Süddeutsche Zeitung

Verkehr:Parkplatz-Sheriff zockte mit Kralle ab

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Ein selbsternannter Parkplatz-Sheriff hielt in Augsburg mit einer Parkkralle Falschparker, aber auch Schwangere und Omas fest. Er muss lange in Haft.

C. Nohn

Manch einer stand erst eine Minute auf dem Parkplatz. Eine Großmutter wollte die Enkelin einsteigen lassen, eine hochschwangere Frau Medikamente in der Apotheke nebenan abholen - sie alle hatten im Nu eine Parkkralle am Auto und sollten 100 Euro und mehr zahlen, sofort und in bar.

Auch ein Feuerwehrauto im Einsatz steckte einmal auf dem wohl teuersten Parkplatz Augsburgs fest. Der Parkplatzwächter, der dort unter den Augen der Polizei jahrelang absahnte, ist nun zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden.

Der Angeklagte spielt mit seinen Handschellen, rollt mit den Augen, schüttelt immer wieder den Kopf, als habe das Gericht ihn völlig falsch eingeschätzt. Doch der Vorsitzende Richter Claus Pätzel lässt keine Zweifel aufkommen, dass er überzeugt ist, worauf es dem als "Parkplatz-Sheriff" bekannt gewordenen Angeklagten ankam: allein aufs Geld.

Bereits seit einem halben Jahr sitzt der 31-jährige Arthur Schifferer in Untersuchungshaft, weil er Falschparker vor einem Augsburger Ärztehaus abgezockt haben soll. Nun ist klar, dass der Beschuldigte länger hinter Gitter bleiben muss: Wegen Erpressung, versuchter Erpressung, Beleidigung und Nötigung in insgesamt 23 Fällen hat ihn das Augsburger Landgericht am Montag zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ein Mitarbeiter Schifferers erhielt wegen Erpressung und versuchter Erpressung in insgesamt 18 Fällen eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten.

Dabei stehen die verhandelten Fälle nur für einen kleinen Teil jener Konflikte, die sich im vergangenen Jahr am Geschäftsmodell des einstigen Kickboxers, Versicherungsmaklers und Privatdetektivs Schifferer entzündet haben. Der Angeklagte selbst nannte die Zahl 3000, Richter Pätzel ging zumindest von einer vierstelligen Zahl an Fällen aus, die die Justiz untersucht hat.

Richter Pätzel stellte klar, dass er "kein Mitleid" mit Falschparkern habe und dass jeder Grundstückseigentümer das Recht habe, Falschparker abschleppen zu lassen. "Aber solche Fälle haben hier keine Rolle gespielt" - nie sei tatsächlich ein Wagen abgeschleppt, sondern nur damit gedroht worden, damit die Leute zahlten.

Außerdem habe Schifferer zwar im Auftrag eines Mieters gehandelt - er habe aber nicht seine eigenen Ansprüche durchsetzen wollen. Der Richter teilte die Fälle in drei Gruppen ein: Jene, die nur wenden oder kurz anhalten wollten, um jemand aussteigen zu lassen - ein solches "sozial adäquates Verhalten" habe jeder zu dulden.

Gruppe zwei umfasse die zum Parken berechtigten Besucher, die Schifferer aufhielt und erpresste - zum Beispiel die Frau, die im Sanitätshaus eingekauft hatte und trotzdem 140 Euro zahlen musste, damit Schifferer ihr Fahrzeug wieder freigab.

Dabei gingen Schifferer und die Mitarbeiter seiner Firma "Parkplatzüberwachung" immer gleich vor - nach dem "System Schifferer", wie der Richter sagt. Wer auf den Parkplatz fuhr, der Kunden eines Sanitätshauses und Patienten einiger ansässiger Ärzte vorbehalten war, aber oft unerlaubt von Kunden der naheliegenden City-Galerie genutzt wurde, musste damit rechnen, aufgehalten und zur Kasse gebeten zu werden.

Die dritte Gruppe schließlich seien die tatsächlichen Falschparker, wobei aber immer jemand in der Nähe war, der das Auto sofort wegfahren konnte. Doch die meisten Betroffenen gaben an, Schifferer habe ihnen keine Möglichkeit eingeräumt, wegzufahren, er habe sofort Geld verlangt. Dabei sei er sehr herablassend gewesen. So gab eine Litauerin an, er habe sie wiederholt als "Scheiß-Ausländerin" bezeichnet.

Nach Schätzungen der Polizei nahm Schifferer mit seiner Methode zeitweise bis zu 12.000 Euro in der Woche ein. Und aus abgehörten Telefonaten geht hervor, dass er sein Geschäftsmodell ausbauen wollte. Er wollte eine Firma in Liechtenstein gründen, Parkplätze in Deutschland anmieten und abkassieren. Er kalkulierte damit, dass es kaum jemand auf sich nehmen würde, gegen eine Firma in Liechtenstein zu klagen.

Der Richter rügte nicht nur Schifferers Verhalten, sondern auch die Polizei in Augsburg. Denn viele vermeintliche Falschparker, die die Parkkralle loswerden wollten, hätten von der herbeigerufenen Polizei gehört: "Da können wir nichts machen." Der Richter: "Dabei ging es doch um eine Straftat, und zu deren Verhindern ist die Polizei verpflichtet."

Während sich Staatsanwalt Franz Wörz, der fünfeinhalb Jahre Freiheitsstrafe gefordert hatte, mit dem Urteil zufrieden zeigte, sagte Verteidiger Gerald Pöschl, er werde "sicherlich Revision einlegen". Zwar habe ihn die Verurteilung nicht überrascht, aber das Strafmaß. Der Richter habe die Falschberatung seines Mandanten durch dessen damalige Anwälte zu wenig berücksichtigt. Und "im Zusammenspiel mit dem Verhalten der Polizei vor Ort" habe bei Schifferer der Eindruck entstehen müssen: "Das ist okay, was ich hier tue."

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Quelle:
SZ vom 11.05.2010
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