Verkehrssicherheit:Autonomer Verkehr würde mehr Sicherheit bieten

Autopilot im Tesla Model S

Tesla bietet für das Model S eine Autopilot-Funktion an. Auf der Autobahn kann das Elektroauto damit weitgehend selbständig fahren.

(Foto: Bloomberg)
  • Menschliches Versagen ist die Unfallursache Nummer eins - und zwar unabhängig vom Verkehrsmittel.
  • Im Gegensatz zu Maschinen, die bessere Entscheidungen treffen, je umfangreicher die Datenlage ist, kann eine komplexe Situation einen Menschen leicht überfordern.
  • Dennoch bleibt der Mensch selbst dann wichtig, wenn eine Technologie hochautomatisiert arbeitet - und sei es als Rückfallsystem, falls die Technik streikt.

Analyse von Thomas Harloff

Menschliches Versagen. Zwei Worte, auf die sich die Ursachen vieler Unfälle herunter brechen lassen. Auch beim schweren Zugunglück in Bad Aibling deutet vieles darauf hin, dass menschliches Versagen der Hauptgrund dafür ist, dass elf Menschen ums Leben kamen und weitere 80 verletzt wurden. Informationen der SZ zufolge gibt es immer mehr Indizien dafür, dass der Fahrdienstleiter den Zügen aus beiden Richtungen erlaubt hat, in die eingleisige Strecke einzufahren - mit den bekannt tragischen Folgen.

Wer die Berichterstattung über die großen Unglücke im Schienen-, Straßen- und Flugverkehr verfolgt, den dürfte das Gefühl beschleichen, dass meist menschliche Fehler dafür verantwortlich sind. Tatsächlich belegen das alle Statistiken - und zwar unabhängig vom Verkehrsmittel. So weist die offizielle Verkehrsunfallstatistik des Statistischen Bundesamtes für die Jahre 2011 bis 2014 jeweils etwa 100-mal mehr von Menschen verursachte Unfälle aus als solche, die durch technische Mängel hervorgerufen wurden (bezogen auf Unfälle mit Personenschaden). Die jüngste Studie zur Luftfahrtsicherheit, die Global Aviation Study von 2014, geht davon aus, dass 70 Prozent der tödlichen Unfälle in der gewerblichen Luftfahrt auf menschliches Versagen zurückzuführen sind. Noch höher ist die Quote im deutschen Bahnverkehr. 2014 wurden 75 Prozent der registrierten und von der Eisenbahn-Unfalluntersuchung des Bundes überprüften Zwischenfälle eindeutig durch menschliche Fehler verursacht.

Das Bauchgefühl ist nicht immer ein guter Ratgeber

"Ja, der Mensch ist nach wie vor der größte Risikofaktor", sagt auch Jan Krause, der am Institut für Automation und Kommunikation Magdeburg im Bereich Transport und Assistenzsysteme forscht. Er stoße an seine Grenzen, wenn er eine komplexe Situation nicht beherrschen kann und trotzdem schnell entscheiden muss - eine klassische Überforderungssituation. Hinzu kommt das Bauchgefühl, das nicht immer ein guter Ratgeber ist. "Wenn der Mensch ein gutes Gefühl hat, denkt er sich: 'Das wird schon gutgehen' - und beschwört damit vielleicht eine gefährliche Situation herauf", sagt Krause.

Anders die Maschine. Je mehr Daten sie zur Verfügung hat, umso besser kann sie entscheiden, was zu tun ist. Algorithmen sorgen dafür, dass sie bei gleicher Datenlage auch immer die gleichen Entscheidungen trifft. Krause zufolge greifen Verkehrsplaner längst großzügig auf hochautomatisierte Prozesse zurück - natürlich in der Luftfahrt, aber immer öfter auch bei Ampelkreuzungen und natürlich bei den Signalanlagen im Bahnverkehr. Wichtig seien dabei doppelte Absicherungen. So verhindere die Hardware-Steuerung an einer automatisch geregelten Ampelkreuzung, dass zwei Fahrtrichtungen gleichzeitig auf Grün geschaltet werden und die dort fahrenden Autos auf Kollisionskurs geraten.

