Verkehrspsychologie:Führerscheinentzug macht klug

Rasen, trinken, drängeln: Jeden Tag werden auf deutschen Straßen Tausende Vergehen und Straftaten begangen. Doch für viele Verkehrssünder ist die Sache mit einem Bußgeld erledigt. Erzieherischen Wert hat das nur sehr begrenzt. Eine Verkehrspsychologin erklärt, warum nur schnelle, harte Strafen wirklich abschrecken.

Verena Wolff

Rasen, drängeln, rote Ampeln überfahren, fahren mit Alkohol im Blut: Die Liste der Verkehrssünden ist lang. Doch das Unrechtsbewusstsein derer, die sie begehen, lässt zu wünschen übrig. Das liege auch an den Strafen, mit denen die Vergehen belegt sind, findet die Münchner Verkehrspsychologin Birgit Scheucher: "Der Entzug des Führerscheins führt am ehesten zum Nachdenken."

Sünder würden umso schneller umdenken, je schneller es harte Strafen gebe. "Ein Fahrstil festigt sich, wenn Vergehen nicht bestraft werden." Wenn es allerdings schon früh ein "ernsthaftes Misserfolgserlebnis" gibt, dann werde so mancher zum Überdenken seines Verhaltens angeregt. "Ein oder zwei geahndete Delikte führen bei den meisten Autofahrern schon dazu, dass sie sich genauer an die Verkehrsregeln halten und aufmerksamer fahren", sagt Scheucher.

Allerdings gebe es ausreichend Gegenbeispiele von Unverbesserlichen. "Es gibt immer Leute, die meinen, in ihren schweren Autos mit deutlich erhöhter Geschwindigkeit noch näher auffahren zu dürfen", sagt die Diplom-Psychologin. Zwar sei ein grundsätzliches Bewusstsein vorhanden, dass auf Vergehen Geldstrafen und Punkte stehen - und manches vermeintliche Kavaliersdelikt sogar ein Straftatbestand ist. Doch das hat nicht immer disziplinierende Wirkung.

Eine Frage des Geldbeutels

Bei aller Aufregung sollte nicht vergessen werden, dass ein großer Teil der Autofahrer niemals in den Bereich der zweistelligen Punktzahlen der Verkehrssünderkartei in Flensburg gelangt. In Deutschland gibt es etwa 50 Millionen Führerscheine - doch lediglich 50.000 Menschen laufen Gefahr, den Führerschein zu verlieren.

Ob Geldbuße oder Punkte bei den Autofahrern zu mehr Zurückhaltung im Straßenverkehr führen, ist nach Ansicht der Psychologin von mehreren Faktoren abhängig: "Bei manchen kommt es schlicht nicht auf den Geldbeutel an - die lassen sich von einer Strafe in Höhe von 500 Euro nicht beeindrucken." Andere hingegen seien mit einem Bußgeld in dieser Höhe empfindlich getroffen. Richtig weh tut nur der Führerscheinentzug, der alle gleichermaßen trifft.

Die Strafen für Geschwindigkeitsübertretungen führen nach Ansicht der Psychologin auch künftig kaum zu einem großen Lerneffekt. "Wenn man einmal mit Alkohol erwischt wird, ist der Führerschein weg. Das weiß jeder. Das ist klar und abschreckend." Zu schnelles Fahren hingegen wird zunächst mit Verwarnungen und Geldstrafen geahndet. Erst nach mehreren Verstößen dieser Art wird der Führerschein eingezogen. "Da reden sich die Leute schnell ein: Es hat immer irgendwie funktioniert, es wird auch wieder funktionieren", sagt Birgit Scheucher. Selbst Beinahe-Unfälle beeindruckten nicht alle Autofahrer - weil wirklich schwere Unfälle im Vergleich zum Verkehrsaufkommen eher gering sind. "Jeder passt im Straßenverkehr auf den anderen auf. Wir geben ja nicht Gas, wenn uns jemand die Vorfahrt nimmt."

Ob ein System mit weniger Punkten aus psychologischer Sicht sinnvoll ist, hängt davon ab, wie die Strafen künftig aussehen. "Wenn es für eine Tat weniger Punkte gibt, aber das Fahrverbot deutlich höher ausfällt, wird das die Autofahrer schon beeindrucken." Die Frage sei, ob das geänderte Punktesystem nicht in der Konsequenz dasselbe bedeutete. Und dann gibt es noch ein anderes Problem: "Die Kontrolldichte ist sehr gering; viele Vergehen werden überhaupt nicht geahndet." Grundsätzlich sieht sie die Vereinfachung aber positiv: "Es ist sicher von Vorteil, wenn das System transparenter ist - denn es ist mittlerweile so komplex, dass kaum mehr jemand durchblickt."

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