Verkehrsplanung:Freiburg streitet um den neuen Stadttunnel

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Bislang verläuft die B 31 oberirdisch quer durch Freiburg. Mit dem neuen Stadttunnel soll sich das künftig ändern. (Foto: Steve Przybilla)
  • Die B 31 rund um Freiburg ist eine der wichtigsten Verkehrsadern in Baden-Württemberg.
  • Um weniger Autoverkehr oberirdisch durch die Stadt zu schleusen, soll ein Tunnel gebaut werden, der auch schon im neuen Bundesverkehrswegeplan berücksichtigt ist.
  • Die Politik steht parteiübergreifend hinter dem Projekt. Doch von Umweltverbänden regt sich nun Widerstand.

Von Steve Przybilla

Vielleicht ist der Krimi seiner Zeit ja einfach voraus: Im Tatort "Fünf Minuten Himmel" fährt Heike Makatsch gefühlt alle fünf Minuten durch den badischen Untergrund. Dabei ist der Schützenalleetunnel im Freiburger Osten nicht einmal einen Kilometer lang. Wer sich in der Stadt bewegt, muss ihn normalerweise nicht durchqueren. Wenn alles klappt, kommt der kleine Tunnel aber noch ganz groß raus, denn die Bundesstraße ist - neben der A 8 - die wichtigste Ost-West-Verbindung in Baden-Württemberg.

Schon heute wälzen sich pro Tag mehrere Zehntausend Autos und Lkws quer durch die Stadt. Neben Lärm und Stau entsteht dabei auch dicke Luft. Die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid werden seit Jahren überschritten - 2014 um gut 50 Prozent. Im Jahre 2025 werden nach Schätzungen des Regierungspräsidiums Freiburg pro Tag etwa 65 800 Pkws und 6500 Lkws auf der B 31 in beide Richtungen unterwegs sein.

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Das teuerste Projekt des neuen Verkehrswegeplans

Bändigen lässt sich die Blechlawine allenfalls mit einem neuen Stadttunnel. Er soll den Autobahnzubringer mit dem bestehenden Tunnel verbinden und damit den Durchgangsverkehr in den Untergrund verbannen. Dank eines Kniffs müssen die Freiburger den Neubau nicht einmal selbst bezahlen: Der Stadttunnel wird als Autobahn A 860 klassifiziert, wodurch er in die Zuständigkeit des Bundes rückt.

Der Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans stuft den Stadttunnel in den "vordringlichen Bedarf" ein. Gemessen an den Kosten pro Kilometer ist er das teuerste Projekt des ganzen Dokuments: Der 1,8 Kilometer lange Erweiterungsbau kostet mindestens 325 Millionen Euro.

"Eine enorme Chance für die Stadt"

Als Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Nachricht verkündete, hätten einige Stadträte am liebsten die Sektkorken knallen lassen. Neben dem Gemeinderat hatten sich viele Landespolitiker und alle drei Freiburger Bundestagsabgeordneten (CDU, SPD, Grüne) für den Tunnel starkgemacht. Es ist ein Bündnis quer durch alle Parteien, das von der lange herbeigesehnten Verkehrsentlastung träumt. Oben, so die Hoffnung, könnte schon bald die vierspurige B 31 zurückgebaut werden. "Das ist eine enorme Chance für die Stadt", meint etwa Grünen-Stadtrat David Vaulont. In Zukunft könne man "in der Mittagspause einen Kaffee an der Dreisam trinken, ohne dass Lkws stören".

Doch das sehen nicht alle so. Seit einigen Wochen zieht sich ein Riss durch die Umweltbewegung im grün regierten Freiburg. Die große Mehrheit plädiert für den Stadttunnel. Aber es gibt auch Abweichler. Prompt gründete sich eine "Initiative Statt Tunnel", ein Zusammenschluss mehrerer lokaler Umweltgruppen (Greenpeace, BUND, VCD, BBU). Allesamt kämpfen für eine radikale Verkehrswende. "Eigentlich müssten wir alles dafür tun, um den Verkehr um 50 Prozent zu reduzieren", sagt Mitgründer Jörg Lange mit Blick auf die Klimaziele der Bundesregierung. Ein Bauwerk wie der Freiburger Stadttunnel bewirke aber genau das Gegenteil. "Das zieht noch mehr Verkehr an."

