Verkehrsunfälle:Riskantes Vergnügen

Viele Verkehrsteilnehmer unterschätzen die tödliche Gefahr, die auf Landstraßen lauert. Nur ein Prozent der Fahrer schafft eine Vollbremsung vor dem Unfall.

Marion Zellner

Malerische Alleen, kleine Nebenstrecken, schmale Straßen: Wer mit Auto oder Motorrad ohne Zeitdruck unterwegs ist, sucht sich seinen Weg meist abseits der Autobahnen; vor allem an den Wochenenden wird so aus einem (Fahr)-Tag ein Kurzurlaub. Doch die mehr als 219.000 Kilometer Bundes-, Landes- und Kreisstraßen in Deutschland sind alles andere als idyllisch: Allein im vergangenen Jahr starben dort 3062 Menschen, also 60 Prozent aller auf bundesdeutschen Straßen Getöteten.

Und das, obwohl auf den Landstraßen im Jahr 2006 bundesweit nur 26 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden gezählt wurden. Das belegen Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden, die auch bittere Relation aufzeigen: 63 Prozent der auf Landstraßen Getöteten waren Autofahrer, 18 Prozent waren mit dem Motorrad unterwegs; jeder dritte Getötete starb an einem Baum.

Gründe für diese Bilanz gibt es viele, weshalb der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) jetzt mit der bundesweiten Aktion "Kein Platz für Kreuze" für mehr Sicherheit sorgen will. Julia Lindemann: "Die Risiken entstehen vor allem durch überhöhte Geschwindigkeit, Unachtsamkeit und Selbstüberschätzung."

Die mit 38 Prozent häufigste Ursache für Unfälle mit Personenschaden ist der sogenannte Fahrunfall - durch diese Crashs ohne Beteiligung eines anderen Verkehrsteilnehmers starben 2006 die Hälfte der Landstraßenopfer. Hohes Risiko auch beim Überholen, Experten sprechen von "Unfällen im Längsverkehr": Hierbei gab es 24 Prozent der Unfälle, gefolgt vom Unfall beim Einbiegen und Kreuzen mit 16 Prozent.

Falsche Kriterien bei der Wahl des Tempos

Obwohl die Zahlen das Risiko klar verdeutlichen, scheinen sich viele dieser Gefahr nicht bewusst zu sein. Nur zehn Prozent fühlen sich nach eigenem Bekunden unsicher, wenn sie auf einer Allee fahren, zitiert Julia Lindemann aus einer aktuellen Umfrage. "Verkehrsteilnehmer können die Straße nicht immer richtig lesen", erklärt das Reinhold Maier von der TU Dresden. Sie richteten ihr Tempo oft nach der baulichen Gestaltung der Landstraße und der Asphaltbeschaffenheit aus.

Passen Tempowahl und objektive Gefährdung nicht überein, seien Fehleinschätzungen programmiert. Da laut Maier menschliche Fehler nie auszuschließen sind, müssen die Folgen reduziert werden. Schließlich ist jeder zweite Getötete nicht der Unfall-Verursacher.

Riskantes Vergnügen

Ein probates Mittel zur Unfallvermeidung ist die Senkung der Geschwindigkeit, wie Untersuchungen in den Niederlanden gezeigt haben. Dort wurde die Straßenbreite dadurch verringert, indem an beiden Rändern raues Material aufgebracht wurde. Der psychologische Trick: Fahrer, die zu schnell unterwegs sind, rollen öfter als andere über die raue Außenspur; da das Vibrationen und Geräusche im Auto auslöst, senken viele ihr Tempo.

Da auch besonders viele Unfälle an sogenannten Knotenpunkten, also Einfahrten und Kreuzungen, passieren, wird in Deutschland vermehrt auf Kreisverkehre gesetzt. Das hat laut Andreas Bark von der FH Gießen-Friedberg wesentliche Vorteile gegenüber einer Regelung mit Ampeln: "Der Kreisverkehr ist billiger, es gibt weniger Unfall-Konfliktpunkte und im Kreisverkehr muss deutlich langsamer, allerhöchstens 50 km/h, gefahren werden."

Nur die Hälfte der Fahrer bremst vor dem Unfall

Aber nicht nur die Gestaltung der Straßen kann Leben retten; auch Fahrerassistenzsysteme sollen Unfälle verhindern. So stellte sich laut Peter Knoll von der Uni Karlsruhe heraus, dass bei Unfällen nur ein Prozent der Fahrer eine Vollbremsung ausführten, mehr als 50 Prozent bremsten vor dem Crash gar nicht.

Abhilfe könnte aus Expertensicht ACC leisten - ein Tempomat mit Frontradar, der automatisch den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug regelt. Wären nur drei Prozent aller Autos in der EU mit ACC ausgerüstet, könnten laut Knoll mehr als 4000 Unfälle im Jahr verhindert werden.

Weitere Infos unter: www.kein-platz-fuer-kreuze.de

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