Verkehrspolitik der Parteien:Nur die CSU will die Maut für Ausländer

Mautbrücke auf A14 bei Leipzig

Kommt die Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen?

(Foto: dpa)

Kommt die Pkw-Maut oder nicht? Fahren bald alle nur noch 130 km/h auf der Autobahn, und wie soll die Verkehrsinfrastruktur ausgebaut werden? Das sind die Ansätze der Parteien zu den wichtigsten verkehrspolitischen Fragen.

Von Sascha Gorhau

Was für ein Aufschrei: Als SPD-Chef Sigmar Gabriel im Mai erwähnte, dass er ein Tempolimit von 120 km/h auf deutschen Autobahnen für sinnvoll halte, war die Resonanz riesig. Bürger echauffierten sich, die Medien griffen das Thema dankbar auf und gaben Gabriel Spitznamen wie "Bremser-Siggi". Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sah sich genötigt, seinem Parteichef umgehend zu widersprechen.

Themen aus den Bereichen Auto und Verkehr elektrisieren die Deutschen. Und wenn Rainer Brüderle, der FDP-Spitzenkandidat der aktuellen Bundestagswahl, die Autofahrer wiederholt als "Melkkuh der Nation" bezeichnet, dann mag man das populistisch und platt nennen - doch laut einer aktuellen ADAC-Studie sind nur 28 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass weitere Kosten für Autofahrer tragbar wären.

Aktuell erregt die Pkw-Maut für Ausländer die Gemüter. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer will, dass Ausländer für die Benutzung deutscher Autobahnen zahlen sollen. Ohne ein Entgegenkommen will er kein Koalitionspapier mit der Schwesterpartei CDU vereinbaren. Kanzlerin Angela Merkel hat der Maut allerdings eine Absage erteilt. Nun wird spekuliert, ob die Kanzlerin Seehofer nicht doch engegenkommen könnte.

Dabei ist eine Maut nur für ausländische Pkw nicht einmal theoretisch denkbar, verstößt die Idee doch gegen das Diskriminierungsverbot der EU. Sogar die Automobilbranche hält eine solche Forderung für nicht sinnvoll. Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, relativierte außerdem den Sinn der Forderung und sagte Welt Online, dass das Aufkommen ausländischer Pkw auf deutschen Straßen bei lediglich fünf Prozent liege.

Verkehrspolitik ist in Deutschland insgesamt meist noch Autopolitik. Sinnbild dafür ist der aktuelle Verkehrsminister Peter Ramsauer. Als Erfolge seiner Amtszeit hat er Nebensächlichkeiten wie die Wiedereinführung von Kfz-Kennzeichen längst eingestampfter Zulassungsbezirke vorzuweisen - und er hat den Begriff der Kampfradler populär gemacht. Andere Parteien hingegen erachten die Rolle des Fahrrads und seine Integration in den Verkehr der Zukunft als wichtiger. Lesen Sie im Folgenden die Standpunkte der verschiedenen Parteien zu den wichtigsten verkehrspolitischen Fragen.

Pkw-Maut

Union Die CDU will, dass Autobahnen kostenlos für Pkw bleiben. Die CSU auch - aber nur für deutsche Autos. Ausländische Autofahrer will sie an den Kosten für den Bau und Unterhalt der Infrastruktur beteiligen.

SPD Geschlossen lehnen die Genossen die Pkw-Maut ab. Kanzlerkandidat Steinbrück bekräftigte diese Haltung jüngst im Interview mit der ADAC Motorwelt: "Die Belastung der Autofahrer über Mineralölsteuer und Kfz-Steuer ist genug."

FDP Auch die Liberalen wollen die Autofahrer nicht weiter finanziell belasten. In der jüngsten Debatte zwischen CDU und CSU um eine Abgabe für ausländische Autos schlug sich die FDP auf die Seite von Kanzlerin Merkel, die die Maut ablehnt.

Bündnis90/Die Grünen Der grüne Verkehrsminister Baden-Württembergs, Winfried Herrmann, hatte eine umfassende Pkw-Maut gefordert. Doch innerhalb seiner Partei findet er dafür keine Mehrheit. Deren Linie formulierte der Bundestags-Spitzenkandidat der Grünen, Jürgen Trittin: "Grüne sind gegen eine Pkw-Maut." Allerdings will die Öko-Partei eine Maut für Fernbusse, Abgaben von Lkw auch für Bundesstraßen und ein umfassendes City-Maut-System, um den urbanen Verkehr umweltfreundlicher gestalten zu können.

Linke Die Linke ist geschlossen gegen die Einführung einer Pkw-Maut. Im Juni sagte Linken-Abgeordnete Sabine Leidig im Bundestag: "Die Pkw-Maut wäre ungerecht."

Piratenpartei Eine satellitengestützte Pkw-Maut lehnt die Piratenpartei generell ab. Sie befürchtet damit einen inakzeptablen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Bürger. Generell sei eine Maut "ein totaler Irrweg".

Tempolimit

Union Auf Seite 48 des aktuellen Wahlprogramms erteilen die Unionsparteien einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen eine klare Absage. Stattdessen sollen individuelle Regulierungen für bestimmte Abschnitte greifen.

SPD Das bisherige System der Geschwindigkeitsbegrenzungen reicht nach Ansicht der SPD aus. Vor wenigen Tagen noch hat SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück dies im Interview mit Auto Bild bekräftigt: "Für ein generelles Tempo­limit sehe ich keine Veranlassung."

FDP Die Liberalen setzen auf Deregulierung und lehnen darum ein starres Tempolimit ab. Die Limits sollen dem Lärmschutz der Anwohner und der Sicherheit dienen und situativ festgelegt werden.

Grüne Schon immer für klare Geschwindigkeitsobergrenzen waren Bündnis 90/Die Grünen - und das nicht nur auf Fernstraßen. Tempo 120 oder 130 auf Autobahnen, und innerstädtisch eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h fordern die Grünen.

Linke Die Linke will Tempo 120 auf deutschen Autobahnen. Innerstädtisch sollen höchstens 30 km/h erlaubt sein.

Piratenpartei Die Netzpartei verhält sich neutral zu Geschwindigkeitsregulierungen. Ganz dem Fortschritt verpflichtet, zielen die Piraten auf computergestützte, flexible Geschwindigkeitsbegrenzungen.

Elektromobilität

Union Im Jahr 2020 sollen eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein. Alternative Antriebskonzepte will die Union generell fördern, konkrete Summen oder Maßnahmen stehen allerdings nicht im Wahlprogramm. Obwohl dort das Setzen von steuerlichen und finanziellen Reizen (Seite 51) als Ziel vermerkt ist, hat sich die Kanzlerin gegen eine Kaufprämie oder den Erlass der Mehrwertsteuer ausgesprochen, wie es beispielsweise in anderen europäischen Länder üblich ist.

SPD Der bestehende Wirtschaftsstandort Deutschland mit seiner großen Automobilindustrie ist für die SPD wichtig und schützenswert, und veranlasst sie zu einem neutralen Standpunkt gegenüber Elektromobilität. Sie solle zwar allgemein vorangebracht werden, beispielsweise durch einen Ausbau des Ladesäulennetzes, Freigabe von Busspuren, kostenloses Parken - eine aktive und großflächige Förderung der Technologie allerdings ist nicht vorgesehen.

FDP Elektromobilität muss sich am Markt behaupten, so der Ansatz der Liberalen. Das einzige Entgegenkommen der FDP an Elektroautos wären fördernde Begleitmaßnahmen wie Wechselkennzeichen für Elektroautos als Zweitwagen für den Betrieb in Innenstädten.

Grüne Alle Autos, die weniger als 50 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen, gelten für die Grünen als förderungswürdig - ideell und finanziell. Spritschluckern wollen die Grünen mit Strafsteuern und dem Wegfall der Privilegien für Dienstautos entgegentreten. Dennoch betont die Partei, dass das Elektroauto nur ein Baustein von vielen im Rahmen eines vernetzten Konzepts der elektrischen Mobilität sei.

Linke Elektroautos will die Linke nicht fördern - auf jeden Fall nicht nur. Vielmehr solle der öffentliche Verkehr gestärkt werden. So solle insgesamt "mehr Klimaschutz im Verkehr" erreicht werden.

