Verkehrspsychologie:"Durch das Erzählen lockert sich alles"

Doch auch Gerlach redet viel - und realisiert, dass sich der Krampf löst. "Durch dieses Erzählen lockerte sich alles. Da merkte ich: Medizinisch gesehen kann nichts passieren. Ich kann nicht in Ohnmacht fallen oder einen Unfall bauen." Er baut Selbstvertrauen auf, legt seine Nervosität ab. In der nächsten Fahrstunde tauschen beide die Plätze, Gerlach fährt - wie selbstverständlich auch über die Autobahn. Beim nächsten Mal sitzt er alleine im Auto, Bärike fährt hinterher. Auch diese Fahrt verläuft problemlos.

Mit ihrem Konfrontationstraining will Bärike erreichen, dass die Betroffenen die Verkehrssituationen, die sie zuvor gemieden haben, mit einem aushaltbaren Stresslevel meistern können - und in der Lage sind, sie zu entschärfen, sollte der Stress doch einmal überhandnehmen, wenn etwa ein Autofahrer von hinten per Lichthupe drängelt. "Dafür sollten sie verstehen, warum ihr Körper eine starke Stressreaktion zeigt und wie sie die Adrenalinausschüttung selbst wieder regulieren können", sagt Bärike.

Sie zeigt ihren Klienten, wie sie sie nennt, Kurzentspannungsverfahren, hilft ihnen, destruktive in unterstützende Gedanken zu verändern. Das baut Selbstbewusstsein auf und Schamgefühle ab. Und die Therapeutin schützt die Hilfesuchenden vor zu hohen Erwartungen. Es gehe nicht darum, nie wieder Ängste oder Panik zu haben, sondern sie mit regelmäßiger Übung in den Griff zu bekommen.

Schwierige Rahmenbedingungen in Deutschland

Dass hierzulande viele Autofahrer von Angstzuständen am Steuer geplagt sind, "hängt auch damit zusammen, dass wir das einzige Land ohne Geschwindigkeitsbeschränkung sind und eine Kultur der permanenten Geschwindigkeitsübertretung haben", sagt die Psychologin. "Unser Adrenalinsystem springt auf deutschen Autobahnen ganz anders an als in Dänemark oder der Schweiz."

Obwohl die Rahmenbedingungen - aus psychologischer Sicht - nicht perfekt sind, fährt Klaus Gerlach inzwischen wieder regelmäßig auf der Autobahn. Das sei nach den damaligen Fahrstunden schnell wieder möglich gewesen, sagt er. Trotzdem meldet er sich immer mal wieder bei Alexandra Bärike, gerade nach Phasen, in denen er nicht oft auf Schnellstraßen gefahren ist. "Ich habe sie vor etwa einem Jahr kontaktiert, weil ich eine Auffrischung haben wollte. Ich habe sofort gemerkt, dass die Selbstsicherheit wieder auftauchte. Heute habe ich keine Probleme mehr."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: