Verschollene Oldtimer:Alte Liebe rostet doch

100 seltene Oldtimer parkten auf dem Anwesen von Roger Baillon - und wurden vergessen. In dieser Woche werden 59 Autos versteigert. In dem Zustand, in dem sie der Unternehmer vor Jahrzehnten auf seinem Anwesen abstellte.

Von Felix Reek

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Facel Vega Excellence und Talbot Lago T26 cabriolet Saoutchik

Quelle: dpa

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Für Oldtimer-Liebhaber war die Entdeckung der Sammlung von Roger Baillon im vergangenen September wohl so etwas wie der Fund von Troja für Heinrich Schliemann. Auf dem Anwesen des Transportunternehmers im Westen Frankreichs standen unter Wellblechdächern 100 Autos. Hauptsächlich aus den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg, alle im Originalzustand, wenn auch vermodert und von Pflanzen überwachsen.

Auf der Retromobile in Paris werden sie am 6. Februar versteigert. Aber nicht etwa restauriert und auf Hochglanz poliert, sondern genau so, wie sie das Auktionshaus Artcurial entdeckte.

Im Bild: ein Abri 1 mit Facel Vega Excellence und ein Talbot Lago T26 Cabriolet Saoutchik, früher im Besitz von König Faruq von Ägypten (1936 bis 1952).

Hispano Suiza H6B Cabriolet von Roger Baillon

Quelle: AFP

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Ursprünglich sollte Roger Baillon den Hof seiner Eltern im Westen Frankreichs übernehmen. Doch der junge Mann hatte andere Pläne. Seine Leidenschaft galt Motoren. Er brach den Militärdienst frühzeititg ab und wurde Mechaniker bei der Air France.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann er, die ersten Autos zu sammeln. Er kaufte ausgediente Lkws der Wehrmacht und der US-Allierten, baute sie in Zivilfahrzeuge um und vermietete sie zunächst an Unternehmen. Wenige Jahre später besaß er selbst eine der größten Lkw-Flotten Frankreichs.

Im Bild: ein Hispano Suiza H6B Cabriolet.

Ein Talbot Lago T26 Grand sport SWB Saoutichik

Quelle: AP

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Mit steigendem Reichtum wuchs die Sammelleidenschaft von Baillon, auch für Automobile. Zusammen mit seinem Sohn Jacques kaufte er im Laufe der Jahre mehr als 200 Fahrzeuge, die er auf seinem Grundstück in Échiré abstellte.

Im Bild: Talbot Lago T26 Grand sport SWB Saoutichik.

Delahaye Type 43 coupe chauffeur Delaunay Belleville Type VL 8 Limousine Renault 12CV Type EU

Quelle: AFP

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Besonderes Augenmerk legten die beiden auf französische Luxusautos aus den Vorkriegsjahren. Baillon erkannte deren historischen Wert und kaufte sie zu einer Zeit, in der sie kaum mehr kosteten als der Materialwert des verwendeten Blechs. Mittlerweile in Vergessenheit geratene Marken wie Dalahaye, Talbot, Delaunay, Talbot Lago und Voisin reihten sich in den letzten Jahrzehnten unberührt auf seinem Anwesen in Frankreich aneinander.

Im Bild: ein Delahaye Type 43 coupe chauffeur (links), eine Delaunay Belleville Type VL 8 Limousine (Mitte) und ein Renault 12CV Type EU Torpedo (rechts).

Delahaye 135 M Cabriolet Faget-Varnet bei der Roger Baillon Auktion

Quelle: dpa

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Aus ganz Europa trug Baillon die Fahrzeuge zusammen. "Er war begeistert vom Genie des Automobils und hat viele dieser Schätze vor dem Autofriedhof bewahrt", so Matthieu Lamoure vom Auktionshaus Artcurial, das die Versteigerung organisiert.

Im Bild: ein Delahaye 135 M Cabriolet Faget-Varnet.

Ein Talbot Lago T26 Grand Sport SWB aus der Sammlung von Roger Baillon

Quelle: AFP

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"Was diese Entdeckung so einzigartig macht, ist die hohe Zahl an gut erhaltenen Originalmodellen", so die Experten von Artcurial. Baillon beließ die Autos in dem Zustand, in dem er sie erwarb. Normalerweise werden Oldtimer im Laufe der Jahre immer wieder neu lackiert oder restauriert. Roger Baillon parkte sie einfach auf seinem Grundstück.

Seinen großen Traum konnte sich der Unternehmer aber nicht erfüllen: ein eigenes Automuseum. 1978 ging Baillon pleite, er wurde sogar wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Ein Teil seiner Sammlung kam bei einer Zwangsversteigerung unter den Hammer. Insgesamt etwa 60 Autos, darunter ein Jaguar E-Type Cabriolet, ein Rolls-Royce WME und ein Bentley Mark IV. 1985 mussten 32 weitere Oldtimer verkauft werden.