Piraten Neue Technologien begreifen die Piraten generell als Chance, beim Thema Elektromobilität jedoch ist die Netz-Partei skeptisch: "Der reine Elektroantrieb für Automobile ist nicht der Weisheit letzter Schluss."

Fahrrad, Schiene, ÖPNV

Union CDU/CSU wollen die Vielfalt der Verkehrssysteme stärken und entsprechend fördern. Vor allem Ziele in der Stadt sollen zu Fuß, per Auto, per Rad und mit dem öffentlichen Personennahverkehr erreichbar sein. Das Radwegnetz soll weiter ausgebaut werden, Elektrofahrräder als Verkehrsmittel der Zukunft dabei eine wichtige Rolle spielen. Konkrete Förderungsmaßnahmen nennt die Union allerdings nicht. Auf der Schiene will die Union den Wettbewerb fördern und öffentliche Investoren vermehrt in den Bahnverkehr integrieren.

SPD Die SPD hat einen starken Fokus auf den Schienenverkehr, vor allem in Hinblick auf den Gütertransport. Dem steigenden Schienenaufkommen will die SPD mit einer Summe von 200 Millionen Euro zur Eindämmung von Schienenlärm begegnen.

FDP Im Gegensatz zum Fokus der Genossen auf die Schiene wollen die Liberalen kein bestimmtes Verkehrsmittel fördern. Stattdessen sollen die Fahrgastrechte gefördert werden, außerdem der Wettbewerb auf der Schiene. Fahrradpolitik ist der FDP egal, das Wort Fahrrad kommt nur einmal im Wahlprogramm der Liberalen vor: "Neue Antriebstechnologien, wie lautlose Elektro-Pkw und schnelle Elektrofahrräder, aber auch der demografische Wandel stellen uns hier vor neue Herausforderungen."

Grüne Die Grünen bekennen sich klar zur Förderung des öffentlichen Verkehrs, auch auf der Schiene. Statt eines eher straßenorientierten Bundesverkehrswegeplanes fordert die Partei einen umfassenderen Ansatz in Gestalt eines Bundesmobilitätsplanes. Die Basis dieser Mobilität soll eine Stromversorgung aus regenerativen Energien sein. Der Verkehr mit dem Fahrrad ist ein besonderes Anliegen: Radschnellwege, Fahrradmitnahme im ICE oder ein Radverkehrsanteil von mehr als 20 Prozent sind die wichtigsten Ziele.

Linke Bahn, ÖPNV und Rad - öffentliche und umweltfreundliche Verkehrsmittel sind der Schwerpunkt. Allerdings sollen die Netze und Strukturen in öffentlicher Hand bleiben. Fahrradverkehr wollen die Linken in die Gesamtmobilität einbetten, jedoch nicht speziell fördern.

Piraten Der Ausbau der Gütertransporte ist der Piratenpartei ein großes Anliegen. Spezielle Radpolitik findet sich im Wahlprogramm der Piraten nicht.

Gesundheitscheck für Verkehrsteilnehmer

Union Die Unionsparteien lehnen regelmäßige Gesundheitskontrollen für Führerscheininhaber ab. Ältere Autofahrer würden dadurch laut Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) diskriminiert. Die Fahrtüchtigkeit bestimme lediglich der Gesundheitszustand, nicht das Alter an sich.

SPD Hamburgs Innensenator Michael Neumann hat 2012 den Gesundheitscheck für Senioren mit Führerschein ins Gespräch gebracht. Im aktuellen Wahlprogramm der Sozialdemokraten allerdings ist kein Standpunkt dazu zu finden.

FDP Die FDP räumt jedem Führerscheininhaber die Freiheit zur Selbstbestimmung ein, ob sie oder er noch imstande ist, am Straßenverkehr teilzunehmen. "Forderungen nach einer Fahrtüchtigkeitsüberprüfung halte ich für überflüssig," sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring.

Grüne Ein "Gesundheits-TÜV" ist sinnvoll, davon sind die Grünen überzeugt. Jung und Alt sollten sich regelmäßig Kontrollen unterziehen, um ihre Fahrtüchtigkeit unter Beweis zu stellen.

Linke Die Linkspartei hat hierzu keine Stellungnahme abgegeben.

Piraten Die Piratenpartei konnten wir für eine Stellungnahme nicht erreichen.

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