Verkehrssicherheit:Alkolocks - das droht deutschen Alkoholsündern

Koalition erwägt Wegfahrsperren für Alkoholsünder

Alkolocks sind in mehreren europäischen Ländern bereits im Einsatz. Bald auch in Deutschland?

(Foto: dpa)

Der Verkehrsminister plant Promilletests für bestimmte Autofahrer - vor jeder Fahrt. Wie arbeiten die Messgeräte? Wer soll überwacht werden? Und wie machen das andere Länder?

Von Thomas Harloff

Ein Druck auf den Startknopf oder ein Dreh des Zündschlosses - und der Motor springt nicht an. Bisher war das ein untrügliches Zeichen für Spritmangel oder ein kaputtes Auto. Künftig könnte für einige Autofahrer ein anderer Grund hinzukommen: Sie haben zu viel Alkohol getrunken. Systeme, die das erkennen und daraufhin ein Anlassen des Motors verhindern, gibt es in manchen Ländern schon länger. Nun will Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) diese sogenannten Alkolocks auch in Deutschland verpflichtend für einige Alkoholsünder einführen.

Wie funktionieren die Geräte? Wie genau sind die Messergebnisse? Und lassen sie sich manipulieren? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was genau plant Verkehrsminister Dobrindt?

Autofahrer, die schon einmal wegen Alkohols am Steuer ihren Führerschein verloren haben, sollen sich nicht mehr alkoholisiert ans Steuer setzen können. Um das zu erreichen, will der Verkehrsminister sogenannte "Alkohol-Interlock-Systeme", kurz Alkolocks, einführen. So steht es im "Unfallverhütungsbericht" seines Ministeriums, der an diesem Mittwoch im Bundeskabinett beraten werden soll und über den zuerst die Passauer Neue Presse berichtete.

Alkoholsünder sollen ihren Führerschein nur dann zurückbekommen, wenn sie vor jeder Fahrt mit einem solchen Gerät dokumentieren, dass sie nüchtern sind. Demnach bereitet das Ministerium derzeit die Rechtsgrundlagen zur Einführung einer solchen Regelung vor. Wie Dobrindt bereits im vergangenen Jahr sagte, sollen sich Fahrer überwachen lassen, die mehrmals unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug bewegt haben oder die mit 1,6 Promille oder mehr am Steuer erwischt wurden.

So funktionieren Alkolocks

Eine Alkohol-Wegfahrsperre besteht aus zwei Geräten. Unter dem Armaturenbrett ist eine Steuereinheit eingebaut, die mit der Fahrzeugelektronik verbunden ist. Hinzu kommt ein Handmessgerät ähnlich den digitalen Alkoholtestern, die frei im Handel erhältlich sind. Schaltet der Fahrer die Zündung ein, wird er zum Test aufgefordert. Dazu pustet er wie bei einer Polizeikontrolle durch ein Röhrchen in das Messgerät, das mittels eines elektrochemischen Sensors den Atemalkoholgehalt des Fahrers feststellt. Nur wenn der Messwert unter dem zuvor programmierten Grenzwert liegt oder er diesen exakt trifft, gibt die Steuereinheit die Wegfahrsperre frei. Liegt er darüber, blockiert sie diese und der Motor lässt sich nicht starten. Bei den meisten Systemen lassen sich die Ergebnisse zudem speichern.

So gehen andere Länder mit Alkolocks um

Programme, wie sie Dobrindt plant, gibt es in einigen anderen europäischen Ländern bereits. Zum Beispiel in den Niederlanden. Wer dort mit mindestens 1,3 Promille erwischt wird, kann entweder seinen Führerschein für fünf Jahre abgeben oder sich über einen Zeitraum von zwei Jahren überwachen lassen. Gleichzeitig verpflichtet er sich dann zu einer begleitenden Therapie. Das Modell ist allerdings teuer: Die Kosten für den Alkoholsünder belaufen sich insgesamt auf etwa 4000 Euro. Schweden, Finnland und Dänemark sowie Belgien und Frankreich haben ähnliche Regelungen.

