Volkswagen:Und jetzt den Chattanooga Choo Choo

Volkswagen? Kennt man in den USA! Dummerweise will die Autos dort keiner kaufen. Das soll sich ändern. Und zwar - zack, zack!

Thomas Fromm

Der Ferdinand Porsche Drive ist eine kleine Straße in Herndon, einem dieser Nester, die man vor Augen hat, wenn man versucht, sich in ein ganz normales Amerika hineinzuträumen.

Volkswagen, Getty

Das Image ist gut, der Bekanntheitsgrad hoch, aber leider stehen wir am Wochenende nicht immer auf der Shopping-Liste", sagt VW-US-Chef Jacoby

(Foto: Foto: Getty)

Ein Amerika ohne Subprime-Krise, ohne wirtschaftliche Abgründe, in dem glückliche Paare mit ihren Sportkinderwagen durch saubere Grünanlagen joggen. Ein kleiner Vorort von Washington, D.C., auf halber Strecke zwischen der Hauptstadt und dem Flughafen, wo elegante weiße Wohnsiedlungen auf Namen wie Woodland Park getauft werden und wo die Rasen der Vorgärten und die Parkplätze daneben dreimal so groß sind wie die Häuser.

Hier heißen Straßen Sunrise Valley Drive oder eben Ferdinand Porsche Drive. Hier lebt die Mittelschicht, die es geschafft hat. Hier gibt es kaum Arbeitslosigkeit. Und Stefan Jacoby, USA-Chef von Volkswagen, sagt, dass man hier glauben könne, es "gebe überhaupt keine Wirtschaftskrise".

Eine ideale Gegend also für eine USA-Zentrale. Noch vor ein paar Jahren residierte VW in Detroit, der Motorstadt - weil es immer so war, und weil dort alle großen Autokonzerne waren.

Schnell weg

Kurz bevor die Wirtschaftskrise richtig zuschlug und die amerikanischen Konkurrenten aus der Motorstadt wie die Domino-Steine nacheinander umfielen, verließen die Wolfsburger den größten Autofriedhof der Welt. Heute ist man wohl froh, dass man nicht mehr länger bei denen ist, die Milliarden vom Staat bekommen, um am Leben zu bleiben. Dann schon lieber in der Auto-Vorstadt von Washington, wo die Parkplätze üppig, die Vorgärten grün und das amerikanische Machtzentrum nur eine halbe Autostunde entfernt ist. Hier kann man auch Straßen nach Konzern-Urahnen benennen.

Von einer modernen Bürozentrale am Ferdinand Porsche Drive aus soll Stefan Jacoby jetzt die USA aufrollen. Zuerst nur ein bisschen, dann richtig. 2009 noch verkauften die Deutschen 213.000 Autos in den USA. 2013 sollen es doppelt so viele sein, 2018 dann wollen die Deutschen die Schallmauer von 800.000 Autos durchbrechen. "Das Image ist gut, der Bekanntheitsgrad hoch, aber leider stehen wir am Wochenende nicht immer auf der Shopping-Liste", sagt Jacoby. Zuletzt wurden die Shopping-Listen ohnehin immer kürzer - und zwar für alle. 2005 verkauften die Hersteller in den USA noch 17 Millionen Autos, 2009, im Krisenjahr, waren es gerade noch zehn Millionen. VW hofft in diesem Jahr auf einen Markt mit 11,5 Millionen Autos - und will davon möglichst viel abbekommen. Zuletzt stieg der Marktanteil von VW in den USA von 1,6 auf zwei Prozent - fast eine homöopathische Größe, aber Jacoby sieht seine Chance: "Die Trendwende ist eingeleitet", sagt er.

Die Wolfsburger wissen selbst, dass es nicht leicht sein wird, den US-Markt in den Griff zu bekommen. Für den Marktführer aus Deutschland ist Übersee Auto-Peripherie. Was in Europa Mainstream ist, hat auf der anderen Seite des Atlantiks nicht selten Exotenstatus, wie Golf GTI, Passat, Tiguan. Zudem, meint ein VW-Manager, seien die USA "ein künstlicher Markt".

Hier, wo der heimische Rivale General Motors mit Milliarden an Staatshilfen hochgepäppelt wird und seine Fahrzeuge leichter und billiger in den Markt drücken kann, gelten zurzeit andere Gesetze als in Europa. Aber wer wie Volkswagen bis zum Jahre 2018 den weltgrößten Hersteller Toyota vom Thron stürzen will, kommt um die USA, dem nach China zweitgrößten Automarkt der Welt, nicht herum - und muss hier sein Händlernetz kräftig erweitern und ein Massenhersteller werden. Acht Modelle haben die Wolfsburger in den vergangenen zwei Jahren auf dem US-Markt lanciert; in diesem Jahr soll ein neuer Jetta Marktanteile holen.

Der große Coup aber soll von 2011 an aus der tiefen Provinz heraus gestartet werden. In Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee baut der Konzern zurzeit ein großes Werk - erstmals seit über 20 Jahren will man wieder vor Ort bauen. Ab 2011 sollen hier 150.000 Fahrzeuge des eigens für den US-Markt konzipierten neuen Mittelklasse-Modells (New Midsize Sedan) vom Band rollen; eine Milliarde Dollar wird hier gerade investiert. "Wir wollen uns mehr amerikanisieren", sagt Jacoby. Vor Ort produzieren, regionale Zulieferer einbeziehen und damit die Dollarschwäche umschiffen - das ist das Rezept.

Allerdings kämpft VW nicht allein um den amerikanischen Markt - andere ausländische Hersteller wie Hyundai, Honda und die deutschen Hersteller Mercedes und BMW stehen in den USA noch vor VW. Der kostspielige Kampf um Marktanteile hat seinen Preis: Noch vor der Krise peilte VW in den USA Gewinne für 2009 an. Inzwischen ist klar: Profitabel wird die Mission Amerika wohl erst 2013 - wenn alles gut läuft.

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