Im Bild: ein Talbot Lago T26 Grand Sport SWB Saoutchik. Der Preis für dieses Auto wird bei der Auktion zwischen 400 000 und 600 000 Euro geschätzt.

Ein Facel Vega Excellence aus dem Besitz von Roger Baillon

Quelle: AP

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100 weitere Fahrzeuge verrotteten auf dem Anwesen in Échiré. Baillons Enkelin Céline erinnert sich im Gespräch mit Spiegel Online: "Der Garten der Autos war unser Spielplatz". Ihr Bruder Ludovic lernte hier bereits mit sieben Jahren das Fahren - natürlich vom Großvater.

Im Bild: ein Facel Vega Excellence.

Packard Eight Cabriolet aus dem Besitz von Roger Baillon

Quelle: AP

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Selbst als Roger Baillon 1995 starb, blieb seine Sammlung unberührt. Sohn Jacques, ein ebenso großer Autonarr wie sein Vater, wollte sich nicht von den Oldtimern trennen. Ein Großteil der Fahzeuge begann endgültig, Grünspan und Rost anzusetzen.

Im Bild: ein Packard Eight Cabriolet.

Sandford Type S Cyclecar auf der Retromobile

Quelle: dpa

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Als Jacques Baillon 2013 starb, beauftragten die Erben schließlich Experten. Die trauten ihren Augen kaum. Der Scheunenfund von ein oder zwei Oldtimern ist schon ein Glücksfall. Aber gleich 100 auf einmal? Das gab es bisher noch nie. Allerdings werden nur 59 von ihnen nun versteigert, der Rest ist zu stark beschädigt.

Im Bild: ein Sandford Type S Cyclecar.

Ferrari 250 GT California SWB auf der Retromobile

Quelle: AP

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Eines der wertvollsten Stücke der Sammlung ist ein äußerst seltener Ferrari 250 GT SWB California Spider aus dem Jahr 1961, der einst Schauspieler Alain Delon gehörte. Nur 37 Exemplare wurden gebaut, jedes akribisch dokumentiert. Dieses Cabrio galt unter Experten als verschollen.

Im Bild: ein Ferrari 250 GT California SWB.

Ferrari 250 GT California SWB von Roger Baillons Kollektion

Quelle: AP

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Jahrelang stand es in einer Garage auf Baillons Anwesen, zum Teil unter Zeitschriften begraben. Im Handschuhfach fanden die Experten von Artcurial noch zwei Zündschlüssel und ein paar Handschuhe. Der Ferrari ist mit Abstand das wertvollste Auto der Sammlung. Er soll für 9,5 bis 12 Millionnen Euro verkauft werden.

Im Bild: ein Ferrari 250 GT California SWB.

Maserati A6G 2000 Gran Sport Berlinetta Frua von Roger Baillon

Quelle: AFP

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Noch wichtiger für den Oldtimermarkt ist laut Carl Christian Jancke, Analyst bei der Historic Automobile Group, der Maserati A6G 2000 Gran Sport Berlinetta Frua, der jahrelang direkt neben dem Ferrari parkte. An ihm könnte sich ausmachen lassen, ob in Zukunft vermehrt unrestaurierte Fahrzeuge auf Auktionen gefragt sind. Der Sportwagen aus dem Jahr 1956 ist extrem selten, sein Lack schon abgeblättert und die Technik muss komplett überholt werden.

Im Bild: ein Maserati A6G 2000 Gran Sport Berlinetta Frua.

Maserati A6G 2000 Gran Sport Berlinetta Frua auf der Retromobile

Quelle: AP

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Während die meisten Maseratis dieser Zeit von Pininfarina entworfen wurden, übernahm bei diesem Modell Pietro Frua das Design, der später mit dem 3500 GT Coupé und dem Quattroporte weitere Klassiker schuf. Ein wieder instandgesetztes Exemplar erzielte 2012 auf einer Auktion 1,6 Millionen Euro.

Artcurial hat mit einem Wert zwischen 800 000 und 1,2 Millionen Euro den Preis eher niedrig angesetzt. Laut Jancke könnte er aber auch für einen ähnlichen Betrag wie das Exemplar von 2012 unter den Hammer kommen. Der unbehandelte Zustand "verspricht bei manchen Kunden besondere Aufmerksamkeit", erklärte er in seinem Artikel für die Welt. Denn "jedes neue Teil der Technik und jeder neue Lederbezug raubt dem Wagen ein Stück seiner Seele."

Im Bild: ein Maserati A6G 2000 Gran Sport Berlinetta Frua.

© Süddeutsche.de/dpa/harl
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