Süddeutsche Zeitung

Vergleich: Mercedes CLS / Audi A7:Das zweite Leben der Limousine

Lesezeit: 3 min

Offenbar hat die klassische Gattung endlich eine Ausdrucksform mit Zukunft gefunden: Mercedes CLS und Audi A7, eine Betrachtung.

Jörg Reichle

Eigentlich ist das ein unmöglicher Vergleich. Ein Auto mit Diesel gegen eines mit Benzinmotor. Aber eigentlich ist das auch eher eine Betrachtung von zwei Charakteren. Bloß keine schnöde Zahlenklauberei.

Das verbietet sich im Grunde schon, wenn man den Mercedes CLS und den Audi A7 Sportback auch nur von Weitem sieht. Beide sind alles andere als fade, so schön und aufregend, im Gegenteil, dass man sie für alles halten könnte, nur nicht für Limousinen alten Schlags. Die haben schon seit einiger Zeit ihren Ruf weg: abgenutzt, ein bisschen langweilig, das Verfallsdatum in Reichweite.

Das hier aber besitzt Stil und Eleganz und eine unwiderstehliche formale Überzeugungskraft. Auch wenn das Design in beiden Fällen vollkommen andere Wege geht.

Der Mercedes lässt Muskeln spielen. Dafür riskiert er die eine oder andere Übertreibung, diesen weiten Schnitt der vielen Linien und Kanten zum Beispiel, oder die Rückleuchten, die aussehen wie Riesenmandeln; und nicht zuletzt die dramatische Front, Ähnlichkeiten mit dem Flügeltürer SLS sind dabei weder zufällig noch ungewollt. Alles in allem bezieht der CLS seine Faszination aus dieser Kombination von Eleganz und Aggressivität.

Der Audi ist designmäßig dennoch eine andere Welt. Betörende Proportion, klare Linien, selbstbewusst, ausgewogen. Aufregend ist er in wohl dosierten Details wie dem Übergang der Flanke in die Heckpartie. Oder im Entstehen und Verlauf der Schulterlinie. So oder ähnlich hätte man sich, nebenbei gesagt, den letztlich mutlosen A8 gewünscht. Die empirische Zufallsabstimmung an der Tankstelle gewinnt der A7 gegen den CLS jedenfalls klar. Der Glanz in den Augen der Damen ist nicht zu übersehen.

Was Mercedes und Audi vereint, ist ihr spezielles Anliegen, der Fahrkultur eine sehr besondere Form zu verleihen. Die Testfahrt: Jeweils vier Personen, einmal Deutschland und zurück, von München nach Flensburg, Autobahn pur, knapp 2000 Kilometer, bei klirrendem Winterwetter gefühlt das Doppelte. Erster Eindruck von beiden Kandidaten: exzellentes Reisen, souveräne Leistung, große Klasse. In jeder Beziehung.

Das zeigt, dass es längst eine Faszination jenseits von aufregendem Motorsound und künstlich provozierter Querdynamik gibt. Man klagt hier also, wenn überhaupt, auf oberstem Niveau. Im Mercedes sitzt man auf besseren Sitzen niedriger als im A7, der Raum unterm flachen Dach mutet höhlenartig an, vielleicht wähnt man sich deshalb so geborgen.

Auch hinten ist Loge, hier wie dort. Wenn die Damen und Herren in der zweiten Reihe überhaupt etwas zu meckern haben, dann über den etwas erschwerten Zutritt bei beiden, die zu harten Kopfstützen im Mercedes oder dessen etwas sehr kernige Federabstimmung.

Der Audi gibt sich hier mit seiner optionalen Luftfederung (1639 Euro) verbindlicher. Auch gefällt der A7 mit weniger lauten Windgeräuschen bei hohem Tempo. Dass er im Gegensatz zum Audi nur zwei angetriebene Räder hat, lässt sich der CLS dagegen nicht anmerken - zumindest, so lange der Untergrund griffig ist. Die 4matik gibt es für ihn erst im Herbst 2011.

Brilliant ist dafür schon jetzt seine elektromechanische Lenkung: höchste Richtungsstabilität und äußerst mitteilsam, was die Straße angeht. Da tut sich der Audi mit seiner leichtgängigen, eine Spur weniger gefühlsechten Steuerung deutlich schwerer.

Hoch anzurechnen ist dem A7 dafür seine Variabilität mit der großen Heckklappe und den umlegbaren Sitzen. Der Kofferraum des Mercedes ist zwar auch vergleichsweise riesig. Auf mehr Nutzwert muss man hier aber noch warten - auf den CLS Shooting Brake. Das Kombi-Coupé kommt erst 2012.

Es ist nun also über das Reisen mit völlig unterschiedlichen Antrieben zu berichten. Dem aufgeladenen Sechszylinder-Diesel mit drei Liter Hubraum im Mercedes (350 CDI BlueEfficiency) gebührt der Vorrang, denn er ist bullig (620 Nm bei 1600 U/min), hat jede Menge Kraft (195 kW / 265 PS), außerdem versteht er sich blind mit der harmonisch arbeitenden Siebenstufen-Automatik. Und das Beste: Er ist sparsam wie der sprichwörtliche Schwabe. Nicht mehr als 7,7 Liter konsumierte der CLS auf der SZ-Testroute, das würde sich mancher Kleinwagen hoch anrechnen.

Dass sich gegen einen so hervorragenden Diesel ein noch so guter Benziner heute schwertut, sieht man am Audi. Dessen 3.0 TSFI mit 220 kW (300 PS) ist zwar nominell stärker. Dennoch vermisst man in der Routine des Fahrbetriebs das bärige Drehmoment des Selbstzünders (440 Nm gegen 620 Nm). Das wiegt schwerer als der ohnehin kaum wahrnehmbare Gewinn an Laufkultur. Ganz abgesehen davon steht dieser Benziner auch in Sachen Verbrauch auf verlorenem Posten: 11,9 Liter ergab die Testrunde, trotz Start-Stopp. Alles spräche also auch beim Audi für den Selbstzünder, der als 3,0 TDI 245 PS leistet.

Dass beide Neo-Limousinen längst eine Alternative zur traditionellen Luxusklasse sind, zeigt ihr Assistenz-Niveau. Sie halten wie von Geisterhand Fahrspur, Tempo und Abstand, sie warnen vor Unfällen und parken automatisch ein, das Licht der Scheinwerfer passt sich Straße und Verkehr an, sie sehen per Radar mehr als der Fahrer und verändern ihre Eigenschaften je nach dem vom Navi vorhergesagten Straßenverlauf.

All das schafft die Elektronik - nicht ganz perfekt im Einzelnen, aber im Großen und Ganzen doch funktionssicher. Freilich auch teuer. Wer alles will, kann den Grundpreis (Audi: knapp 50.000 Euro, Mercedes gut 63.000 Euro) verdoppeln.

Am Ende aller Reisen lautet also das Fazit: Die Limousine ist tot! Hoch lebe die Limousine!

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Quelle:
SZ vom 20.12.2010
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