Süddeutsche Zeitung

Ratgeber:Versicherungsschutz für Radfahrer

Lesezeit: 3 min

Immer mehr Unternehmen versprechen mit Fahrradschutzbriefen schnelle Hilfe im Pannenfall. Doch die Angebote haben ihre Tücken.

Natürlich hatte Volker Schmelter das Kleingedruckte nicht gelesen. "Wer liest das schon?" Er vertraute darauf, dass ihn der Auto Club Europa (ACE) schon holen wird, wenn er eine Fahrradpanne haben sollte. Schließlich enthielt seine Comfort-Mitgliedschaft (Jahresbeitrag: 88,70 Euro) auch einen Fahrradschutzbrief. Vor einigen Monaten dann übersah Schmelter, der nicht mit seinem richtigen Namen zitiert werden möchte, ein Schlagloch, krachte mit Wucht hinein, die Felge war danach hin, die Luft aus dem Schlauch entwichen. Und Schmelter auf den ACE angewiesen. Doch der teilte ihm am Telefon mit: Der Ort seiner Havarie liege nur sechs Kilometer von Schmelters Wohnort entfernt. Und laut den Versicherungsbedingungen rücke man nur außerhalb eines Mindestradius von zehn Kilometern um den Wohnort des Versicherten herum an. Schmelter musste sich ein Taxi rufen, um sein schweres Lastenrad zu transportieren. Und war danach erbost: "Wozu habe ich einen Schutzbrief, wenn der mich nicht schützt?"

Was Schmelter erst im Nachhinein feststellte: Bei vielen Anbietern von Fahrradschutzbriefen gibt es solche Regeln. Und daneben noch viele weitere Dinge, auf die man achten sollte. Seit immer mehr E-Bikes unterwegs sind, tummeln sich auch immer mehr Anbieter von Radschutzbriefen auf dem Markt. 2016 begann der Radfahrerklub ADFC damit, auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat ein entsprechendes Angebot. Zudem haben Automobilklubs wie der ACE, der Automobil-Club Verkehr (ACV) oder der Auto- und Reiseclub Deutschland (ARCD) Radler als Zielgruppe entdeckt. Nur der ADAC zögert noch. Deutschlands größter Automobilklub leistet seinen Mitgliedern zusätzliche Pannenhilfe lediglich bei Zweirädern, die ein Versicherungskennzeichen benötigen, also beispielsweise bei S-Pedelecs.

20 Euro für einen Schutzbrief

ARCD-Sprecher Thomas Schreiner sieht in dem zum August eingeführten Angebot auch eine Reaktion auf das in der Corona-Krise veränderte Mobilitätsverhalten vieler Menschen: "Die vergangenen Wochen und Monate haben gezeigt, dass Fahrradfahren immer beliebter wird." Der Schutz der Klubmitglieder müsse unabhängig vom gewählten Verkehrsmittel gewährleistet sein. Folglich verlangt der Klub für den Radschutzbrief keinen Aufpreis. Er ist in der Klubmitgliedschaft enthalten, die für Autofahrer Pannen- und Unfallhilfe in Europa bietet - so wie bei den meisten anderen Clubs auch. Teilweise können Leistungen zugebucht werden.

ADFC-Einzelmitglieder zahlen 56 Euro (Familien: 68 Euro). Beim VCD werden neun Euro monatlich zuzüglich einer Jahresgebühr von 60 Euro fällig, um im Notfall Pannenschutz zu bekommen. Radler können aber auch günstiger wegkommen, wenn sie den Schutzbrief als Einzelbaustein abschließen. Jährlich 19,90 Euro verlangt zum Beispiel die Roland Schutzbrief-Versicherung. Deren Fahrradschutzbrief vermarktet auch die HDI-Versicherung. Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät aber, die Leistungen genau zu vergleichen. "Umfang und Inhalt der einzelnen Angebote sind sehr unterschiedlich. Bei manchen, um nur ein Beispiel zu nennen, ist die Kostenübernahme für die Weiter- oder Rückfahrt gedeckelt", sagt die Expertin.

Pannenhilfe vor Ort und Erreichbarkeit mittels 24-Stunden-Hotline gehören zu den Kernmerkmalen eines Fahrradschutzbriefes. Wer die feinen bis größeren Unterschiede wissen will, muss jedoch im Kleingedruckten genau nachforschen. So variieren auch die maximal für ein Mietrad oder die Übernachtung im Pannenfall übernommenen Kosten ebenso wie die Entfernung zum Schadensort, ab der der Schutz greift. Auch sollte überprüft werden, ob die maximale Kostenübernahme begrenzt ist oder ob der Schutz auch im Ausland gilt.

Nicht für jeden lohnt sich das Angebot

So ist beim ARCD die Kostenübernahme bei 2000 Euro im Jahr gedeckelt, und "Schadenereignisse, die sich außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ereignen, sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen", heißt es in den Bedingungen. Dafür gilt der Brief nicht nur für das einzelne Klub-Mitglied, sondern auch für dessen Lebenspartner und deren gemeinsame minderjährige Kinder. Bei anderen kosten Familienpakete extra, auch Auslandsleistungen gibt es oft nur gegen Aufpreis, die etwa beim ACV wiederum inklusive sind.

Doch benötigen Radler solche Leistungen, die man vom Autoschutzbrief kennt, überhaupt? Sind Kostenübernahme bei Übernachtungen, Krankenrücktransport oder Abschleppdienst für Radler nicht überdimensioniert? "Welche Schutzbriefinhalte muss und will ich haben?" - das ist laut Weidenbach die Frage, die jeder für sich individuell beantworten sollte. Denn nicht für jeden lohnt ein Schutzbrief gleichermaßen. Wer täglich nur fünf Kilometer zur Arbeit fährt, benötigt so etwas eher nicht und könnte das Rad notfalls selbst nach Hause oder zur nächsten Werkstatt befördern. Wenn man sich aber grundsätzlich für einen Schutz entscheide, sollten Weidenbachs Meinung nach auch umfangreiche Leistungen enthalten sein: "Auch seltene Szenarien können teuer werden, etwa wenn man teure ungeplante Übernachtungen bis zur Reparatur des Rades zahlen muss." Der Fahrradschutzbrief sei besonders für Menschen interessant, die gerne auch mal unbekannte Gegenden abseits von zu Hause erkunden wollten, sagt Schreiner. Und für Menschen, die längere Pendelstrecken zu bewältigen haben.

Es kann aber auch sein, dass Rad fahrende Autofahrer, die einen Schutzbrief für ihr Auto besitzen, schon einen gewissen Schutz genießen - etwa Pannenhilfe, wenn sie mit dem Rad einen Platten haben. Weidenbach empfiehlt deshalb vor dem Abschluss, beim Anbieter des bestehenden Autoschutzbriefes nachzufragen, ob ein Fahrradschutz enthalten ist. ACE-Mitglied Schmelter hat seinen Schutzbrief übrigens zum Jahresende gekündigt. Ob er zu einem anderen Anbieter wechselt, weiß er noch nicht.

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SZ vom 21.11.2020 / mvö, dpa
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