E-Bikes sind eine tolle Erfindung. Sie machen Radfahren so mühelos. Anstiege und Berge sind kein Problem mehr. Nie wieder lästige Schweißausbrüche. Einfach treten und auf die Mitarbeit des Elektromotors vertrauen. Innerhalb weniger Sekunden beschleunigt das Rad auf eine Geschwindigkeit, die viele mit reiner Muskelkraft nie erreichen würden. Die anderen auf dem Radweg bleiben zurück, während das E-Bike immer schneller und schneller davon schießt.
Und genau das ist das Problem. E-Bikes sind so verdammt - unentspannt. Und unpraktisch. Es lässt sich nicht anders ausdrücken. Wer schon einmal jeden Tag ein wegen des Akkus 35 Kilo schweres Pedelec die Kellertreppe rauf- und wieder heruntergetragen hat, kann das nachfühlen.
Rundes Jubiläum:200 Jahre Fahrrad: So feiert Deutschland das Jubiläum
1817 war die Geburtsstunde des Fahrrads. Viele Veranstaltungen erinnern deshalb im kommenden Jahr an den Erfinder. Nur das Bundesverkehrsministerium zeigt kein Interesse.
Beim Alltagsradeln geht es nicht nur um Geschwindigkeit und das zeitsparende von A nach B Gelangen. Es ist auch Entschleunigung und Entspannung. Von welchem Verkehrsmittel lässt sich das schon behaupten. Das Auto - ein einziger Nervtöter. Kein Tag im Berufsverkehr, an dem nicht gehupt, geflucht und Finger für Gesten gebraucht würden, die bei den eigenen Kindern für einen Nachmittag auf der stillen Treppe sorgen würden. Die U-Bahn und Tram: ständig überfüllt, im Sommer mit schwitzenden, im Winter mit schniefnasigen Mitbürgern. Der Bus: steht im gleichen Stau wie das Auto.
Auf dem Fahrrad fährt es sich ohne Stress
Das Fahrrad hingegen kommt überall durch. Gleichmäßig, gemächlich, entspannt. Das ist sogar wissenschaftlich belegt. In einer Langzeitstudie unter 18 000 Briten zwischen 18 und 65 Jahren wies Adam Martin von der Anglia University in Norwich nach, dass Autofahrer am gestresstesten zur Arbeit gelangen. Je länger sie unterwegs sind, umso aggressiver werden sie. Bei Fußgängern und Radfahrern ist es genau umgekehrt. Mit jedem zurückgelegten Kilometer sinkt das Stresslevel.
Das gelingt natürlich nicht mit hochgezüchteten Rennmaschinen, die, wenn man den Straßenverkehr betrachtet, offensichtlich unbedingt in der dazu passenden neonfarbenen Sportkleidung betrieben werden müssen. Oder mit aufs Nötigste reduzierten hippen Räden, die den Fahrer weit nach vorne über den Lenker zwingen, während er jede Straßenunebenheit am eigenen Körper spürt, als gäbe er den Sparringspartner von Wladimir Klitschko.
Gang drei ist nur für die Tollkühnen
Nein, wer entschleunigen will, muss simplifizieren. Zwei Laufräder, drei Gänge, das reicht in jeder Großstadt, um von A nach B zu kommen. Der erste Gang dient zum Anfahren oder Steigungen, in Gang zwei lässt sich das Rad bequem durch die Stadt lenken. Gang drei ist für die Tollkühnen unter uns. Wer mehr braucht, gibt an. Oder ist einer dieser Menschen, die sich auch noch an der engsten Stelle des Radweges laut klingelnd vorbeipressen müssen, weil es nicht schnell genug voran geht.
Der Rest lässt den Blick durch die Stadt schweifen und entdeckt zwischen grauem Beton den aufkeimenden Frühling. Entspannt auf dem Rad sitzend in möglichst aufrechter und rückenschonender Haltung. Ohne den Stress, ständig schneller sein zu müssen als andere. Erst dann zeigt sich, was Radfahren wirklich sein kann: Fortbewegungsmittel und Entspannung zugleich.