Süddeutsche Zeitung

Verkehr im Sanierungsstau:Deutsche beklagen marode Straßen

Mehr Schlaglöcher, marode Brücken, unebene Bürgersteige, unbeleuchtete Straßen: Acht von zehn Deutschen leiden darunter, dass sich die Verkehrswege in ihrem Umfeld verschlechtert haben. Laut einer Infas-Umfrage beklagen in kleinen Städten sogar 95 Prozent den Verfall der Infrastruktur.

Von Daniela Kuhr

Wer in Deutschland morgens mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, läuft in vielen Regionen Gefahr, mit Kopfschmerzen anzukommen. Unzählige Fahrradwege sind mittlerweile von Baumwurzeln überwuchert oder von geflickten Stellen übersät, sodass man wie über ein Kopfsteinpflaster holpert - und der Kopf permanent durchgeschüttelt wird. Gut jeder zehnte Deutsche klagt inzwischen über den schlechten Zustand der Fahrradwege in seiner Umgebung. Das ist das Ergebnis einer Infas-Umfrage unter 1500 Bundesbürgern, die das Deutsche Verkehrsforum (DVF) an diesem Mittwoch in Berlin vorstellt.

Noch mehr als die Fahrradfahrer jammern aber die Autofahrer. 66 Prozent beschweren sich über die steigende Zahl von Schlaglöchern. 35 Prozent stellen fest, dass auch andere Schäden, wie etwa Risse im Beton oder marode Brücken, zunehmen. 21 Prozent benötigen wegen solcher Schäden heute für bestimmte Fahrstrecken länger als früher. "Langsam bekommen wir die Rechnung dafür, dass unsere Verkehrswege jahrelang auf Verschleiß gefahren wurden", sagt Thomas Hailer, Geschäftsführer des DVF, einer Vereinigung von 170 Unternehmen und Verbänden der Verkehrsbranche.

Dabei gilt offenbar: Je kleiner die Städte, umso größer das Problem. In Städten mit weniger als 25 000 Einwohnern stellen 95 Prozent der Befragten einen Verfall ihrer Verkehrswege fest. Bundesweit dagegen sind es 80 Prozent. Dieses "Qualitätsgefälle" zwischen Stadt und Land alarmiert Hailer. "Gerade Kleinstädte drohen abgehängt zu werden."

20 Jahre verschlafen

Verkehrsexperten warnen schon länger, dass Deutschlands Infrastruktur verfällt. Allein um das aufzuholen, was in den vergangenen Jahren an Sanierungen versäumt wurde, wären 15 Jahre lang jährlich 7,2 Milliarden Euro zusätzlich zu den bisherigen Investitionen nötig. Das haben zwei Bund-Länder-Kommissionen im vergangenen Jahr ermittelt.

Der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Schleswig-Holsteins Minister Reinhard Meyer (SPD), hat es kürzlich auf den Punkt gebracht. Auf die Frage eines Journalisten, wie es zu dieser Situation kommen konnte, sagte er: "Weil wir mindestens 20 Jahre verschlafen haben." Und damit meinte er alle gleichermaßen, egal aus welcher Partei, egal ob von Bund oder Land. Meyer sähe es gern, wenn das Geld aus dem Solidaritätszuschlag, das nicht im Osten verbaut wird, zur Reparatur der maroden Infrastruktur genutzt würde. Das sind immerhin vier Milliarden Euro. Doch bislang dringt er mit seinem Vorschlag nicht durch.

Für DVF-Geschäftsführer Hailer zeigt die Umfrage, dass die Bürger den Sanierungsstau immer deutlicher im eigenen Umfeld spüren. Auch über nicht mehr funktionierende Straßenbeleuchtungen oder unebene Bürgersteige haben sich die Befragten beklagt - was gerade für alte Menschen gefährlich werden kann.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat bereits angekündigt, in dieser Legislatur fünf Milliarden Euro mehr als bislang zu investieren. Das wird allerdings vorn und hinten nicht reichen. Der Auto Club Europa (ACE) warnt davor, das Thema zu unterschätzen: "Die Politikverdrossenheit der Bürger wird weniger von den großen politischen Ereignissen geprägt, als davon, was sie jeden Tag vor ihrer Haustür erleben."

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SZ vom 09.04.2014/lala
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