Nach jahrelangem Streit um den Einsatz sogenannter Dashcams im Straßenverkehr hat nun erstmals ein Obergericht die Verwertung der Aufnahmen in einem Schadensersatzprozess erlaubt. Das Oberlandesgericht Stuttgart zog die Bilder einer solchen im Auto angebrachten Kamera, die laufend das Verkehrsgeschehen aufzeichnet, als Beweismittel heran.
Es ging dabei um den Zusammenstoß zweier Autos an einer Engstelle: Der Kläger fuhr an ein paar rechts parkenden Autos vorbei, die Fahrerin eines entgegenkommenden Fahrzeugs sah ihn zu spät, so dass es zu einer Kollision mit einem mehrere tausend Euro teuren Blechschaden kam. Auf den Bildern, die im Gerichtssaal vorgeführt wurden, konnte man genau erkennen, wie die Frau in letzter Sekunde das Steuer nach rechts riss. Zudem ließ sich die Geschwindigkeit des Autos aus den Aufzeichnungen ablesen. Ohne Kamera, so hatte ein Sachverständiger im Verlaufe des Verfahrens festgestellt, wären die Details des Unfalls nicht aufklärbar gewesen.
Die Verwertung solcher Dashcam-Bilder ist bisher heftig umstritten. Ein Teil der unteren Instanzen lehnt ihre Verwertung aus Gründen des Datenschutzes ab, die Mehrzahl der Gerichte hat sich indes dafür ausgesprochen. Vergangenes Jahr hatte das OLG Stuttgart zudem in einem Bußgeldverfahren solche Bilder verwertet. Ob dies auch für eine Schadensersatzklage gilt, war allerdings bisher offen. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag hatte sich im vergangenen Jahr für einen zurückhaltenden Umgang mit Dashcam-Bildern eingesetzt. Er plädierte für Kameras, deren Aufnahmen nach kurze Zeit automatisch überschrieben werden.
Sollte sich die Position des OLG Stuttgart bundesweit durchsetzen, wäre dies eine Revolution: Bisher leiden Prozesse um Verkehrsunfälle oft an ungenauen Zeugenaussagen und sich widersprechenden Behauptungen. Das wurde auch in der OLG-Verhandlung deutlich. Er habe schon viele Schilderungen gehört, die sich - nach Beurteilung durch einen Gutachter - als naturgesetzlich unmöglich erwiesen, sagte der Senatsvorsitzende Hans-Joachim Rast.
Relativ geringer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht
Ausschlaggebend ist nach seinen Worten, dass die Dashcam lediglich die Straße filmt, nicht aber in die Privat- oder gar Intimsphäre eindringt; der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht sei relativ gering. "Im öffentlichen Raum muss jeder damit rechnen, fotografiert oder gefilmt zu werden." Deshalb seien die Interessen desjenigen, der seine Ansprüche aus einem Autounfall durchsetzen möchte, deutlich gewichtiger.
Ein letztinstanzliches Urteil des Bundesgerichtshofs wird allerdings noch auf sich warten lassen. Denn die Stuttgarter Verhandlung endete ohne Urteil: Unter dem Eindruck der Aufnahmen einigten sich die beiden Beteiligten auf einen Vergleich. Das Ergebnis zeigte übrigens, dass die Dashcam nicht immer nur dem nützt, der sie an seiner Windschutzscheibe angebracht hat. Der Fahrer musste im konkreten Fall ein Drittel des Schadens selbst übernehmen - weil er nach Auffassung des Gerichts vorsichtiger an den parkenden Autos hätte vorbeifahren müssen.