Vermarktung von Autos:Was Frauenautos von Männerautos unterscheidet

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Eine Porsche-Werbung aus dem Jahr 1967. Die Vermarktung von Autos hat sich seitdem kaum verändert. (Foto: Porsche)

Die Frau bewundert, der Mann fährt: Autos werden heute immer noch vermarktet wie vor 50 Jahren. Es wird höchste Zeit, das zu ändern. Nur wie?

Von Angelika Slavik

Vielleicht kann man, im Verhältnis zu Autos, zwischen zwei Haltungen unterscheiden. Da sind Menschen, für die ein Auto ein Haufen Blech ist, mit dem sie von einem Ort zum anderen kommen. Diese Menschen fahren Jahre, manchmal Jahrzehnte mit der gleichen Karre, aber nie in die Waschstraße. Je nach Alter ist der Fußraum vor dem Beifahrersitz entweder immer voller leerer Getränkebecher, Zigarettenpackungen und Plastiktüten undefinierten Inhalts oder er ist mit der unnachahmlichen Familienmischung überzogen: Kekskrümel, Mund-Abwisch-Tücher und Nurfi, der stets leicht schmuddelige Auto-Bespaßungs-Clown.

Und dann gibt es: die Fans. Die Fans lieben ihr Auto. Sie verbringen den Samstagvormittag damit, es auf Hochglanz zu bringen und interessieren sich ernsthaft für sein Innenleben. Deutschland, so heißt es, sei das Weltzentrum der Fans.

Die Autoindustrie allerdings unterscheidet weniger zwischen Ignoranten und PS-Fans - sie trennt ihre Zielgruppe traditionell nach Geschlechtern. In kaum einem Industriezweig sind tradierte Rollenbilder so fest verankert wie in der Autoindustrie. Das beginnt bei der Modellgestaltung.

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Was ist ein Frauenauto? Betrachtet man die Modelle der großen Hersteller, fällt auf, dass Autos, die das inoffizielle Etikett "Frauenauto" tragen, meist so etwas sind wie eine verniedlichte Version eines größeren Modells. Da ist der Porsche Boxster, die Schrumpfvariante des 911. Da ist der Mercedes SLK, die Mini-Version des Mercedes SL. Da ist der BMW-Mini, dessen zentrale Qualität es ist, irgendwie "süß" zu sein, dessen Wurzeln aber auf ein Auto zurückgehen, das mal als Meilenstein der technischen Entwicklung des Automobils galt.

Zugespitzt könnte man sagen: Man baut ein Auto, das richtig etwas unter der Haube hat - für die Männer. Und dann verkleinert man es und macht es niedlich. Für die Frauen. "Shrink it or pink it", schrumpfe es oder male es rosa an, heißt das in der Werbebranche - und es beschreibt, was lang der klassische Zugang der Industrie war, wenn es darum ging, Produkte für eine weibliche Zielgruppe zu entwickeln.

Aber können in einer Zeit, in der die Gesellschaft über das Machtverhältnis zwischen Frauen und Männern leidenschaftlich diskutiert wie lange nicht, in der neue Technologien alte Strukturen aufbrechen, so simple Rezepte noch funktionieren?

Susanne Ihsen ist Professorin für Gender Studies in den Ingenieurwissenschaften an der Technischen Universität München. Dass sich die Autoindustrie so schwer tut mit der Zielgruppe Frau, ist laut Ihsen auch historisch gewachsen: "Sich allein und unabhängig fortzubewegen gehörte lange nicht zum Rollenbild, weil Unabhängigkeit an sich nicht zum Rollenbild gehörte", sagt Ihsen. Deshalb falle es der Branche immer noch schwer, eine Vorstellung davon zu entwickeln, was Frauen von einem Auto erwarten könnten, außer dass es hübsch anzuschauen sei.

Zudem seien "Frauen" ja keine homogene Zielgruppe. Alter, Beruf und Lebensumstände definierten Ansprüche an einen Wagen oft weitaus mehr als das Geschlecht. Dennoch gebe es spezifisch weibliche Erwartungen an ein Auto - etwa Systeme, die die Handtasche auf dem Beifahrersitz nicht für einen nicht angeschnallten Passagier hielten.

Um bessere Autos zu bauen, müssten die Hersteller bei der Besetzung ihrer Entwicklungsabteilungen ansetzen, sagt Ihsen. Die seien meist sehr homogen besetzt: Männer wären in der Überzahl und die wenigen Frauen in diesen Jobs hätten ja die gleiche Ausbildung und deshalb ähnliche Denkweisen wie ihre Kollegen. "Diversität in die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zu bekommen, ist die große Herausforderung für die Autoindustrie in den kommenden Jahren."

"Ein Kühlschrank wird nicht von einer halbnackten Hostess präsentiert"

Feste Rollenklischees kennt die Autoindustrie allerdings nicht nur bei der Modellgestaltung. "Auf Automessen sieht man auch heute noch ein Frauenbild, das man aus anderen Branchen nicht kennt", sagt Ihsen. "Wenn Sie einen Kühlschrank kaufen möchten, wird er Ihnen nicht von einer halbnackten Hostess präsentiert." Auch in der ebenfalls von Männern dominierten Computerbranche seien Geschlechterklischees keineswegs in ähnlicher Weise institutionalisiert: "Wenn es um tradierte Rollenbilder geht, hat die Autoindustrie eine Sonderstellung."

Interessant werde, sagt die Wissenschaftlerin, ob technischer Fortschritt wie die Entwicklung des E-Antriebs die Stereotype verändern werde: Wenn man den Motor an der Kreuzung nicht mehr aufheulen lassen kann, Drängeln auf der Autobahn technisch nicht mehr möglich sei, ändere das vielleicht grundlegend die Beziehung der Gesellschaft zum Autofahren, sagt Ihsen - "und das Selbstbild der Autofahrer".

© SZ vom 15.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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