Doch natürlich besteht immer das Risiko, dass technische Systeme nicht so arbeiten, wie sie sollen. Einerseits können Probleme in der Elektrik und Elektronik auftreten, ebenso mechanische und materielle Fehler - gerade beim bekanntermaßen nicht überall optimal gewarteten Streckennetz der Bahn. Es muss also Rückfallsysteme geben - oft ist das der Mensch.

Wichtig ist, dass es in solchen Fällen genau spezifizierte Abläufe gibt, an die sich ein Mitarbeiter halten kann. Krause nennt ein Beispiel aus der Autoproduktion. Wenn sich dort am Produktionsband etwas verklemmt, muss genau geklärt sein, wie ein Arbeiter den Roboter stoppt, um das Problem beheben zu können: "Wenn sich der Mensch daran nicht hält und die Maschine weiteragiert, kann das hochgradig gefährlich werden."

Die Technik-Skepsis weicht zusehends

Aber nicht nur deshalb sitzen Menschen in den Google-Autos, die derzeit zu Testzwecken autonom durch Kalifornien fahren, oder Lokführer in den Führerständen einiger vollautomatischer U-Bahnen. Diese menschliche Präsenz hat auch psychologische Gründe. "Hier geht es vor allem um das Sicherheitsempfinden unserer Kunden, die gerne einen Menschen vorne sitzen haben möchten", antwortet ein Bahn-Sprecher auf die Frage, ob vollautomatische Züge auch im Fernverkehr denkbar wären.

Bei dieser Einschätzung scheint es sich jedoch um ein Bauchgefühl zu handeln. Zwei aktuellen Forsa-Umfragen zu autonom fahrenden Autos zufolge versprechen sich die Deutschen nämlich durchaus einen Sicherheitsgewinn von der zunehmenden Automatisierung. In einer Befragung glauben 60 Prozent, dass computer- und sensorgesteuerte Autos künftig gleich gut oder sogar besser fahren werden als Menschen. Nur 34 Prozent geben Fahrern aus Fleisch und Blut den Vorzug. In der anderen Umfrage sind 49 Prozent der Deutschen der Meinung, dass die Technologie einen großen Sicherheitsgewinn bringen wird, nur eine Minderheit sieht in dieser Hinsicht gar keinen Fortschritt. Allerdings glaubt fast ein Drittel der Leute auch, dass es noch mindestens 20 Jahre dauern wird, bis sich autonome Fahrzeuge durchsetzen - ein weiteres Drittel hält das überhaupt nicht für möglich.

Erste Schritte zum autonomen Fahren sind bereits gemacht

Den Zeitrahmen schätzen die Befragten offenbar ziemlich realistisch ein. Zwar bieten schon heute einige Hersteller Autos an, die im Stau und Kolonnenverkehr weitgehend selbständig fahren. Und der nächste Schritt, das auf Autobahnfahrten mit normaler Geschwindigkeit zu übertragen, ist nicht mehr weit. Das funktioniere deshalb bereits jetzt, weil es "bei geringen Geschwindigkeiten überschaubare äußere Einflüsse gibt und auf der Autobahn der Freiheitsgrad nicht so hoch ist - allein schon deshalb, weil alle in die gleiche Richtung fahren", sagt Krause. Doch der Wissenschaftler geht davon aus, dass es noch lange dauert, bis es das hochautonome Fahren, das auch im hektischen Stadtverkehr funktioniert, geben wird.

Die Bahn hat seiner Meinung nach noch bessere Voraussetzungen, ihr System hochgradig zu automatisieren, da durch die Schienenführung bereits viele Parameter vorgegeben sind. Zwar habe der Fernverkehr eine höhere Komplexität, weil es dort mehr äußere Einflüsse gebe als beispielsweise bei in sich geschlossenen und abgeschotteten U-Bahnen. "Gleichwohl ist das besser zu handhaben als das autonome Fahren."

Eine hundertprozentige Sicherheit, das betont auch der Automatisierungsexperte, ist dennoch utopisch. Es wird weniger Unglücke geben, aber die, die passieren, sehen wir aus psychologischer Sicht als größere Bedrohung an als die, die durch menschliches Versagen verursacht wurden: "Denn in diesem Fall kann man sagen: 'Ich hätte es besser gemacht, wenn ich in dieser Situation gewesen wäre.' Aber gegen die Technik ist man hilflos."

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