Volkswagen-Skandal:Auch Audi hat Manipulations-Software in USA eingesetzt

Audi

Das Audi-Logo prangt in Frankfurt am Main an der Fassade eines Autohauses.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Audi gesteht ein, in den Drei-Liter-Dieselmotoren ihrer Luxusautos eine Software eingebaut zu haben, die Schadstoffwerte schönt. Für den neuen VW-Chef Müller ist dies ein Desaster.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Die Mitteilung, die der Ingolstädter Autobauer Audi am Montag zu beinahe schon nachtschlafender Zeit verschickte, wimmelt nur so von Spezialbegriffen. Wahrscheinlich haben beide Dinge - die ungewöhnliche Uhrzeit und das viele Fachchinesisch - ihren guten Grund: Sie sollen davon ablenken, dass in den gerade einmal 28 Zeilen der nächste Offenbarungseid in der nicht enden wollenden VW-Abgasaffäre versteckt ist.

In dem Schreiben gibt Audi - auch im Namen der Konzernmutter VW und der Schwester Porsche - erstmals zu, dass der Konzern nicht nur in die Mittel-, sondern auch in die Oberklassewagen der drei Marken eine Software zur Manipulation der Schadstoffemissionen eingebaut hat. Genau das hatten die US-Umweltbehörden EPA und Carb schon vor Wochen behauptet, und genau das hatte Volkswagen bis in die letzten Tage hinein stets bestritten.

Stattdessen hatte das Unternehmen behauptet, man habe den Einsatz eines sehr wohl zulässigen Computerprogramms zur Steuerung der Abgasanlage, einer sogenannten AECD ("Auxiliary Emissions Control Device"), bei der Anmeldung in den USA nur nicht ausreichend dokumentiert. Für Außenstehende klang das so, als habe ein schusseliger Mitarbeiter vergessen, ein Blatt Papier bei den Genehmigungsbehörden einzureichen.

Audi hat Details bewusst verschwiegen

Seit Montagabend steht fest: So war es nicht. Vielmehr räumt die Ingolstädter VW-Tochter, die konzernintern für den Bau der Drei-Liter-Motoren zuständig ist, zwischen all dem Technik-Geschwurbel ein, "dass insgesamt drei AECD im Rahmen der US-Zulassungsdokumentation nicht offengelegt worden waren". "Nicht offengelegt", das heißt: Die Programme oder Programmteile, die einzeln von den US-Behörden genehmigt werden müssen, wurden bewusst verschwiegen.

Doch es kommt noch schlimmer: Eines der drei Programme "wird nach geltender US-Gesetzgebung als 'Defeat Device' betrachtet", so die Audi-Verantwortlichen. Es handelt sich also, wie in den Millionen betroffenen Motoren mit zwei Litern und weniger Hubraum, um Abschaltvorrichtungen, die offenbar dafür sorgen sollten, dass die Pkw auf dem Prüfstand andere, nämlich um ein Vielfaches bessere Abgaswerte anzeigen, als sie im täglichen Straßenverkehr produzieren.

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Desaster für den Volkswagen-Chef

Nach früheren Angaben von Volkswagen wurden seit 2009 etwa 85 000 VW-, Audi- und Porsche-Pkw mit Drei-Liter-Motor in den USA ausgeliefert. Das Aufspielen der neuen Software wird laut Mitteilung "einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag" kosten.

Die Nachricht aus Ingolstadt ist für den neuen VW-Konzernchef Matthias Müller ein Desaster: Anders als die Manipulationen selbst kann er die Behauptung, es habe in den Oberklassewagen keine Abschaltungseinrichtung gegeben, nicht mehr seinem zurückgetretenen Vorgänger Martin Winterkorn in die Schuhe schieben.

Sie stammt vielmehr bereits aus seiner, Müllers, Amtszeit. Entweder wurde also bei VW nach dem Wechsel an der Konzernspitze weiter gelogen, oder aber die Firmentochter Audi hat den neuen Chef hinters Licht geführt. Noch kurz vor der Veröffentlichung der Mitteilung hatte Müller erklärt, der Aufwand für die Nachrüstung sei "technisch, handwerklich und finanziell überschaubar" (mehr in diesem SZ-Text).

Audi also: Wochenlang hatte sich das einstige bayerische Vorzeigeunternehmen hinter vorgehaltener Hand als Opfer der VW-Kollegen stilisiert, deren manipulierte Motoren man auch in den A3 habe einbauen müssen. Nun zeigt sich: In Ingolstadt waren offensichtlich ebenso Abgasfälscher am Werk wie in Wolfsburg.

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