Süddeutsche Zeitung

Vespa:Italienische Momente

Die historischen Vespa-Roller haben längst weltweit eine Fangemeinde, werden teuer gehandelt und sind inzwischen immer seltener zu finden.

Dirk Engelhardt

Sein bestes Stück ist eine dunkelgrüne Sprint aus dem Jahr 1971, die aber demnächst wieder richtig aufgemöbelt werden muss. "Und zwar im originalen Racing Green" - da kennt Thomas Vludarczik, 40, keine Kompromisse.

Aber in Not ist der Vorsitzende des Berliner Vespa-Klubs Vespalinge - von seinen Freunden "Vludi" genannt - nicht: Er besitzt noch eine Vespa PX 200 aus dem Jahr 1983, vergleichsweise ein Youngster.

"Mit den alten Rollern macht das Fahren einfach mehr Spaß, man ist aktiver und die Roller machen auch mehr Geräusch", fasst Vludi seine Erfahrungen zusammen. Und die sind umfangreich - bereits mit 18 ist er dem Mythos Vespa mit Haut und Haar verfallen.

Faktor Erotik

Wie der VW Käfer, die Ente von Citroën oder der Renault R4 haben auch die klassischen Vespas seit langem eine weltweite Fangemeinde. Spätestens 1952 machten Gregory Peck und Audrey Hepburn mit ihrem Film "Ein Herz und eine Krone" aus dem Fahren mit dem wendigen Zweirad für alle Welt ein Lebensgefühl.

Heute pflegen und hegen Vespa-Klubs zwischen Kalifornien und Indien ihre Blechroller; Typenbezeichnungen wie PX 200, Vespa 125 Primavera, Vespa 125 Hoffmann, Vespa 150 GS oder Vespa 150 Sprint Veloce lassen Augen wahrer Kenner leuchten.

Und aufgrund der steigenden Nachfrage steigt auch der Wert der betagten Fahrzeuge: Waren vor zehn Jahren die alten Modelle zum Preis von wenigen hundert D-Mark fast ein Schnäppchen, muss man heute für die historischen Roller mit Originallackierung zwischen 2000 und 4000 Euro anlegen; die begehrte SS-Reihe wird sogar mit bis zu 10.000 Euro gehandelt.

So praktisch die heutigen Modelle mit Elektro-Starter und Automatikgetriebe auch sein mögen - nur dem guten, alten Blechroller mit der Lampe über dem Vorderrad, dem Reserverad neben dem Hinterrad und seinem rissigen Polsterbuckel haftet jene zarte Erotik an, die echte Oldtimer verströmen.

Damenhaftes Motorrad

Auf den erotischen Faktor setzte man übrigens bei Piaggio schon beizeiten: So erreichte die Auflage des italienischen Vespa-Kalenders mit seinen Pin-up-Girls in den fünfziger Jahren eine Auflage von 275.000 Exemplaren; zusätzlich brachte man noch eine 900.000 Stück umfassende Pocket Edition unters Volk.

Die historischen Blätter mit Roller-Beautys vor den New Yorker Wolkenkratzern oder Hula-Schönheiten, die ihre langen Beine grazil an den Roller schmiegen, sind längst gefragte Sammlerstücke.

Für die Menschen der Nachkriegszeit waren die motorisierten Zweiräder ein erschwingliches Fortbewegungsmittel. Und weil bei den italienischen Fabriken die Kapazität nicht ausreichte, um den deutschen Markt zu bedienen, suchte man Kooperationspartner in Deutschland. Die erste sozusagen deutsche Vespa entstand dann 1950 bei den Hoffmann-Werken in Lintorf bei Düsseldorf.

Das Geschäft lief glänzend an - bereits vor der Auslieferung des ersten Rollers hatte man hierzulande durch geschickte Werbung die Nachfrage derart angeheizt, dass die gesamte Jahresproduktion im Vorhinein verkauft war. Und auch die Presse gab sich begeistert: Die Vespa sei "der geglückte Versuch, das Motorrad damenfähig zu machen", notierte 1950 das Handelsblatt.

Motoröl selber mischen

Liebevolle Handarbeit ist bei den Oldies vonnöten. Dazu gehört auch das Betanken: Da die Roller von Zweitakt-Motoren angetrieben werden, ist es unabdingbar, das Öl und Benzin im richtigen Verhältnis zu mischen. Die Formel lautet 1:50 - das heißt, dass zu den fünf Liter Normalbenzin, die ein Rollertank fasst, exakt 0,1 Liter Motoröl gefüllt werden müssen; die Skalierung auf den Ölflaschen macht das möglich.

Marco Bottke und Mike Pakzad, die in Berlin den Motorrollerladen Blechreiter betreiben, raten ihren Kunden, sich das Gemisch selber zu mixen und nicht an den Spezialtanksäulen den bereits fertig vorbereiteten Treibstoff zu tanken: "Das im Handel erhältliche Motoröl ist hochwertiger."

Und noch einen Rat geben sie ihren Kunden immer mit auf den Weg: "Um kleinere Reparaturen an Ort und Stelle auszuführen, sollte man immer eine Glühbirne, eine Zündkerze, einen Kerzenschlüssel und je einen Bowdenzug für Schaltung und Kupplung im Gepäck haben."

Um sich den Blechroller-Gefühlen vollends hingeben zu können, heißt es aber, keine Zeit verlieren. "Blechroller werden von Jahr zu Jahr begehrter und teurer, weil auch die Italiener selbst mittlerweile deren Wert zu schätzen wissen", wissen die Blechreiter. Freunde der Originale sollten sich also sputen: Irgendwann wird der letzte Blechroller in einer Garage verschwunden sein.

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Quelle:
SZ vom 18.2.2006
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