Einige Länder nutzen Alkolocks auch präventiv: In Frankreich, Finnland und Schweden müssen Fahrer von Schulbussen erst ins Röhrchen pusten, bevor sie auf Tour gehen. In Schweden gilt die Regelung auch für Taxifahrer. Zudem setzen dort viele Betreiber von Fahrzeugflotten, Spediteure etwa, die Geräte ein. Auch Österreich plante, die Alkohol-Wegfahrsperren einzuführen, allerdings wurde der Prozess jetzt aus mehreren Gründen gestoppt.

Messgenauigkeit, Manipulation und Kritik

Wie genau sind die Messergebnisse?

Mit Atemalkoholtestern kann der Alkoholwert nicht hundertprozentig exakt ermittelt werden. Selbst die besten Geräte sind nur zu 97 bis 99 Prozent genau. Das ist der Grund, weshalb die Polizei bei Fahrern, die sie bei einer Verkehrskontrolle mit zu viel Alkohol im Atem ertappt, zur Verifizierung eine Messung des Alkoholspiegels im Blut anordnet. Hat der Fahrer kurz vor der Kontrolle etwas gegessen oder getrunken, kann das Experten zufolge die Messergebnisse verfälschen. Gleiches gilt, wenn Mundsprays benutzt werden.

Technik kann natürlich versagen. Völlig ausgeschlossen ist jedenfalls nicht, dass ein Alkolock einen Fehlalarm auslöst und die Zündung blockiert, obwohl der Fahrer überhaupt keinen Alkohol getrunken hat. Das ist vor allem dann ärgerlich, wenn er deshalb beispielsweise zu spät in die Arbeit oder zu einem wichtigen Termin kommt.

Lassen sich die Alkolocks überlisten?

Theoretisch ja. Zwar erkennen moderne Alkolocks Filter oder Hilfsgeräte, die Alkohol im Atem verschleiern sollen, und blockieren bei deren Einsatz ein Starten des Motors. Auch wer auf die Idee kommt, eine Luftpumpe zu benutzen, wird damit scheitern, da die Geräte Parameter wie Feuchtigkeit, Temperatur und Druck der eingeblasenen Luft abfragen. Aber ein alkoholisierter Fahrer könnte trotzdem einfach eine nüchterne Person pusten lassen und sich danach selbst ans Steuer setzen.

Welche weiteren Kritikpunkte gibt es?

Der Einbau eines Alkolocks ist mit 1000 bis 2000 Euro relativ teuer. Hinzu kommen laufende Kosten, weil das Gerät regelmäßig kalibriert und gewartet werden muss. Und es ist natürlich nicht gesagt, dass nur ertappte Alkoholsünder ein Auto nutzen, das mit der Technik nachgerüstet wurde. Also müssen sich auch alle anderen Fahrer dem Alkoholtest unterziehen. Davon abgesehen, dass hier ein Datenschutzproblem droht, gilt für diese Fahrer eigentlich die normale 0,5-Promille-Grenze. Wenn sie trotzdem 0,0 Promille nachweisen müssen, um ein Auto starten zu können, könnte das als Verstoß gegen die im Grundgesetz verankerte Allgemeine Handlungsfreiheit interpretiert werden.

Dobrindt verspricht sich von den Alkolocks einen "echten Lerneffekt" für Alkoholsünder. Dem widersprechen einige Experten. Sie fürchten, dass die Wegfahrsperren den Abschreckungseffekt reduzieren, den lange Fahrverbote auf für Alkoholfahrten anfällige Menschen haben. Der ADAC spricht sich statt der Alkolocks für mehr Kontrollen aus - denn derzeit würde schätzungsweise überhaupt nur jede 600. Alkoholfahrt entdeckt.

Wie gehen die Autohersteller mit dem Thema um?

Alkohol-Wegfahrsperren fehlen derzeit in den Aufpreis- und Zubehörlisten aller Autohersteller. Nur Volvo bot zeitweise ein solches System ab Werk in seinen Autos an. Der "Alcoguard" war von 2007 an in Schweden verfügbar und konnte drei Jahre später auch in Deutschland geordert werden. Für die aktuellen Volvo-Modelle ist der Alcoguard jedoch nicht mehr zu bekommen.

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