Ganz von der Hand zu weisen ist diese Behauptung nicht, vor allem in Hinblick auf die verkehrsgeplagten Schwarzwald-Gemeinden, durch die sich die B 31 schlängelt. Selbst das mit dem Tunnelbau befasste Regierungspräsidium schreibt auf seiner Homepage: "Verschiedene Ausbaumaßnahmen der letzten Jahre haben die (. . .) Attraktivität der Bundesfernstraße Schritt für Schritt erhöht. Dies wirkt sich zunehmend belastend auf die (. . .) verbliebenen Ortsdurchfahrten aus." Die Behörde zieht daraus jedoch einen anderen Schluss als die Tunnelgegner: weiter ausbauen.

Dass die Belastung an der B 31 enorm ist, stellt auch die Initiative nicht in Abrede. Auf ihrer Homepage listet sie zahlreiche Sofortmaßnahmen auf, mit denen man den Verkehr reduzieren könnte - ohne Tunnel. Gefordert wird etwa ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, eine Lkw-Maut auf der gesamten B 31, die Einführung von Tempo 30 in Freiburg sowie eine grüne Welle für Radfahrer. All das zielt darauf ab, die Hauptverkehrsader für den Durchgangsverkehr unattraktiv zu machen.

"Technisch ist das machbar", meint Jörg Dengler vom Verkehrsclub Deutschland (VCD), der sich der Initiative angeschlossen hat. Dass autofreie Gebiete durchaus funktionierten, belege der Freiburger Öko-Stadtteil Vauban. Am Stadttunnel stört Dengler vor allem der oberirdische Vollanschluss, der in der Nähe der Innenstadt mit je einer Auf- und Abfahrt pro Richtung entstehen soll. "Da kann man aus der ganzen Welt mit dem SUV kreuzungsfrei direkt bis hinters Münster fahren", schimpft Dengler. "Und genau das wird passieren."

Wenig Unterstützung für die Tunnelgegner

"Unrealistisch und ideologisch" nennt hingegen Freiburgs Baubürgermeister Martin Haag (parteilos) die Aussagen der Tunnelgegner. Noch "kein einziges tragfähiges Argument" habe er von ihnen gehört. Den Vollanschluss findet Haag nur logisch. "Sonst müssten alle, die innerhalb der Stadt von Ost nach West wollen, oberirdisch fahren. Und genau das wollen wir ja nicht." So sehen es offenbar auch die meisten Freiburger. Eine Online-Petition der Initiative "Statt Tunnel" haben aktuell rund 200 Personen unterzeichnet - was freilich nicht heißen muss, dass sich die Stimmung nicht drehen könnte. Die meisten Einwohner hätten sich einfach noch nicht mit dem Thema beschäftigt, argumentieren die Tunnelgegner.

Am Ende läuft alles auf eine einfache Frage hinaus: Wie lässt sich die badische Studentenstadt am besten vom Verkehr entlasten? Als wäre die Beantwortung nicht kompliziert genug, sind Gegner und Befürworter auf skurrile Art und Weise miteinander verflochten. Beispiel Haag: Der Baubürgermeister ist privat selbst Mitglied im VCD. Von Amts wegen verfolgt er aber genau das Gegenteil dessen, was der Verkehrsclub in Freiburg fordert.

Ähnlich kompliziert ist die Sache bei Helmut Thoma. Der Grünen-Stadtrat kämpfte lange Zeit gegen einen neuen Tunnel, bevor er die Seiten wechselte. Nun setzt er sich mit aller Kraft für das Millionen-Bauwerk ein. "Es ist völlig klar, dass wir an der Oberfläche in Zukunft keine vier Fahrspuren mehr brauchen", sagt Thoma. Die städtebaulichen Veränderungen, die man dadurch anstoßen könne, seien "ein Quantensprung für unsere Stadt".

Auch Thoma steht übrigens einem Verband vor, dessen Name die Verwirrung komplett macht: Initiative Stadttunnel - aber bitte mit "dt".

© SZ vom 20.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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