunden lang aufgeladen werden. Bei weniger als 15 Grad sollte der Stromer sogar ständig am Energietropf hängen, damit die Batterien temperiert werden. Frieren die Zellen völlig durch, können sie vorzeitig altern. Gewöhnungsbedürftig ist auch die Tatsache, dass die zwölf Liter Sprit im Heiztank mehr als doppelt so viel Energie enthalten als die Traktionsbatterie. Bei einer Kapazität von 24 Kilowattstunden belastet sie den Volvo C30 mit 300 zusätzlichen Kilogramm. Wozu der ganze Aufwand (und die Batteriekosten von 16 000 Euro), wenn dem Akku nach weniger als 100 Kilometer in der Kälte der Saft ausgeht - und der Heiztank ist noch nahezu voll? Immerhin haben es die Passagiere beim Warten auf den Abschleppdienst dann schön warm.

Auch Volvo kann nicht verhindern, dass gewöhnliche Verbraucher in der kalten Jahreszeit wie Sitzheizung, Scheibenwischer, Navigationsgerät und die beheizte Heckscheibe die knappen Ressourcen zügig aufzehren. Der Volvo C30 Electric ist die Antwort auf eine Frage, die sich zumindest heimische Kunden der Schwedenmarke noch nicht gestellt haben. Dafür sind die Winter im hohen Norden zu lang und die Entfernungen oft zu weit. Das muss auch Annelie Gustavsson zugeben. Trotzdem beharrt die Produktmanagerin darauf, dass Volvo die Führung bei der Elektromobilität übernehmen wolle. Wie das mit einer Kleinserie von 250 Fahrzeugen zu erreichen ist, während Wettbewerber wie Nissan und Renault immerhin tausende Elektroautos verkaufen, bleibt unbeantwortet.

Zusammen mit Siemens wird Volvo demnächst eine zweite Kleinserie von 250 Fahrzeugen auflegen und dabei auch Elektromotoren der Münchner verwenden. Die Entscheidungen für eine Großserienproduktion von Elektroautos ist bei Volvo noch nicht gefallen. Dabei macht der C30 Electric schon einen reifen Eindruck, verwöhnt die Passagiere mit allem nötigen Komfort und fährt sich trotz seines Gewichts von knapp 1,7 Tonnen leichtfüßig und souverän. Das heftige Durchdrehen der Räder beim Anfahren auf schneebedeckter Fahrbahn macht klar, dass der Elektromotor sein volles Drehmoment sofort bereitstellt. Unter der Motorhaube arbeitet eine 111 PS (82 kW) starke E-Maschine mit einem maximalen Drehmoment von 220 Newtonmetern. Wie direkt sie auch bei höheren Geschwindigkeiten anspricht, macht richtig Laune.

Jeder Anflug von Fahrdynamik wirkt sich aber sofort auf die Restreichweite aus. So schwankt der Fahrer zwischen aktivem Fahrspaß und dem besorgten Blick auf die Cockpitanzeige. Die ständige Reichweitenangst mindert merklich das Hochgefühl, klimafreundlich unterwegs zu sein. Leisten können sich den Spaß sowieso die Wenigsten: Die Leasingrate für ausgewählte Kunden wird bei 900 Euro pro Monat liegen. Spritsparen war noch nie so teuer.

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